Anwender sparen mit Gebrauchtsoftware

13.02.2007
Trotz rechtlicher Risiken kaufen und verkaufen immer mehr Anwender gebrauchte Softwarelizenzen.

Second-Hand-Software wird hoffähig. Anfang des Jahres meldete der Münchner Lizenzhändler Usedsoft, die Münchner Stadtverwaltung habe 2000 gebrauchte Windows-2000-Professional-Lizenzen geordert und damit im Vergleich zum Neupreis eine Ersparnis von mehr als 50 Prozent erzielt. Die KWM Group sparte laut Softwarelieferant USC beim Kauf von 85 neuen Office-2003-Lizenzen rund 40 Prozent, indem der blechverarbeitende Betrieb 75 Office-XP-Lizenzen in Zahlung gab. Der Neupreis der Office-2003-Pakete summierte sich auf 25000 Euro, für die gebrauchte Office-Software erzielte das Anwenderunternehmen einen Rückkaufpreis von 10000 Euro. Nicht weniger als 750000 Euro sparte sich die Berliner Volksbank, die 2800 gebrauchte Office-XP-Lizenzen beim Hamburger Gebrauchtsoftwareanbieter Preo AG einkaufte.

Tipps für Softwareeinkäufer

• Lassen Sie sich vom Second-Hand-Händler schriftlich bestätigen, dass der Deal nicht gegen das Urheberrecht verstößt.

• Achten Sie auf schwarze Schafe unter den Händlern: Fragen Sie nach Referenzen und nehmen Sie Kontakt zu anderen Kunden auf.

• Es schadet nicht, den Softwarehersteller in den Deal einzubinden zu versuchen. Lassen Sie sich aber nicht vom ersten juristischen Säbelrasseln einschüchtern.

• Wenn Sie einen Wartungsvertrag benötigen, sollten Sie diesen vor dem Kauf gebrauchter Lizenzen unter Dach und Fach bringen.

• Beziehen Sie die Gebrauchthändler in die Ausschreibungen ein. Das verbessert Ihren Verhandlungsstandpunkt gegenüber den etablierten Softwareanbietern.

Händler von Gebrauchtsoftware

• ERP-Broker (Hamm)

www.erp-broker.de;

• Preo (Hamburg)

www.preo-ag.de;

• Susen Software (Aachen) www.susensoftware.de;

• USC (München)

www.u-s-c.de;

• Usedsoft (München) www.usedsoft.de.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

586688: Microsoft Office: Tausche Alt gegen Neu;

585347: Linux-Stadt München kauft 2000 gebrauchte Windows-Lizenzen;

584212: Lizenzhändler will gegen schwarze Schafe vorgehen;

1216589: Gebrauchtsoftware - pro und kontra.

Hier lesen Sie ...

• welche Vorteile Anwender mit gebrauchter Software erzielen können;

• warum bei bestimmten Geschäften ein rechtliches Risiko bleibt;

• wie Softwarehersteller gegen den Gebrauchtmarkt vorgehen.

Hersteller schüren Unsicherheit

Jörg Bauske, IT-Leiter des Bankhauses, hat Freude an gebrauchter Software gefunden: "Wir werden auch in Zukunft sehen, was der Markt bietet." Trotz eines Select-Vertrags wären die Office-Lizenzen bei Microsoft doppelt so teuer gekommen, berichtet er. Auch ein Sonderangebot des Herstellers sei noch zu teuer gewesen. Als der Konzern seine Felle davonschwimmen sah, habe Microsoft versucht, subtil durch Verweise auf die unklare rechtliche Situation Verunsicherung zu schüren.

Davon habe er sich jedoch nicht beeindrucken lassen, berichtet Bauske. Microsoft selbst habe klar definiert, wie seine Software von einem Nutzer auf den anderen übertragen werden darf. Das gelte auch für Volumenverträge, die laut den Statuten nur komplett weitergegeben werden dürften. Der Genehmigungsprozess läuft über die Europa-Zentrale in Irland. Microsoft gibt an, keine Transaktion abzulehnen, die den hauseigenen Regeln entspricht. Manch ein Microsoft-Mitarbeiter in Deutschland habe sich gewundert, was im eigenen Konzern möglich sei, berichtet der Berliner IT-Chef schmunzelnd.

