Große Zahl von Sammelklagen in den USA

AOL-Software 5.0 bringt den Online-Dienst in Schwierigkeiten

17.03.2000
MÜNCHEN (CW) - In den USA wächst die Zahl der Sammelklagen gegen AOL. Die Kläger werfen dem weltgrößten Online-Dienst vor, seine Software würde andere Provider benachteiligen und die PCs der Kunden unzumutbar modifizieren.

Eine Flut von Sammelklagen bricht derzeit in den USA über America Online herein. Die letzte Anklage, die beim US-Bezirksgericht in Seattle eingereicht wurde, wirft AOL vor, Bundesgesetze verletzt zu haben. "AOL 5.0" habe ohne ausreichende Warnung die PCs der Kunden derart modifiziert, dass es diesen nur unter Schwierigkeiten möglich sei, einen anderen Provider zu nutzen. In etlichen anderen Bundesstaaten wurden zuvor ähnliche Klagen eingereicht. Allein in Virginia verlangen die Anklagevertreter eine Entschädigung für die AOL-Kunden in Höhe von zwei Milliarden Dollar. AOL hält den Vorwürfen entgegen, dass die Software keinesfalls fehlerhaft sei und dass man seinen Kunden lediglich eine möglichst einfach zu bedienende Softwareumgebung bieten wolle.

Entgegen der Beteuerung des Online-Dienstes hatten aber offenbar sehr viele Anwender nach der Installation von AOL 5.0 unter Windows mit Systemabstürzen oder Konfigurationsstörungen zu kämpfen.

Was viele Einwahl-Provider in den USA und auch hierzulande auf die Barrikaden brachte, war der weitere Umstand, dass es auf vielen PCs nach der AOL-Installation nicht mehr möglich war, eine Standard-DFÜ-Verbindung mit einem herkömmlichen Provider herzustellen.

AOL 5.0 modifiziert das Windows-NetzwerkEine Beurteilung der Angelegenheit ist deshalb so kompliziert, weil die Fehler in den seltensten Fällen reproduzierbar sind. Fakt ist allenfalls, dass es Tausende glaubhafte Meldungen über massive Probleme gibt. Selbst Profis sind oftmals gezwungen, ihr System neu aufzusetzen.

Der Unmut vieler Anwender und Provider hat zum großen Teil mit der eigentümlichen proprietären Software von AOL zu tun. Bis heute nutzt der Client nicht die vom Betriebssystem bereitgestellten Mittel für Wählverbindungen, sondern installiert einen eigenen Netzwerk-Client. Und dieser greift in der Windows-Variante tief in die Eingeweide des Systems ein. So werden einige Dutzend wichtiger Gerätetreiber (VXDs) und DLL-Dateien von Windows durch modifizierte AOL-Varianten ersetzt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass der Austausch von zentralen Systemdateien, die von Microsoft aufwendig auf ihre Stabilität hin getestet wurden, regelmäßig die Ursache für instabiles Betriebsverhalten war.

Viele Beobachter und auch viele AOL-Kunden halten die Aufregung um die Software allerdings für übertrieben. So geben Rechtsexperten zu bedenken, dass für Unternehmen wie AOL hinter jeder Werbeaussage ein gewisses Klagerisiko stehe. Dennoch sollte sich der Online-Gigant überlegen, seinen Kunden zumindest alternativ eine Zugangsmöglichkeit zu bieten, die sich dem System gegenüber nicht wie der Elefant im Porzellanladen benimmt.