Gerüchte um Finanzspritze von Bertelsmann

AOL pokert weiter um den Online-Rivalen Compuserve

11.07.1997

Bereits im April 1997 hatte es heftige Spekulationen um eine Akquisition von Compuserve gegeben. Bei H&R Block, die 80 Prozent der Anteile von Compuserve hält, sollen damals neben AOL auch Microsoft, die GTE Corp., Time Warner und eine der Baby-Bell-Companies angeklopft haben. Während diese Bewerber jedoch nur Interesse an den Abonnentenverträgen zeigten, beabsichtigt AOL, Compuserve im Paket, also Online-Dienst, Infrastruktur und Netzdienste, zu kaufen.

Wie das "Wall Street Journal" meldet, soll H&R Block die Offerte von AOL, eine Milliarde Dollar in Form eines Aktientausches für Compuserve zu zahlen, jedoch abgelehnt haben. Das Unternehmen plant zwar seit geraumer Zeit, Compuserve abzustoßen, erhofft sich aber einen höheren Erlös. Experten schätzen den Wert von Compuserve derzeit auf rund 1,5 Milliarden Dollar. Gegen den Deal spricht aus Sicht von H&R Block noch ein weiterer Wermutstropfen, den das Unternehmen zu schlucken nicht bereit ist. Die traditionell im Steuer- und Finanzwesen beheimatete Company will sich völlig aus dem Online-Geschäft zurückziehen und hätte deshalb lieber Bares in der Kasse als AOL-Aktien.

Bereits im April 1996 hatte sich H&R Block an der Börse von 20 Prozent der Anteile getrennt. Seit damals haben sich die Chancen, Compuserve erfolgreich an den Mann zu bringen, jedoch kontinuierlich verschlechtert. Der Online-Dienst, der sich zunehmender Konkurrenz ausgesetzt sah, schrieb im Geschäftsjahr 1996/97 einen Verlust von 119,8 Millionen Dollar - Tendenz steigend. Außerdem bedarf die Netzinfrastruktur weltweit einer kostspieligen Modernisierung. Diese beiden Faktoren machen Compuserve für H&R Block zu einem Ladenhüter.

"Kein Kommentar zu diesem Börsengerücht"

Problematisch ist ferner, daß AOL nicht über liquide Mittel in Höhe von einer Milliarde Dollar verfügt und das Geschäft deshalb nur über einen Aktientausch abwickeln kann - es sei denn, Bertelsmann macht Geld locker. Der Medienkonzern aus Gütersloh ist mit fünf Prozent an AOL in Amerika und 50 Prozent an AOL Europe beteiligt.

Die Gütersloher geben sich nach außen hinsichtlich der Finanzspritze bedeckt. "Es gibt zu diesem Börsengerücht von Bertelsmann keine Stellungnahme", sagte Sprecher Helmut Runde auf Anfrage der COMPUTERWOCHE. Kein Kommentar hieß es auch bei AOL Bertelsmann Online in Hamburg und Compuserve in München.

Auszuschließen ist ein Engagement von Bertelsmann nicht. Der Konzern will das Online-Geschäft weiter ausbauen. Eine stärkere Beteiligung an AOL beziehungsweise die Erweiterung des Kundenstammes durch die Übernahme der Compuserve-Subscriber könnte daher gut ins Konzept von Bertelsmann passen.

In Deutschland rangiert Compuserve derzeit mit 400000 Kunden hinter T-Online mit 1,4 Millionen Teilnehmern, aber noch vor AOL mit 300000 Mitgliedern. Weltweit hat AOL mit acht Millionen Kunden hingegen die Nase vor Compuserve, das derzeit rund drei Millionen Subscriber verbucht.