Den Softwareanbietern ist mit Blick auf das eigene Lizenzgeschäft allerdings gar nicht zum Lachen zumute. Mehr oder weniger offen gehen sie gegen den Lizenzhandel vor. Seit rund einem Jahr streiten sich Oracle und Usedsoft vor Münchner Gerichten. Dabei geht es um die Frage, ob der Weiterverkauf von online übertragenen Nutzungsrechten von Oracle-Software rechtmäßig ist. Der Lizenzhändler hatte für die Nutzungsrechte geworben, die Interessenten jedoch aufgefordert, sich die Software via Internet von den Oracle-Seiten herunterzuladen. Dies verstoße gegen das allein dem Hersteller zustehende Vervielfältigungsrecht, entschied das Landgericht München. Das Oberlandesgericht bestätigte den Spruch im Herbst 2006. Allerdings ist in dem Verfahren das letzte Wort noch nicht gesprochen. Im kommenden März geht es in die Berufung.

Während die Richter in München pro Hersteller urteilten, hat in einem anderen Verfahren der Lizenzhändler die Nase vorn. In Hamburg hatte im vergangenen Jahr ein Microsoft-Partner ebenfalls Usedsoft vor den Kadi gezerrt. Vorwurf: Die Werbung für gebrauchte Microsoft-Produkte sei nicht zulässig, weil Usedsoft unzulässigerweise Volumenlizenzverträge aufspalte und portionsweise weiterveräußere. Eine einstweilige Verfügung gegen Usedsoft hatte das Landgericht Hamburg Ende Juni 2006 aufgehoben. Diese Entscheidung bestätigte Ende Januar das dortige Oberlandesgericht.

Urteile lassen Fragen offen

Obwohl Microsoft nach eigenem Bekunden in keiner Weise an dem Verfahren beteiligt war, sah sich der Konzern veranlasst, das Urteil noch vor der offiziellen Begründung zu kommentieren. "Es ging in dem Verfahren nicht um die Rechtmäßigkeit des Handels mit gebrauchten Lizenzen", versuchen die Microsoft-Verantwortlichen die Bedeutung herunterzuspielen. "Gegenstand des Streits war die Frage, ob die Werbung von Usedsoft wettbewerbswidrig und damit zu unterlassen sei." Folglich bedeute die Entscheidung nicht, dass das Geschäftsmodell von Usedsoft rechtmäßig ist.

Das liest sich in der Urteilsbegründung des Landgerichts Hamburg, die der computerwoche vorliegt, jedoch anders: "Der Verkauf einzelner Microsoft-Lizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen abgegeben worden waren, ist auch ohne Zustimmung von Microsoft wirksam möglich", heißt es dort. "Eine Werbung, die dies kommuniziert, ist mithin nicht irreführend."

Dieses Urteil des Landgerichts habe das Oberlandesgericht nach der Berufung des Microsoft-Partners in keiner Weise eingeschränkt, kommentiert Usedsoft. Zwar sei richtig, dass die Richter lediglich wettbewerbs- und nicht urheberrechtlich argumentiert hätten. Allerdings habe das OLG Hamburg entschieden, dass das Urteil des Landgerichts rechtskräftig sei, inklusive der eingehenden Begründung zur Rechtmäßigkeit des Software-Gebrauchthandels, lautet die Interpretation des Händlers.

Wie es in dem Hamburger Verfahren weitergeht, ist noch nicht abzusehen. Auch wenn der Softwarekonzern beteuert, mit dem Rechtsstreit in der Hansestadt nichts zu tun zu haben, gehen Insider von dem Gegenteil aus. Demnach sollen die Richter des Oberlandesgerichts in ihrer Begründung gestichelt haben, wenn Microsoft eine Klärung der von ihnen verhandelten Frage wünsche, solle der Konzern doch bitte selbst vor Gericht gehen. Diese Einladung sei dahingehend zu interpretieren, das OLG Hamburg habe kein Urteil in Sachen Urheberrecht fällen können, weil Microsoft als Rechteinhaber nicht in das Verfahren involviert gewesen sei, erläuterte ein Microsoft-Sprecher. Daher ließen sich die Hamburger Urteile ausschließlich wettbewerbsrechtlich interpretieren, egal wie weit die Richter in ihrer Begründung auf das Urheberrecht eingingen.

Gerüchte, Microsoft habe die gegen Usedsoft klagende Firma Klar EDV zum Prozessieren angestachelt, will der Sprecher nicht kommentieren. Im Gegenteil: Ihm seien Spekulationen zu Ohr gekommen, Usedsoft selbst könnte das Verfahren eingefädelt haben, um seiner Sache mehr Publicity zu verschaffen.

Wer klagt eigentlich?

Dass hier hinter den Kulissen an so manchen Fäden gezogen wird, wirkt wahrscheinlich. Laut dem Firmenverständnis der Klar EDV lässt sich jedenfalls kein Konfliktpotenzial mit Usedsoft erkennen. "Wir installieren und konfigurieren Ihre Hard- und Software unabhängig davon, ob sie im Laden an der Ecke, im Internet oder bei uns gekauft wurde", heißt es auf der Website des Unternehmens. Dessen Verantwortliche lehnten eine Stellungnahme zum Verfahren ab.

