Hoppenstedt/Raad Research

"Apotheker hatte auch Pech"

09.02.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Fehlende strategische Impulse und eine unglückliche Kommunikation haben den Sturz von Léo Apotheker beschleunigt. Aber der Ex-SAP-Chef hatte auch Pech, meint Nils Niehörster von der Hoppenstedt Firmeninformation GmbH.

Nils Niehörster, Bereichsleiter Marktforschung und Analysen bei der Hoppenstedt Firmeninformation GmbH, Geschäftsbereich Raad Research, zum Führungswechsel bei SAP:

Was hat letzten Endes zum Abgang von Léo Apotheker geführt?

Léo Apotheker hatte natürlich das Pech, dass er die SAP in einer extrem schwierigen Umfeldsituation führen musste. Und dabei hat er sich - kurzfristig gesehen - im Hinblick auf die Marge des Unternehmens im Branchenvergleich nicht einmal schlecht geschlagen. Allerdings ist Marge ein zu kurzfristiges Ziel bei einem Unternehmen der Größenordnung einer SAP. Grundsätzliche Fragen sind unbeantwortet geblieben und neue, strategische Impulse ausgeblieben. Diese Schwäche hat dazu geführt, dass der Aufsichtsrat sich mit der Führungsfrage beschäftigen musste. Zusätzlich hat Apotheker verschiedentlich unglücklich kommuniziert und gehandelt. Insbesondere die Dünnhäutigkeit bezüglich Kritik haben das notwendige Rückgrat zur Führung eines großen Technologiekonzerns vermissen lassen. Der Ausspruch von Hasso Plattner auf der Pressekonferenz zum Managementwechsel "We made a mistake!" ist eine Einsicht, die Herrn Apotheker wohl nicht über die Lippen gekommen wäre.

Wie wird sich die SAP-Strategie mit der neuen Doppelspitze verändern?

Nachdem in früheren Jahren bereits prominente SAP-Vertreter wie Wolfgang Kemna und Paul Wahl bei dem Aufbau des US-Geschäftes gescheitert sind, ist es ein großes Verdienst von Bill McDermott, das US-Geschäft in Schwung gebracht zu haben. Es ist eine große Leitung, in den USA ein deutsches Produkt so zu platzieren. Deshalb hat McDermott auch einen großen Vertrauensvorschuss verdient. Vor allem aber ist es gut für die SAP, dass man wieder eine Doppelspitze hat, und so die Bedeutung der Technologieentwicklung im Vorstand wieder mehr Gewicht erhält. Hier sind einige offene Baustellen zu bearbeiten und mittelfristig sehr positive Effekte zu erwarten. Vor allem, wenn es der SAP wieder gelingt, sich weniger als amerikanisches Unternehmen zu präsentieren, sondern wieder mehr mit deutschen Attributen auszustatten. Ein deutsches Image mag vielleicht etwas langweilig sein, aber die klassischen Ingenieurstugenden haben die SAP groß gemacht und ihr das Vertrauen vieler tausend Kunden eingebracht, getreu dem seinerzeit von Henning Kagermann ausgegebenen Motto: "SAP should be a save haven in uncertain times."

Welche Folgen hat der Führungswechsel für die Kunden der SAP?

Kurzfristig werden die Kunden keine Auswirkungen spüren, da die allermeisten SAP-Anwender aus den Landesgesellschaften betreut werden. Allerdings deuten die Ankündigungen von Hasso Plattner anlässlich der Pressekonferenz zum Management-Wechsel darauf hin, dass die Ländergesellschaften künftig wieder mehr Freiheiten erhalten werden, sich um ihre Kunden zu kümmern. Mittelfristig sind dadurch Vorteile insbesondere in den Bereichen Service und Support zu erwarten. Langfristig wird sich, auch durch die Personenkombination von Entwicklungsvorstand Jim Hagemann Snabe und dem neuen Technologievorstand Vishal Sikka, die technische Überlegenheit des SAP-Ingenieursansatzes der Industrialisierung von Softwareentwicklung für Kunden mehr und mehr zu einem echten Wettbewerbsvorteil ausbauen lassen.

Welche Rolle wird künftig Hasso Plattner spielen?

Nach allem, was man hört, hat Plattner den Wechsel aktiv im Aufsichtsrat betrieben und dafür auch erfolgreich die Stimmen aller Aufsichtsratsmitglieder vereinigen können. Das der Beschluss einstimmig ausgefallen ist, zeigt zwei Dinge: Zum einen ist der Einfluss von Herr Plattner noch immer immens und zum anderen hat Apotheker grundsätzlich das Vertrauen des Aufsichtsrates verspielt. An dieser Stelle möchte ich jedoch anmerken, dass der Einfluss von Plattner auf die operative Geschäftsführung (auch schon vor dem Umbau des Vorstandes, aber nun umso mehr) aus Corporate Governance-Sicht bedenklich ist. Immerhin kontrolliert Herr Plattner damit im Aufsichtsrat ganz offenkundig seine eigenen Beratungsempfehlungen an den Vorstand der SAP. Wie lange diese Konstruktion tragfähig ist, bleibt abzuwarten. Erstaunlicherweise wurde die Pressekonferenz zum Management-Wechsel dann ja auch nicht von den beiden neuen Protagonisten Hagemann Snabe und McDermott gehalten, sondern von Plattner. Das hinterlässt den schalen Beigeschmack, dass es sich bei der neuen Aufstellung eventuell nur um ein Provisorium handeln könnte.