Freie Infrastruktur für Enterprise-Anwendungen

Apache will eigenen J2EE-Server entwickeln

15.08.2003
MÜNCHEN (ws) - Die Apache Software Foundation kündigte an, unter der Bezeichnung "Geronimo" einen von Sun zertifizierten J2EE-Server zu entwickeln. Sie will dazu freie Software aus internen und externen Projekten integrieren. Die hohe Reputation von Apache könnte dem quelloffenen Server erhebliche Marktanteile sichern.

Die Apache Software Foundation (ASF) hat vor allem über ihren Web-Server (http://httpd.apache.org) große Bekanntheit erlangt. Mit einem Marktanteil von über 60 Prozent bildet er den De-facto-Standard im Internet. Daneben beherbergt die Organisation unter dem Dach des "Jakarta"-Projekts (http://jakarta.apache.org) zahlreiche Java-Entwicklungen und offeriert in ihrer XML-Sektion (http://xml.apache.org) eine Reihe von entsprechenden Tools. Die ASF ist schon seit längerem auch im Umfeld von Java-Servern aktiv und bietet mit "Tomcat" die wohl meistgenutzte Engine für Servlets und Java Server Pages (JSPs) an. Diese Techniken sind Teil von J2EE und eignen sich primär zur dynamischen Erzeugung von Web-Seiten. Suns Enterprise-Java umfasst daneben noch eine Vielzahl von weiteren Spezifikationen, die für die J2EE- Zertifizierung implementiert werden müssen. Sie dienen primär zur Entwicklung von unternehmenskritischen und transaktionsorientierten Anwendungen. Als zentrale Komponente eines J2EE-Servers gilt deshalb ein Container für Enterprise Javabeans (EJBs). Ein solcher fehlt bis dato im Portfolio der ASF.

J2EE kommt Teamarbeit entgegen

J2EE umfasst darüber hinaus noch eine derart große Zahl an komplexen Technologien, dass ein einzelnes freies Projekt damit wohl überfordert wäre. Einem Open-Source-Vorhaben wie Geronimo kommt daher der modulare Aufbau von J2EE entgegen, weil er die Integration bestehender quelloffener Komponenten anderer Teams erleichtert.

Eine Quelle für freie Software, die im neuen Server verwendet werden soll, ist natürlich die ASF selbst. Zu den hauseigenen Ressourcen zählen der bewährte "Tomcat" für die Ausführung von Servlets und JSPs, aber auch XML-Techniken wie "Xerces", "Xalan" und "Axis" zur Unterstützung von Web-Services. Der Mail-Server "James" soll zur Realisierung von "Java Mail" beitragen.

Daneben will das Geronimo-Team besonders für transaktionsorientierte Funktionen auf externe Projekte zurückgreifen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese unter einer Lizenz verfügbar sind, die sich mit der liberalen "Apache Licence" verträgt. Einige davon werden unter das Dach der ASF umziehen, andere können aber auch selbständig weiterbestehen. Aufgrund der Modularität von J2EE soll es Anwendern möglich sein, bei einzelnen Komponenten zwischen konkurrierender Software zu wählen. Zum Beispiel wird Tomcat nicht fest mit dem J2EE-Server verschweißt, so dass sich alternativ etwa die ebenfalls freie Servlet-Engine "Jetty" (http://jetty.mortbay.com/jetty) einsetzen ließe.

Zu den wichtigsten externen Projekten, die Enterprise-Technologien besteuern, zählen "Open JMS" (http://openjms.sourceforge.net), "Castor" (http://www.castor.org) und "Tyrex" (http://tyrex.sourceforge.net). Seit J2EE 1.3 müssen Implementierungen den Java Message Service (JMS) unterstützen, der eine einheitliche Schnittstelle zu asynchroner Middleware bietet. Diese Aufgabe übernimmt Open JMS. Castor steuert die Funktionen von Java Data Objects (JDO) bei und erlaubt das Mapping von Java-Objekten auf XML und relationale Datenbanken. Tyrex schließlich implementiert unter anderem die Java-spezifische Variante (JTA) des Transaction Service (OTS), wie er von der OMG definiert wurde. Einen weiteren wichtigen Beitrag soll zudem "mx4j" (http://mx4j.sourceforge.net) leisten, das die Java Management Extensions (JMX) umsetzt und bereits der Apache Licence unterliegt.

