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AOL hatte kein Interesse an Netscapes Browsern

07.06.1999
Antitrust-Prozeß

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Kartellverfahren gegen Microsoft stand bei der weiteren Anhörung von Franklin Fisher als Zeugen der Anklage einmal mehr der einstige "Browser-Krieg" zwischen Netscape und der Gates-Company im Mittelpunkt. Richter Thomas Jackson konnte sich anhand einiger als Beweismittel vorgelegter E-Mails das Lachen nicht verkneifen. Die internen Memos dokumentieren das verzweifelte Bemühen führender Microsoft-Manager, Ende 98 Beweise für den Prozeß aufzutreiben, wonach Netscape auf dem Browser-Markt noch immer führend sei. Zuvor hatten die Gates-Anwälte nämlich argumentiert, der Online-Riese America Online (AOL) habe Netscape vor allem seiner Browser wegen gekauft, um Microsoft Konkurrenz zu machen.

Nach Ansicht des MIT-Wirtschaftswissenschaftlers (Massachusetts Institute of Technology) Fisher geht allerdings aus AOL-internen Unterlagen hervor, daß der Online-Dienst gar nicht am Browser-Geschäft, sondern vielmehr an Netscapes Portal-Site "Netcenter" interessiert war. Chefankläger David Boies ließ zum Beweis für diese These auch einen zehnminütigen Ausschnitt einer Videoaufzeichnung der Vernehmung von AOL-CEO (Chief Executive Officer) Steve Case vorführen. "Eigentlich haben wir Netscape nicht wegen, sondern trotz des Browser-Geschäftes gekauft", so der AOL-Chef in seiner Aussage.

Am heutigen Montag soll erstmals der IBM-Manager Garry Norris in den Zeugenstand treten. Er hatte im Vorfeld der Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Aussage für Furore gesorgt, Microsoft habe seinem Arbeitgeber gedroht, Windows auf seinen PCs nicht länger ausliefern zu dürfen, falls Big Blue weiterhin bestimmte Konkurrenzprodukte zum Microsoft-Angebot installiere (CW Infonet berichtete).