Data-Warehousing / Der Markt für Data-Warehouse und Data-Mining

Anwender ziehen eine eher ernüchternde Zwischenbilanz

03.04.1998

Längst gehört Data-Warehousing nicht mehr zu den Geheimnissen einer DV-Elite, sondern wird von IT-Verantwortlichen und am Unternehmensgeschäft orientierten Endanwendern in ihre Planungen einbezogen. Sind erst die technischen und organisatorischen Hürden genommen, vor die einen ein erfolgreiches Data-Warehousing zunächst stellt, sollte man bei jedem Kontakt mit dem Kunden sämtliche möglichen Informationen über ihn erfassen, um so eine Gesamtsicht auf ihn zu gewinnen.

Die weiter vorangekommenen Unternehmen arbeiten derweil mit Hochdruck daran, den nächsten Schritt zu tun. Sie setzen auf eine Kombination aus Data-Warehouse- und Internet-/Web-Technologien, um Geschäftspartner ins Data-Warehousing einzubinden. Auf diese Weise entstehen "virtuelle Unternehmen", die eine gemeinsame Sicht auf Kunden und Geschäftsprozesse entwickeln können.

Dennoch wird am Ende dieses Jahrhunderts nur eine Handvoll fortschrittlicher Unternehmen von sich behaupten können, das zentrale Versprechen des Data-Warehousing, nämlich eine 1:1-Kundenbeziehung, eingelöst zu haben. Informationstechnologie ist dann tatsächlich zum Katalysator für die sogenannte Customer Pull Supply Chain geworden, die viele Kombinationsmöglichkeiten für kundenzentrische, virtuelle Organisationsformen mit sich bringt.

Einblick in den dynamischen Markt von Produkten und Dienstleistungen und den tatsächlichen Einsatz von Data-Warehouse-Technologien gewährt eine neue Studie der Meta Group mit dem Titel "Data-Warehouse Marketing Opportunities 1997/1998". Seit 1995 werden Besucher einer vierteljährlich in den USA stattfindenden Data-Warehouse-Konferenz zum Stand ihrer Projekte befragt.

Nach und nach ist so die umfassendste Wissensdatenbank zum Thema entstanden. Sie repräsentiert eine Fülle von Informationen von mehr als 3000 Data-Warehouse-Anwendern inklusive der unterstützenden DV-Organisationen. Das Hauptaugenmerk richtet sich nicht auf Marktanteile einzelner Hersteller oder Produkte, sondern auf den Einsatz von Data-Warehouses in einzelnen Marktsegmenten sowie auf die Frage, wie sich die einzelnen Hersteller und Produkte im Wettbewerb positionieren.

Wie die Untersuchung zeigt, läßt sich der Gesamtmarkt in Hardware, Software und Dienstleistungen aufschlüsseln. Zu Data-Warehouse-Hardware zählen Server-Plattformen inklusive Betriebssystem, jedoch nicht eingesetzte Client-Systeme und Peripherie. Als Data-Warehouse-Software sind Werkzeuge zusammengefaßt, die für Design, Gestaltung und Management eines Data-Warehouses erforderlich sind.

Nicht berücksichtigt ist der Markt für betriebswirtschaftliche Standardanwendungen, die bereits zunehmend Data-Warehouse-Komponenten enthalten. Kennzeichen entsprechender Dienstleistungen ist es, daß sie aus DV-Budgets beziehungsweise Data-Warehouse-Budgets finanziert werden.

Der weltweite Gesamtmarkt für das Jahr 1996 beläuft sich auf 4,5 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2000 wird mit einer Zunahme auf etwa 15 Milliarden Dollar gerechnet. Während die Anzahl der Data-Warehouse-Projekte und Anwender "dramatisch" zunehmen soll, erwarten die Marktbeobachter, daß sich gesondert veranschlagte Budgets für einzelne Data-Warehouse-Projekte in den Jahren 1999 und 2000 leicht rückläufig entwickeln werden.

Darüber hinaus sollen drei wesentliche Trends das Marktwachstum bestimmen: zunächst das Versprechen, Data-Warehousing könne die überwältigende Datenflut in Business-Informationen umsetzen, die die Grundlage für geschäftliche Aktionen bilden sollen. Ferner erwartet man, daß "Target-Marketing" und Data-Warehousing eine bessere Vorhersage von Kundenwünschen und Kundenverhalten erlauben.

Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, daß sich Lagerkapazitäten verringern, der Kundenservice am Point of Sale verbessert wird und gezielte Marketing-Kampagnen sich besser plazieren lassen. Der dritte Trend schließlich ist geleitet vom Versprechen, daß "Closed Loop Decision Support" und Data-Warehousing als Katalysatoren des Business Process Re-Engineering wirken, um den Wert der Produkte und Dienstleistungen in den Mittelpunkt des Kundeninteresses zu stellen.