Keine Aussagen gibt es derzeit über den geplanten EJB-Container. Das Team verfügt dafür über Know-how aus mehreren Quellen. Die große Zahl der Jboss-Entwickler bringt entsprechende Erfahrung reichlich mit, zudem kann auch auf den Code von "Open EJB" (http://www.openejb.org) zurückgegriffen werden.

Trotz der Vorarbeiten durch andere Projekte bleibt für die Entwickler angesichts der Funktionsfülle von J2EE bis zur vollständigen Umsetzung noch viel zu tun. Sobald die ganze Technik bereitgestellt ist, möchte die ASF die Zertifizierung ihrer Software durch Sun erreichen. Aufgrund einer einschlägigen Vereinbarung zwischen den beiden Parteien, die letztes Jahr auf Suns regelmäßiger Konferenz Java One präsentiert wurde, stehen die Chancen dafür sehr gut. Das Apache-Team befindet sich bereits jetzt im Besitz des Test Compatibilitiy Kit (TCK), das normalerweise nur Lizenznehmern zugänglich ist.

Viele Unternehmen bestehen auf einer derartigen Zertifizierung, wenn eine Software in Produktivsystemen eingesetzt werden soll. Deshalb verstrickten sich die Entwickler des ebenfalls freien J2EE-Servers Jboss in endlose Auseinandersetzungen mit Sun, weil ihnen die Company dieses Siegel verweigerte. Sun bestand darauf, dass das Open-Source-Projekt wie ein kommerzieller Anbieter Lizenzgebühren bezahlen müsse. Mittlerweile einigten sich die Kontrahenten offenbar auf Modalitäten, unter denen Jboss eine solche Lizenz erwerben kann.

Jboss-Entwickler wandern zur ASF ab

Das erfolgreiche Jboss-Projekt verliert nun innerhalb kurzer Zeit nicht nur finanzielle Mittel, die es für die J2EE-Lizenz berappen muss, sondern auch eine Reihe von Entwicklern, die zur ASF abwandern. Von den 15 Mitgliedern des Geronimo-Teams stammen acht aus diesem Projekt. Beiträge in einschlägigen Entwicklerforen (http://www.theserverside.com/home/thread.jsp?thread_id=20763) begrüßen überwiegend die bevorstehende Rivalität zwischen mehreren freien J2EE-Servern. Ähnlich wie bei den Linux-Desktops KDE und Gnome soll Konkurrenz die Kreativität der Teams beflügeln. Neben Jboss existiert mit Jonas (http://jonas.objectweb.org) eine weitere Alternative, die zukünftig auch von Red Hat vertrieben wird.

Der J2EE-Server von Apache, für den noch kein Fertigstellungstermin genannt wurde, setzt voraussichtlich nicht nur freie Konkurrenten unter Druck. Kommerzielle Hersteller wie Bea und IBM spielten bisher die Bedeutung von Jboss stets herunter, weil dieser nur im Lowend eingesetzt werde. Mit den von Jboss genannten 150000 Downloads pro Monat gehört er aber sicher zu den populärsten Vertretern unter den Java-Applikations-Servern. Technisch gesehen trifft die herablassende Beurteilung durch die kommerziellen Anbieter immer weniger zu. Jboss bietet teils innovative Konzepte, mit denen die kommerziellen Hersteller häufig nicht mithalten können. Dazu gehört etwa die Microkernel-Architektur oder die separate Cluster-Möglichkeit für jede J2EE-Komponente.

Ärger für Bea?

Wenn Geronimo die Produktqualität erreicht, die Anwender am Web-Server von Apache schätzen, dürfte das Leben gerade für Bea erheblich schwerer werden. Hinzu kommt, dass sich Apache nicht auf die Entwicklung eines Applikations-Servers beschränkt. Die ASF verfügt zukünftig nicht nur über Software, auf deren Basis Geschäftslogik entwickelt wird, sondern bietet schon heute die wichtigsten Komponenten zur Realisierung der Präsentationsschicht. Dazu zählt wie bei den meisten kommerziellen Produkten ein Portal-Server namens "Jetspeed", der sich die reichhaltigen Funktionen des Publishing-Tools "Cocoon" zunutze macht. Nicht zuletzt kann die Open-Source-Organisation mit mehreren Frameworks ("Struts", "Cactus") aufwarten.

Insgesamt dürfte der geplante Apache-Server der Java-Plattform zusätzlichen Auftrieb verleihen. In Kombination mit Linux steht damit eine komplette freie Infrastruktur zur Verfügung.