Infrastruktur geht an Worldcom

AOL und Compuserve: Ehe mit Hindernissen

12.09.1997

Mit der größten Übernahme in diesem Markt legt sich vor allem der weltweit führende Online-Provider auf die künftige Strategie fest: AOL wird zum reinen Content-Anbieter und gibt sämtliche Verantwortung für die Infrastruktur an Worldcom ab. In einem Fünf-Jahres-Vertrag sicherte sich das Unternehmen im Gegenzug den Zugriff auf die Einwahlknoten und Backbones.

Durch die Übernahme der Infrastruktur expandiert Worldcom zu einem der größten Internet-Provider. Diese Position hat der Carrier auch durch die Akquistion von Uunet und MFS im Sommer letzten Jahres erreichen können. Die Übernahmen der Network-Division von AOL und Compuserve passen ins Bild. Damit verfügt Worldcom, das ausschließlich Geschäftskunden adressiert, über weltweit mehr als 500000 Einwahlknoten. In Deutschland ist der Carrier über die Uunet Deutschland GmbH (vormals Eunet) in Dortmund vertreten.

Während in den USA sämtliche Netzwerk-Belange von Worldcom übernommen werden, gestaltet sich die Nutzung der Online-Infrastruktur in Europa schwieriger. Hier hat sich Bertelsmann für die AOL-Kunden ein eigenes Netz mit Zugangsknoten aufgebaut und wird die dafür zuständige Netz-Tochter Mediaways nicht abtreten. Die Compuserve-Einwahlknoten betreut jedoch die deutsche Worldcom-Dependance.

Zumindest über die Adressierung der angestrebten Zielgruppen scheinen die neuen Eigentümer klare Vorstellungen zu haben. Compuserve wird als Markenname weiter bestehen. Der übernommene Dienst wird sich auf die Betreuung und Akquise von professionellen Online-Kunden konzentrieren. Dagegen soll sich AOL Bertelsmann der privaten Konsumenten im Online-Markt annehmen. AOL wie auch teilweise Compuserve nutzen derzeit proprietäre Verfahren, sind demnach inkompatibel zueinander, so daß es derzeit keine Übergangsmöglichkeiten zwischen den Content-Angeboten gibt.

Insgesamt entsteht unter AOL-Flagge ein Online-Imperium von derzeit weltweit 11,6 Millionen Surfern. In Europa hat AOL Bertelsmann durch den Zusammenschluß eine Kundenbasis von etwa 1,5 Millionen Surfern, in Deutschland sind es rund 700000. Vor allem in den USA dürften die Kartellbehörden Vorbehalte gegen den Deal anmelden, denn AOL wird zum marktbeherrschenden Dienst. Der zweitgrößte Online-Anbieter ist Microsoft Network (MSN). Eigenen Angaben zufolge nutzen 2,5 Millionen Anwender diesen Dienst.

In Deutschland dürfte Bertelsmann kaum Probleme mit dem Kartellamt bekommen. Hier ist T-Online, Ableger der Deutschen Telekom mit rund 1,7 Millionen Kunden, Platzhirsch und bleibt der europaweit größte Anbieter.

Eine positive Entwicklung könnte der Compuserve-Deal für die weltweit rund 1200 Geschäftskunden darstellen. Diese Anwender - in Deutschland um die vierzig - die das Compuserve-Netz für internationale, hochvolumige Datentransfers genutzt haben, werden künftig von Worldcom, in Deutschland von Uunet, Dortmund, betreut. Sie können darauf hoffen, in ruhigere Fahrwasser zu steuern. In der Vergangenheit wurden die Kunden durch die Verkaufsspekulationen verunsichert (Einzelheiten des Deals auf Seite 11).