Data-Warehousing ist zweifellos ein Hauptgebiet der Datenverarbeitung geworden. Allerdings bilden sich einige Problembereiche heraus, die einen modifizierten Ansatz bei der Entscheidung über die "richtige" Data-Warehouse-Einführung erforderlich machen. In Data-Warehousing erfahrene Unternehmen haben sich bereits darauf eingestellt: Ein wesentliches Problem sind unangemessene Planungsannahmen für große Data-Warehouse-Initiativen.

Sobald sie die tatsächliche Implementierungsphase des Projekts erreichen, stellen viele Designer und Leiter unternehmensweiter Data-Warehouse-Projekte fest, daß ihre Einschätzung über Technologien sowie ihre Annahmen in bezug auf den Einfluß auf die organisatorischen, politischen und kulturellen Dynamiken im Unternehmen nicht hinreichen und sich letztlich als wesentliches Problem herausstellen.

Auch nach dem Cleaning noch zu viele Daten

Ein weiterer Problembereich sind die technologische Begrenzungen der Projekte. Ein typischer Stolperstein für unternehmensweites Data-Warehousing ist die Tatsache, daß sich selbst nach umfassendem "Cleaning" - also Zusammenstauchen, Entschlacken und Laden der Daten in die Zieldatenbank - herausstellt, daß die Datenvolumen viel zu groß sind, um auf irgendeinem Server Platz zu finden. Selbst ausgefeilte und zielgerichtete Data-Mart-Projekte können ins Trudeln geraten, sobald man erkannt hat, daß entgegen der ursprünglichen Annahme weitere interne oder externe Datenquellen zur Verfügung stehen, die unabdingbar in die Datenanalyse mit einbezogen werden müssen.

Auch die notwendige Rechnerleistung richtet oft hohe Hürden auf. Häufig ist sie nicht verfügbar oder gar unbezahlbar, und das, obwohl die Zahl der Anwender, also zusätzliche Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden, kontinuierlich zunimmt. MPP-Systeme (MPP = Massively Parallel Processing) oder preiswertere Cluster von SMP-Systemen (SMP = Symmetrical Multiprocessing) verursachen oft einen hohen Aufwand für Design, Management und Tuning. Das unkontrollierte Wachstum von Data-Marts kennzeichnet das dritte Problem. Viele auf ihre Kernaufgaben konzentrierten Anwender sind nicht willens, längere Zugriffszeiten ihrer durchaus auf hohem Niveau geplanten und administrierten Data-Warehouses zu akzeptieren.

So ist es kein Wunder, daß sich einige Unternehmen der schnellen Einführung eines Data-Marts anstelle eines zentralen Data-Warehouses widmen. Die entstehende unkoordinierte Architektur läuft vielen IT-Infrastrukturplänen zuwider und kann zu weniger ökonomischen Lösungen beitragen.

Nachdenklich stimmen ferner die Data-Warehouse-Größen. Zwar beabsichtigen viele Unternehmen, ihr Data-Warehouse für die Unterstützung von mehreren Terabyte auslegen. Im Durchschnitt erreichen die Systeme jedoch nur eine Größenordnung zwischen 200 und 500 GB. Mangelhafte Kenntnisse, spärliche DV-Budgets sowie der Druck, schnell eine funktionsfähige Lösung bereitstellen zu müssen, tragen dazu bei, daß man sich mit kleineren Data-Warehouse-Größen bescheiden muß.

Problematisch ist auch die explodierende Anwenderzahl. Unternehmen halten an ihren ambitionierten Planungen fest, eine möglichst große Zahl analysierender Anwender in das Data-Warehouse einzubinden. Bis dato hat sich jedoch herausgestellt, daß die Unternehmen regelmäßig an der Durchsetzbarkeit dieser Idee scheitern. In der Konsequenz wird die Zahl der Mitarbeiter, die auf das Data-Warehouse zugreifen sollen, permanent nach unten korrigiert.

Während die bisher beschriebenen Aspekte den Status der Assimilierung von Data-Warehousing in normale Geschäftsprozesse beschreibt, lassen sich weitere Ergebnisse aus der Untersuchung ableiten. Eine vorrangige Erkenntnis unter Anwendern ist: Geschäftliche Notwendigkeiten treiben Data-Warehouse-Projekte voran.

Dabei haben sich die wesentlichen Zielrichtungen für Data-Warehousing über die letzten fünf Jahre kaum geändert. Bessere Information (+ 60 Prozent), Datenqualität (+ 42 Prozent ) und Unterstützung von Veränderungsprozessen (+ 40 Prozent) dominieren die Wunschliste für unternehmensweite Data-Warehouse-Lösungen. Zwar haben Geschäftsführer und Vorstände ihren Einfluß auf Data-Warehouse-Entscheidungen zwischen 1996 und 1997 verstärkt, dennoch gibt noch immer das DV-Management mit gut 50 Prozent den Takt an.

