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Apple-Kurs steigt nach Boot-Camp-Ankündigung um zehn Prozent

06.04.2006
Dafür, dass "Boot Camp" eigentlich nur ein simpler Boot-Manager ist, hat Apples gestrige Ankündigung reichlich Wellen geschlagen.

Unter anderem an der US-Technikbörse Nasdaq, wo der Aktienkurs des Mac-Herstellers am gestrigen Handelstag um 6,04 Dollar oder 9,87 Prozent auf 67,21 Dollar zulegte. Auch die Blogosphäre überschlug sich. Und alles nur, weil Besitzer neuer Macs mit Intel-Prozessoren jetzt auch Windows XP neben Mac OS X installieren können, wenn ihnen danach ist (siehe "'Boot Camp': Apple erlaubt offiziell Koexistenz mit Windows"). Apple hatte dabei ausdrücklich erklärt, es wolle Windows weder vertreiben noch supporten. Auch der XP-Nachfolger Vista wurde mit keinem Wort erwähnt.

Bislang war die Apple-Welt eine geschlossene. Auf Macintosh-Rechnern lief nur Mac OS (X) als Betriebssystem, was Apple und seinen Kunden eine stabile und performante Umgebung ohne Treiberprobleme bescherte. Wer unbedingt eine Windows-Software benötigte, musste dazu auf Krücken wie den schnarchlangsamen Emulator "Virtual PC" zurückgreifen, der nach dem Kauf von Connectix inzwischen von Microsoft vertrieben wird. Dieser Notbehelf und vergleichbare Produkte werden für Mactel-Besitzer nun überflüssig, und das ist gut so. Microsoft Mac-Sparte will Virtual PC für Intel-Macs trotzdem weiterentwickeln und Ende des Jahres herausbringen. Sie betont die Vorzüge eines integrierten Windows-Zugriffs gegenüber dem Enweder-oder von Dual Boot.

Wer Boot Camp, dessen finale Version Bestandteil des nächsten Major Release von Mac OS X werden soll, einsetzen möchte, braucht dazu eine legale Vollversion von Windows XP. Und die kostet um die 150 Euro. Mit PCs gelieferte CDs funktionieren ebenso wenig (wegen der Produktaktivierung des Microsoft-Systems) wie Update-Versionen. Unklar ist außerdem, ob Microsoft sein Betriebssystem auf Mac unterstützen wird. "Es gibt noch einige offene Fragen, die erst geklärt werden müssen", sagte Kevin Kutz, Director der Windows-Client-Sparte.

Walter "Walt" Mossberg, Kolumnist des "Wall Street Journal", konnte Boot Camp (wieder mal ein paar Tage vor der offiziellen Ankündigung) ausführlicher in Augenschein nehmen und ist grundsätzlich sehr angetan. Allerdings macht die Beta-Software auch noch ein paar Zicken. Zum Beispiel muss man bei jedem Windows-Start die Systemzeit neu einstellen und den Druckertreiber - obwohl bereits installiert - neu einspielen. Apple arbeite bereits an diesen Problemen, schreibt Walt.

Für die Installation von Windows XP unter Boot Camp muss man außerdem eine verkabelte Tastatur und Maus benutzen. Das Microsoft-Betriebssystem kann ferner mit Apples "iSight"-Videokamera und anderen Peripheriegeräten (noch?) nichts anfangen. Die XP-Installation ist laut Mossberg außerdem nicht ganz untrivial an der Stelle, wo man in Windows die Installations-Partition der Festplatte angeben muss. Apple beschreibt allerdings in seiner Anleitung zu Boot Camp genau, was hierbei zu beachten ist.

Die Reaktion der Börse beweist jedenfalls, dass der Markt erwartet, Apple werde sich mit der Tolerierung der Koexistenz seines eigenen Betriebssystems mit der dominierenden Microsoft Plattform neue Kundenkreise erschließen und "Switcher" zum Umstieg von Konkurrenz- auf Apple-Hardware bewegen. Der Hersteller aus Cupertino kam im vergangenen Jahr laut IDC-Zählung auf gerade einmal 2,3 Prozent Anteil am weltweiten PC-Markt nach Stückzahlen. Ein Jahr zuvor waren es sogar nur zwei Prozent, zehn Jahre zuvor allerdings schon einmal rund acht Prozent.

Apple nimmt mit Boot Camp der experimentierfreudigen Hacker-Gemeinde den Wind aus den Segeln, die seit Erscheinen der ersten Macs mit Intel-Prozessoren regelmäßig "XP-on-Mac"-Wettbewerbe veranstaltet hat. Und es beweist gesundes Selbstbewusstsein, indem es den Vergleich zwischen OS X und Windows auf ein und demselben Rechner nicht scheut. Dass Unternehmen weltweit deswegen aber gleich ihre PCs durch Intel-Macs ersetzen, ist ausgesprochen unwahrscheinlich. (tc)