Presentation Manager stellt Softwarehäuser vor Probleme:

Anwendungsentwicklung hinkt hinterher

06.05.1988

FRAMINGHAM (IDG) - Schlechte Nachrichten für potentielle OS/2-Anwender: Software für den Presentation Manager wird nach dessen Einführung noch Monate, möglicherweise sogar Jahre auf sich warten lassen.

Der Grund für die niederschmetternde Erkenntnis: Der Presentation Manager stellt eine ungleich kompliziertere Umgebung für Programmierer dar als bisherige Systeme. Die Anwendungen müssen, anders als bei MS-DOS, für pixelorientierte Grafik, Menüs, Fenstertechnik und andere esoterische Feinheiten ausgelegt sein.

Obwohl bereits ein ganzer Schwarm von Anbietern Applikationen auf Basis des Presentation Managers angekündigt hat, wagt sich bisher niemand - einschließlich Microsoft selbst - einen Termin für die Fertigstellung anzugeben. Einige Softwarehäuser begnügten sich mit Formulierungen wie bald nach der Markteinführung des Presentation Manager, andere, darunter Borland International, wollen einen Zeitrahmen von sechs Monaten einhalten. Es zeichnet sich jedoch immer deutlicher ab, daß die meisten Programme länger auf sich warten lassen werden als den Anwendern lieb ist. Auch gehen alle bisherigen Zeitvorstellungen davon aus, daß Microsoft und IBM ihren Zeitplan einhalten, der die Auslieferung der Benutzeroberfläche ab Ende Oktober vorsieht. Viele Entwickler bezweifeln dies aber schon jetzt.

Im Gegensatz zu den aus der MS-DOS-Welt bekannten Programmiermodellen erfordert grafikorientierte Software ein profundes Verständnis solch komplexen Dinge wie dynamische Link-Bibliotheken oder Interprozeß-Kommunikation. Da bei vielen Softwarehäusern das entsprechende Know-how noch nicht vorhanden ist, muß es erst erarbeitet werden. Zwar wird zunächst wohl hauptsächlich Software für den Presentation Manager angepaßt werden, die ursprünglich für die sehr ähnliche Benutzeroberfläche Windows erstellt wurde. Dennoch äußern Experten vorwiegend Skepsis, was den Zeitplan für die Softwareerstellung anbelangt. So etwa Paul Grayson, Chef der Micrografix Inc.: "Wenn jemand behauptet, er könne noch 1988 liefern, dann meint er den 32. Dezember."