Zu den kritischen Faktoren entsprechender Projekte zählt sicherlich der Rückgang der Budgets. Der durchschnittliche Etat (ohne interne Mitarbeiterkosten) verringerte sich zwischen 1996 und 1997 von 2,1 Millionen auf 1,9 Millionen Dollar. Darin enthalten sind zehn Prozent für Consulting, neun Prozent für Hardware und sechs Prozent für Software.

Der Data-Warehouse-Anteil des DV-Budgets ist in den meisten Industriesegmenten abgegrenzt und vor dem Zugriff anderer Projekte wie zur Jahr-2000-Umstellung, Electronic Commerce oder der Neuinstallation betriebswirtschaftlicher Standardsoftware geschützt. Im Hinblick auf den Anteil der Ausgaben am DV-Gesamtetat sind Telekommunikationsunternehmen und Banken der Data-Warehouse-Idee am meisten verpflichtet. Ihre Mittel betragen zwischen 15 und 19 Prozent vom Gesamtbudget für Data-Warehousing.

Haupthindernisse für den Erfolg

Welche Barrieren stehen einem erfolgreichen Data-Warehousing im Wege? Haupthindernis ist eindeutig eine unzureichende Datenqualität. Auch die Investitionsbereitschaft, diesen Mißstand zu beheben, läßt zu wünschen übrig. Als weitere Problembereiche gelten unrealistische Anwendererwartungen (31 Prozent), Transformation von Daten von Altsystemen (28 Prozent), Geschäftsprozeßanalyse (25 Prozent) und Management-Akzeptanz (23 Prozent).

Data-Mining als zusätzliche Komponente, um Data-Warehousing in Zukunft gewinnbringend einzusetzen, bewegt sich noch nicht in einem stabilen Marktumfeld. Das Angebot wird in den Jahren 1997 und 1998 eine große Streubreite beibehalten. Um einen hohen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, sollte die Mitbewerberanalyse von vornherein in die Architekturplanung einbezogen werden und den Kauf von Auswertungs-Tools bestimmen.

Zweifellos ist Data-Mining die künftige Spielwiese für Data-Warehouse-Technologien und Marketing-Schlachten. Data-Mining läßt sich am einfachsten erklären durch die Aufforderung an die Datenbank: "Zeige mir etwas Interessantes."Gesucht wird nach Abhängigkeiten und Korrelationen, denen der menschliche Sachverstand noch nicht auf die Schliche gekommen ist.

Welche Anbieter haben sich aus Sicht der Kunden in den Vordergrund gespielt? Große Hersteller mit einer breiten Palette von Produkten - etwa IBM, Hewlett-Packard, Microsoft, Oracle und Sun - bestätigen, daß Data-Warehousing ein wesentlicher Wachstumsmotor für Umsatz und Profitabilität ist. Diese Unternehmen haben auch ein entsprechendes Profil im Marktauftreten entwickelt.

Zudem ist Windows NT ein an Bedeutung zunehmender Faktor im Data-Warehouse-Markt und inzwischen an 40 Prozent der 1997 installierten Data-Warehouse-Gesamtbasis beteiligt. MVS und HP-UX folgen mit 28 beziehungsweise 27 Prozent. Allein HP scheint tatsächlich das Versprochene liefern zu können und verteidigt so seine Position. Oracle gewinnt in der Akzeptanz als Data-Warehouse-Anbieter und kann seinen Anteil von 44 auf 48 Prozent erhöhen, während Microsofts SQL Server seinen Anteil von 23 auf 27 Prozent ausbauen konnte (1996/1997).

Data-Warehousing hat an Bedeutung nichts eingebüßt. Anfangsschwierigkeiten sind vielfach überwunden, und mittlerweile liegen fundierte Erfahrungen vor. Von Herstellerseite aus betrachtet, ist Data-Warehousing auf einem Wachstumspfad. Unsicherheiten zu Beginn sind überwunden und strategische Partnerschaften geschlossen. Anders hingegen beim Data-Mining. Turbulenzen sowohl auf Hersteller- als auch Anwenderseite bestimmen unverändert das Bild.

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Anwender befinden sich in der schwierigsten Phase ihrer Data-Warehouse-Projekte. Sie erkennen, daß zwischen Planungs- und Ist-Situation eine erhebliche Diskrepanz besteht. Verständlich, daß man einen Gang zurückschaltet. Die vom Autor vorgestellten Ergebnisse einer jüngsten Meta-Group-Studie zeigen aber auch, daß sich die Probleme der Anwender noch nicht im Markt niedergeschlagen haben.

Rüdiger Spies ist Serior Consultant bei der Meta Group in München.