IT im Handel/Filialist erhöht seine Margen am Point-of-Sale

Apollo Optik: Data-Warehouse schärft den Blick in die Zukunft

19.09.1997

Die Unix-basierten Systeme bilden alle administrativen Ab- läufe einer Filiale ab und tauschen mit dem zentralen Rechner in Nürnberg die Bestelldaten aus.

Bis Anfang 1996 diente ein IBM-Host als zentrales Rechenzentrum. Warenwirtschaft, Bestellwesen, Lagerwirtschaft, Bedarfsplanung und alle kaufmännischen Funktionen liefen hier fast ausschließlich als Eigenentwicklungen. Parallel zur vollständigen Restrukturierung der zentralen Informationstechnologie mit weitgehender Implementation von Standardsoftware verlief die Modernisierung der POS-Systeme in den Filialen und bei den Fran- chise-Partnern.

Die Rechnerkonfiguration rund um den POS ist das Herz der Organisation aller Niederlassungen und der Geschäfte der Franchise-Partner - und die Basis für die Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Kosteneinsparungen ergeben sich aus der vereinfachten und beschleunigten Abwicklung von Kundenbestellungen - praktisch jede Brille und fast jedes Paar Kontaktlinsen sind jeweils eine Einzelanfertigung - sowie aus der automatisierten Kommunikation mit Lieferanten und Krankenkassen.

Ein Unisys-Rechner mit Betriebssystem Unix V.4, 32 MB Hauptspeicher, 2 GB Plattenspeicher, Streamer und 16 Schnittstellen bildet die Zentrale jedes POS. Daran angeschlossen sind im Maximalausbau bis zu 15 Bildschirmarbeitsplätze und bis zu fünf Drucker für Kundenberater, außerdem je ein Drucker und Bildschirm im separaten Büro sowie maximal drei PC-basierte Kassensysteme.

Außerdem bedient der Unisys-Rechner die ISDN-Leitung zur Nürnberger Zentrale. Derzeit erhält die Zentrale den Datensatz nach Geschäftsschluß im Batch-Betrieb, demnächst ist die Online-Kopplung vorgesehen. "Damit kann künftig aus jeder Filiale heraus schnell, während der Kunde wartet, überprüft werden, ob Ersatzteile für eine bestimmte, eventuell schon länger nicht mehr im Programm befindliche Brille im Lager vorrätig ist oder ob eine andere Niederlassung noch über ein bestimmtes Gestell aus einer Sonderserie verfügt. Der damit steigende Servicegrad ist im Wettbewerb um die Kunden sehr hoch einzuschätzen", so Gerhard Sagebaum, Leiter Datenverarbeitung und Organisation der Apollo Optik.

Eine typische Kundenberatung läuft folgendermaßen ab: Der Kunde kommt mit seinem Rezept vom Augenarzt in die Filiale und sucht sich ein passendes Brillengestell aus. Hat er etwas nach seinen Wünschen gefunden, generiert der Kundenberater direkt am Rechner einen Auftrag, der exakte Angaben zu Gläsern und Gestell enthält. Analog geschieht die Abwicklung bei Kontaktlinsen. Diese Daten werden zur Zentrale nach Nürnberg übertragen. Aus den Bestellungen aller Filialen erzeugt der zentrale Bestellrechner unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preislisten der Zulieferer Auftragslisten für die verschiedenen Glaslieferanten und versendet sie nachts als elektronische Bestellung. Diese wiederum liefern per Kurier direkt an die Filialen, bei üblichen Gläsern am nächsten Tag. Damit vergeht zwischen der Kundenberatung in der Filiale und Anlieferung der Gläser in der Regel lediglich ein voller Arbeitstag. Hat sich der Kunde für eine Fassung aus dem Kernsortiment entschieden, löst der Rechner außerdem einen Kommissionierauftrag für das zentrale Lager aus, der Optiker erhält automatisch die gleiche Fassung wieder zur Bevorratung.

