Apple haelt sich bei dem neuen Betriebssystem noch zurueck Taligent-Chef Guglielmi sieht wenig Chancen fuer Windows NT

26.08.1994

Nach drei Jahren Entwicklungstaetigkeit hat das Joint-venture von Apple, IBM und HP endlich ein vorzeigbares Ergebnis aufzuweisen. Kuerzlich haben 100 ausgewaehlte Entwickler unter der Bezeichnung "Partners Early Experience Kit" (Peek) achtzig sogenannte "Frameworks" erhalten. Joe Guglielmi, President und CEO von Taligent, verriet dem "Infoworld"-Redakteur Tom Quinlan, wie es mit dem objektorientierten Betriebssystem weitergeht.

Infoworld: Lange musste die Branche warten. Nun hat Taligent ein Prerelease seiner objektorientierten Systemumgebung an 100 ausgewaehlte Entwickler verschickt. Geht es jetzt endlich mit Volldampf voran?

Guglielmi: Oberste Prioritaet hat jetzt die Umsetzung der Reaktionen unserer Testanwender. Ausserdem muessen wir unseren Investoren bei der Implementierung unserer Techniken in deren Betriebssysteme helfen. Wir unterstuetzen AIX und OS/2 von der IBM, HP-UX von HP, Poweropen von Apple und moeglicherweise auch System 7. Das sind immerhin fuenf der weitverbreitetsten Betriebssysteme.

Infoworld: Microsofts Chicago soll die Nummer sechs werden...

Guglielmi: Das hoffen wir. Auf Windows NT laufen die Taligent- Anwendungsdienste bereits, aber wir sehen keinen grossen Erfolg dieses Betriebssystems auf Desktop-Ebene. Bei Chicago muessen wir noch pruefen, inwieweit es unseren Anforderungen zum Beispiel im Bereich Preemptive Multitasking entspricht. Unser erster Eindruck ist, dass das System sowohl NT als auch OS/2 aehnelt, und damit haben wir viel Erfahrung.

Infoworld: Microsoft setzt auf Cairo. Bedeutet das nicht, dass die Entwickler sich fruehestens fuer Taligent entscheiden, wenn sie es mit dem Microsoft-Produkt vergleichen koennen?

Guglielmi: Das glaube ich nicht. Schliesslich spiegelt die bei uns umgesetzte Objektorientierung einen Technologiewandel wider, dem sich die Entwickler nicht entziehen koennen, zumal er ihnen hilft, viele Probleme, besonders im Bereich der Software-Entwicklung, zu loesen. Denken Sie an Entwicklungsaufgaben, die sich aendern, bevor das Projekt abgeschlossen ist. Objekte verhindern, dass die Programmierer dann ihren Code wegwerfen muessen.

Infoworld: Der jetzt ausgelieferte Taligent-Code laeuft mit AIX. Versionen fuer OS/2 und HP-UX sind vorgesehen, aber was ist mit Apples System 7 und dessen Nachfolgesystem? Ist Apple dafuer noch nicht reif?

Guglielmi: Apple sieht in Taligent einen voellig neuen Markt. Am Desktop war das Unternehmen immer besonders stark. Jetzt steigt Apple - zum Teil mit Taligent - in den Enterprise-Markt ein. Da will man nichts uebereilen, schliesslich muessen sich die verantwortlichen Leute erst mit den neuen Marktanforderungen vertraut machen. Das aendert nichts daran, dass Apple auf Taligent setzt.

Infoworld: Die IBM vermarktet ihr Taligent-Engagement weit offensiver als Apple.

Guglielmi: Das ist bei der IBM so ueblich. Diese Strategie gaebe es auch, wenn Taligent nie gegruendet worden waere. Dort arbeitet man schon sehr lange mit Objekttechniken, und der Fokus auf unternehmsweite Produkte hat nirgendwo mehr Tradition.