Bundesanstalt für Arbeit bestätigt Mangel an IT-Experten

Appell: Unternehmen sollen mehr in Ausbildung investieren

04.01.2001
Von in Ingrid
Deutsche Firmen klagen über den Mangel an qualifizierten IT-Experten, investieren aber zu wenig, um selbst Fachkräfte heranzuziehen. Der Großteil der neu ausgebildeten Computerfachleute erhielt seine Qualifikation mit Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit.

Die deutschen IT-Verbände schätzen, dass im letzten Jahr 75 000 IT-Stellen unbesetzt blieben. Nicht geklärt ist, welcher Weg zu einem ausreichenden Angebot an gut ausgebildeten und qualifizierten Fachleuten führt. Die nahe liegende Forderung: Künftig sollten Unternehmen neben der Bundesanstalt für Arbeit (BA) verstärkt in die Aus- und Weiterbildung investieren. Denn ein Blick in die Statistiken der letzten Jahre zeigt, dass die BA mit Abstand die meisten Fachleute ausgebildet, weiterqualifiziert und umgeschult hat. Werner Dostal vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) rechnet damit, dass im Jahr 2000 zirka 47 000 neu ausgebildete Computerfachleute dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dazu gehören rund 7000 Absolventen aus der dualen Ausbildung, den so genannten neuen IT-Berufen. In den nächsten Jahren steigen diese Absolventenzahlen weiter. Noch in diesem Jahr sollen insgesamt 40 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen.

Ab dem Jahr 2003 werden es voraussichtlich 15 000 Absolventen pro Jahr sein. Weitere 2000 Personen schließen in diesem Jahr die Berufsfachschulen und Fachschulen ab, und ungefähr 6000 Informatiker verlassen die Universität mit einem fertigen Studium. Die geringen Anfängerzahlen von Anfang bis Mitte der 90er Jahre lässt die Zahl der Hochschulabsolventen bis zum Jahr 2003 wahrscheinlich etwas absinken, danach ist wieder mit einem Anstieg zu rechnen. Von den 47 000 im Jahr 2000 ausgebildeten Fachkräften erlangte der Großteil, nämlich 32 000, seine IT-Ausbildung mit Hilfe und Mitteln der Bundesanstalt. In diesem Jahr plant das Arbeitsamt, den Förderbereich auf 40 000 Personen zu erhöhen. Die IT-Qualifizierungszeit liegt dabei zwischen einigen Monaten und zwei Jahren. Darüber hinaus schafften zahlreiche Bewerber den Berufseinstieg durch spezielle Einarbeitungsprogramme, oder sie eigneten sich die erwünschten Kenntnisse in Eigeninitiative an.

Interessant ist hierbei die hohe Quote an Quereinsteigern in die Informations- und Telekommunikationsbranche. Die Mehrheit der angehenden IT-Fachkräfte wechselte aus anderen Bereichen in die Erfolg versprechende Branche. "Gut zwei Drittel der IT-Fachleute sind Quereinsteiger und haben ihre IT-Qualifikation über BA-finanzierte Maßnahmen erworben", so Dostal. Gerade bei den IT-Berufen sieht er einen Trend zum Hochschulabschluss. Selbst ein Diplom aus einer anderen Fakultät gelte als gute Eintrittskarte in die Zukunftsbranche. Die neuen dualen IT-Ausbildungen nehmen eine Zwischenstellung ein, denn die eher praxisnahe Ausbildung qualifiziere die Absolventen nur teilweise für anspruchsvolle Tätigkeiten. In Zukunft sollte die IT-Branche allerdings selbst verstärkt in Aus- und Weiterbildung investieren, wenn sie genügend geeignete und gut ausgebildete Fachkräfte möchte.

Dostal empfiehlt den Arbeitgebern, nicht nur auf kurzlebige IT-Trends, sondern verstärkt auf die fundierten IT-Basisqualifikationen zu setzen. Langfristige Perspektiven und attraktive Ausbildungsangebote helfen jungen Schulabgängern bei der Berufswahl, verstärkt in die Zukunftsbranche einzusteigen. Dazu gehören auch attraktivere Arbeitszeitmodelle, da nicht alle 70 bis 90 Stunden pro Woche ihrem Beruf widmen wollen oder können.Fehlende Flexibilität in Fragen der Arbeitszeitgestaltung erschwert besonders den Berufseinstieg von älteren Arbeitnehmern oder Frauen mit Kindern. Die Wirtschaft könnte in diesen Fragen ihre eigene Flexibilität unter Beweis stellen, die sie bisher in den meisten Fällen nur von den Bewerbern fordert.

Allerdings können Qualifizierungskurse nicht allein die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei den gesuchten Fachkräften schließen. Die Rekrutierung ausländischer IT-Experten bietet deshalb die Möglichkeit, kurzfristig für Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Momentan arbeiten allerdings nur wenige ausländische Experten in der Bundesrepublik. 1999 hatten nur vier Prozent der sozialversicherungspflichtig IT-Angestellten eine ausländische Staatsbügerschaft. Hiervon kamen 6751 Computerfachleute und damit 1,8 Prozent aus Ländern der EU. 1395 Personen stammen aus Österreich (20,7 Prozent), gefolgt von 1192 Arbeitnehmern aus Großbritannien. Bei den Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Ländern war im letzten Jahr die Zahl der indischen Fachkräfte von 145 Personen (entspricht 1,8 Prozent) sehr bescheiden.

Die größte Gruppe der Nicht-EU-Fachleute, nämlich 1469 Personen (17,8 Prozent), verfügt über einen türkischen Pass. Allerdings besitzen die türkischen Computerfachleute vermutlich überwiegend keine spezifische Arbeitserlaubnis, sondern sind in Deutschland aufgewachsen. Aus den osteuropäischen Ländern arbeiteten im letzten Jahr 1037 Computerfachleute (12,6 Prozent) und aus den Balkanländern 887 Personen (10,8 Prozent) in der deutschen Computerbranche. Aus dem Nahen Osten kommen 872 Experten (10,6 Prozent).

Daneben beschäftigt die IT-Branche zusätzlich freiberuflich oder selbstständig arbeitende ausländische Computerexperten im Rahmen von Projektarbeit und internationaler Telearbeit. Genaue Zahlen hierzu gibt es jedoch nicht. Das IAB erwartet trotz Greencard-Initiative keine generelle Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für ausländische Spezialisten. "Bestehende internationale Vernetzungen innerhalb von Unternehmen und zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern werden vor allem die Basis für eine zeitweise Beschäftigung von Ausländern in Deutschland bleiben", so Arbeitsmarktexperte Dostal.

Auf längere Sicht erleichtern weltweit gleiche Produkte und Infrastrukturen den IT-Experten den Wechsel. Deshalb bieten sich für deutsche Fachkräfte ebenfalls interessante Arbeitsmöglichkeiten im Ausland. "In welche Richtung der Braindrain fließt, wird entscheidend vom jeweiligen Leistungsniveau der Länder in der Informationsverarbeitung und den Arbeitsbedingungen gesteuert", so Dostal. Die potenziellen Arbeitgeber in der IT-Branche konkurrierten grenzüberschreitend um die besten Fachkräfte. Deshalb seien engstirnige national ausgerichtete Konzepte zum Scheitern verurteilt.