Ebenso wie die Bestellungen sind auch alle buchhalterischen Vorgänge wie Lieferschein- und Rechnungserstellung, Zahlungsabwicklung mit Banken und Krankenkassen voll auf den beleglosen Informationsverkehr eingerichtet.

Der Optiker in der Filiale stellt die Brille in der Filiale fertig. Er schleift die Gläser in die Fassung ein. Die Brille ist zum Abholen fertig. Bei der Abholung beendet der Kundenberater den Auftrag am Terminal durch Eingabe der Restdaten wie den Abholungstermin und erzeugt damit den Datensatz für die Abrechnung mit der Krankenkasse, eine Quittung über den Restbetrag beziehungsweise eine Rechnung zur Vorlage bei der Privatversicherung und zur Ausgabe des Brillenpasses.

Im Gegensatz zu allen anderen Optikern rechnet Apollo Optik direkt mit den Krankenversicherungen ab und erschließt damit ein weiteres wichtiges Ertragspotential: Für die Abrechnung sind etwa 1,3 bis 1,5 Prozent vom Krankenkassenumsatz zu veranschlagen, den normalerweise ein Abrechnungs-Dienstleister erhält. Über die zentrale Abrechnung mit allen etwa 7000 in Deutschland zugelassenen Krankenkassen kommt die Abrechnung wesentlich preisgünstiger. Zudem kann jeder Kunde mit einem Rezept jeder beliebigen, auch nur regional tätigen Krankenkasse in jeder Filiale eine Brille kaufen, ohne einen erhöhten Abrechnungsaufwand zu verursachen. Die Erstattungsregeln aller Krankenkassen sind im Rechner jeder Filiale hinterlegt. Die Regulierung von Reklamationen seitens der Krankenkassen (falsche Versichertennummer und ähnliches) sind weitgehend als standardisierte Vorgänge im System hinterlegt - der manuelle Nachbearbeitungsaufwand sinkt drastisch.

Während die DV-Konfiguration in den Niederlassungen recht überschaubar ist, muß die Zentrale Datenströme mit hohen Spitzenlasten bewältigen. Hier arbeitet heute ein völlig neu entwickeltes, modernes Client-Server-System, in dem der alte Host nur noch wenige, rudimentäre Aufgaben wahrnimmt. Etwa 12 bis 15 per Hochgeschwindigkeitsleitungen (FDDI) vernetzte Server der Unisys-Serie 6000, ausgestattet mit jeweils zwei Prozessoren, bedienen mehr als 100 PCs, auf denen unter anderem das Paket MS-Office installiert ist. Überwiegend sind Aquanta-PCs von Unisys mit P5- oder Pentium-Pro-Prozessoren im Einsatz. Die Softwareverteilung und -versionsverwaltung, eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für die Administration solch komplexer Netzwerke, bewältigen die Systemverwalter mit Hilfe des Tools Tivoli. "Die Kommunikation läuft störungsfrei und ohne Kapazitätsengpässe", so Sagebaum. Die PCs arbeiten noch unter Windows 3.11, da sich Windows 95 in dieser Umgebung als zu instabil erwiesen hat. In Erprobung ist derzeit die Umstellung der Clients auf Windows NT. Die starke Aufgabenteilung auf so viele Server hat zwar den Nachteil des etwas höheren Abstimmungsaufwands, bei Wartungsarbeiten an einem System ist aber jeweils nur ein kleiner Teil der Gesamtapplikation betroffen.

Standardlösungen sind für Kostenrechnung und Finanzbuchhaltung (Quantum) sowie für die Personalabrechnung (Paisy) im Einsatz. Die größte Einzelanwendung, das Data-Warehouse mit 72 GB Speichervolumen haben Gerhard Sagebaum und seine Mitarbeiter unter Verwendung des Standardtools Esperant der Software AG in Eigenregie entwickelt. Als Datenbank dient derzeit Adabas C, die auch künftig beibehalten wird, wenn sie wie angekündigt in der nächsten Zeit auf den SQL-Standard aufgerüstet wird.