Die Fronten sind verhärtet. Microsoft kündigte an, zum Schutz der eigenen Lizenzrechte mehr zu tun, ohne jedoch konkret zu werden. Neben rechtlichen Schritten werde man auch das Gespräch mit den Kunden suchen, hieß es. Für Usedsoft-Chef Peter Schneider ist die Sache jedoch klar: "Microsoft setzt damit seine fragwürdige Politik fort, unter Missachtung der Tatsachen die Käufer von Gebrauchtsoftware einzuschüchtern."

Das wollen sich viele Anwender jedoch nicht gefallen lassen. "Es wäre vollkommen absurd, wenn der Handel mit gebrauchter Software rechtswidrig wäre", beruft sich beispielsweise Reinhard Schütte, Geschäftsführer IT der Dohle Handelsgruppe, auf das Urteil seiner Rechtsberater. Juristisch gebe es da nichts zu deuteln. Schließlich kaufe man als Anwender ein Nutzungsrecht, das auch weiterverkauft werde dürfe. "Sonst wäre es doch kein Kaufvorgang", argumentiert Schütte. Software müsste dann in den Bilanzen ganz anders verbucht werden.

Auch Hartwig Hopfenzitz, IT-Leiter von Woolworth, lassen die Prozesse bislang kalt. Die Argumente Oracles, wonach bei der Online-Übertragung kein Eigentum an der Software erworben werde, hält er für abenteuerlich. Etliche Dax-Konzerne hätten dann ein Bilanzierungsproblem. Woolworth nutze den Gebrauchtmarkt vorwiegend dafür, Standardsoftware anzuschaffen. Im Rahmen jeder Beschaffung würden auch die Second-Hand-Händler angefragt. Auch beim Kauf von DB2-Datenbanklizenzen habe sich diese Strategie bezahlt gemacht, erzählt der IT-Leiter. IBMs Vertriebsmitarbeiter hätten erstaunlich schnell reagiert und ein Angebot aus dem Hut gezaubert, das sogar unter dem von Usedsoft gelegen habe.

Händler bieten Friedenspfeife an

Allerdings hätten die Prozesse ihre Spuren im Markt hinterlassen, räumt Boris Vöge, Vorstand der Preo AG aus Hamburg, ein. Die daraus resultierenden Schlagzeilen hätten für Irritationen im Markt gesorgt, "aber zu Unrecht". Um erst gar keine Unsicherheit aufkommen zu lassen, bindet Preo die Hersteller mit ein: "Wir übertragen die Lizenzen direkt über die Softwareanbieter." Diese stimmten dem Transfer zu und räumten damit jeden rechtlichen Zweifel aus.

Viele andere Gebrauchthändler versuchen ebenfalls, Konflikten aus dem Weg zu gehen. So bezieht auch die Münchner USC die Hersteller mit ein. Geschäftsführer Peter Reiner bedauert es, dass die Diskussionen über einige wenige Spezialfälle den gesamten Markt in Misskredit brächten. Dabei ließen sich 80 Prozent des Geschäfts ohne Probleme über die Bühne bringen.

Für die Anwender ist Rechtssicherheit nach wie vor Trumpf, beobachtet Ralf Schütte, Geschäftsführer des Handelsportals ERP-Broker. Daher befürwortet auch er das Prinzip, mit den Herstellern zu kooperieren. Wenn es keinem schade, könne man auch die Mitteilungspflicht des Herstellers befolgen. "Warum sollte man die Konfrontation suchen?" fragt der Software-Broker.

Die unterschiedliche Rechtsprechung in München und Hamburg tut der Sache gut, meint Schütte. Damit eskaliert die Angelegenheit mehr und mehr in höhere Instanzen, und der Markt gewinne damit an Rechtsverbindlichkeit. Leider zögen sich die Verfahren lange hin. Aber irgendwann werde sich sicher auch der Bundesgerichtshof mit der Angelegenheit beschäftigen müssen.

Bis es so weit ist, werde der Streit weiter hin- und herwogen, prognostiziert Michael Bartsch, Anwalt von Bartsch und Partner aus Karlsruhe. Sicherheit gebe es nur, wenn Originaldatenträger gehandelt würden oder der Hersteller die Weitergabe gestatte. Alles andere sei zweifelhaft. Dass der Gang durch alle Instanzen endgültig Klarheit schafft, ist für den Anwalt nicht selbstverständlich. In den Verfahren werde immer ein konkreter Sachverhalt entschieden und keine theoretische Regel aufgestellt. "Nach dem ersten BGH-Urteil werden wir sicher mehr Klarheit haben als jetzt, aber vielleicht nicht so viel wie wir uns wünschen."