Anwender suchen nach Alternativen US-Kunden stellen die Strategie von Digital zunehmend in Frage

18.11.1994

SAN FRANZISKO (IDG) - Bleiben wir Kunden, oder sollen wir uns einen anderen Partner suchen? Diese Frage stellten sich wohl die meisten der 80 amerikanischen Digital-Anwender, die zur Dexcon- Show nach San Franzisko gekommen waren. Ihnen geht es offenbar weniger darum, ob die Digital Equipment Corp. ihre VAX-Plattform beerdigt oder nicht. Sie wollen von ihrem Hersteller vielmehr wissen, ob er im Client-Server-Bereich ein verlaesslicher Partner bleibt.

Der Hardwarehersteller versuchte, den Anwendern die Sorgen zu nehmen. Mit wenig Erfolg: Anwesende Kunden erklaerten auf Nachfrage der CW-Schwesterpublikation "Computerworld", Digital habe in seiner einzigen Dexcon-Praesentation kaum eines ihrer Probleme beruehrt.

"Sie haben weder zugehoert noch auf unsere Fragen geantwortet", kommentierte Richard Goulde, MIS-Manager bei Commercial Metals Co., Dallas, die Veranstaltung.

Die Aengste der User drehen sich - das zeigte eine Diskussion - um Digitals kuenftige Softwarestrategie, die fehlende Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde sowie um die Befuerchtung, dass die Supportqualitaet nachlaesst, wenn DEC mehr und mehr auf indirekte Vertriebskanaele setzt. Die Anwesenden beschwerten sich ueber lange Lieferzeiten und die Unfaehigkeit der Value Added Resellers (VARs), Fachfragen zu beantworten. Pauline Nist, Digitals Vice-President Systems and Hardware, antwortete, ihr Unternehmen arbeite an besseren Zertifizierungsverfahren und Training fuer die Handelspartner. Dennoch, schraenkte sie ein, haetten zur Zeit Kostensenkung und Neuausrichtung oberste Prioritaet bei Digital.

Derweil suchen Anwender nach Alternativen. Noch gebe er DEC den Vorzug, "aber wir analysieren auch, was andere Hersteller machen", sagte beispielsweise Goulde. Open VMS auf Alpha-Plattformen stellt fuer den Manager nur eine kurzfristige Loesung dar. In ein bis zwei Jahren werde sich sein Unternehmen in Richtung Unix bewegen, da ein offenes Betriebssystem den Weg zu anderen Herstellern freimache.

"Digital wird bei uns weiterhin eine Rolle spielen, aber wahrscheinlich eine andere als bisher", redete Robert Guthrie, Manager bei Hoffman-LaRoche Inc., um den heissen Brei herum. "Ich werde von meinen Kunden aufgefordert, nicht zu sehr auf DEC zu setzen", fuegt der Manager hinzu, dessen Unternehmen zur Zeit groesster Digital-Kunde in New Jersey ist.

Die von Vizepraesidentin Nist erlaeuterte Hardwarestrategie sorgte auf der Dexcon fuer keine bessere Stimmung. "Ich finde es nicht aufregend, von einem Chip zu hoeren, der mit 300 Megahertz getaktet ist", meinte ein Besucher, der seinen Namen nicht nennen wollte. Er brauche eine Plattform, auf der Anwendungen fuer Transaction Processing laufen. Seit zwei Jahren investiere seine Bank nicht mehr in VAX-Rechner, weil DEC die Alpha-Systeme in den Vordergrund stelle. Eine Migration auf diese Plattform sei fuer ihn bisher jedoch unmoeglich gewesen, weil der Transaktionsmonitor AMCS nicht vor Ende des Monats portiert wuerde. "Wir stellen unsere DEC- Strategie mehr und mehr in Frage", sagte der Anwender.

Ebenfalls umstritten ist der Verkauf von DECs relationaler Datenbank Rdb an Oracle. "Mit dem Deal haben sie die Raeder ihres Busses abgegeben", urteilt John Stevenson, Vice-President MIS bei Getraenkehersteller Dr.Pepper/The Seven Up Co., Dallas. Zur Zeit sei ein Cluster von DEC-7000-Rechnern, die unter Open-VMS laufen, zwar noch die "Plattform unserer Wahl", weil die Maschinen eine einzigartige Kapazitaet zu einem vernuenftigen Preis boeten. Allerdings wolle man mittelfristig auf Unix setzen. In einem solchen Umfeld, meint der Manager, sei er nicht sicher, "ob DEC in fuenf Jahren bei uns noch eine strategische Rolle spielt".