Das Data-Warehouse speichert Informationen über die Bestände sämtlicher Lager in der Zentrale und in den Filialen, alle Warenbewegungen, alle Kunden und sämtliche Aufträge seit Januar 1995. Aus diesen Daten lassen sich hervorragend Informationen für zielgerichtete Marketing-Kampagnen und Einkaufsplanungen extrahieren. Kundenverhalten in bestimmten Verkaufsgebieten, die Auswirkungen regionaler Werbemaßnahmen und Wettbewerbsstrukturen, die Einflüsse bestimmter Parameter auf die Verkaufserfolge einzelner Filialen in den verschiedenen Produktgruppen und andere komprimierte Informationen dienen als zuverlässige Entscheidungshilfe für Programmplanung und Werbung - bis hin zu Mailing-Aktionen mit den Kundendaten aus abgewickelten Aufträgen.

Für das Entgegennehmen der Daten aus den Filialen stehen 35 ISDN-Leitungen (S0- und SN-Schnittstellen) zur Verfügung. Aus den auflaufenden Daten bereitet das System im operaterlosen Betrieb Bestellaufträge für verschiedene Glaslieferanten auf. Für das zentrale Lager mit Brillengestellen und zusätzlichen Produkten wie Ferngläser und Lupen erstellt der Rechner Kommissionieraufträge, die am nächsten Morgen bei Schichtbeginn vorliegen. Die Warenwirtschaft wird sukzessive bis Mitte 1998 in die C/S-Umgebung übertragen. Die endgültige Abschaltung des bisherigen Host-Systems ist für spätestens 1999 vorgesehen. "Damit", so Sagebaum, "sind alle potentiellen Probleme der Jahr-2000-Umstellung elegant umschifft." Besonderes Gewicht erhält - angesichts der besonderen Abhängigkeit der Filialen von der zentralen Datenverarbeitung - die zuverlässige Datenfernübertragung. Bislang, so schätzt Gerhard Sagebaum, liegt die Ausfallzeit bei rund 1,2 Prozent - meist dadurch verursacht, daß Filialleiter vergessen, "den Tag abzumelden", ihr System also nach Geschäftsschluß für die Datenübertragung freizuschalten. "Insgesamt", so der DV- und Organisationsleiter Sagebaum "profitiert Apollo Optik von der Umstellung der DV-Struktur jährlich in Millionenhöhe."

Jede neue Filiale ist per Installation eines standardisierten POS ohne Vorlaufzeit integrierbar. Damit kann jeder neue Standort seinen Kunden exakt dasselbe Servicepotential und die gleiche Beratungsqualität bieten wie die alteingesessenen Partner und Filialen.

ANGEKLICKT

218 Filialen in mehr als 150 Städten betreibt die Apollo Optik. Da die goldenen Zeiten mit guten Margen eindeutig vorbei sind, machte sich der Filialist daran, seine Wettbewerbsfähigkeit insbesondere durch ausgefeilte IT-Technik zu optimieren. Die heutige Nummer zwei in diesem Markt konnte ihr Wachstum deutlich über den Branchendurchschnitt anheben - und zwar durch Abbau des branchentypisch sehr hohen administrativen Aufwands in den Filialen und der Zentrale.

Das Unternehmen

Die Apollo Optik GmbH, Nürnberg, betreibt 218 Filialen in mehr als 150 Städten in Deutschland (Stand: Januar 1997). Davon sind 79 Franchise-Partner. Nach eigener Einschätzung besitzt Apollo Optik mit einem Umsatz von 281,9 Millionen Mark im Geschäftsjahr 1995/96 einen Marktanteil von wertmäßig 5 Prozent und mengenmäßig von 8 Prozent. Damit sieht sich das Unternehmen in Deutschland auf Platz zwei, in Europa auf Platz fünf. Das Angebot umfaßt, je nach Filiale, bis zu 1500 Brillenfassungen und bis zu 400 weitere Artikel wie Kontaktlinsen, Spezialsehhilfen, Sonnenbrillen, Ferngläser und optische Meßgeräte. Branchenüberproportionales Wachstum realisiert Apollo auch durch Ausweitung des Filialnetzes, besonders durch das Gewinnen von Franchise-Partnern.