IBM staffelt die Lizenzgebühren für sein Netz-Management-System

Anwender schrecken vor den Kosten von Netview 2.0 zurück

02.11.1990

RYE BROOK (IDG) - Zwei Monate nach Ankündigung der Version 2 des Netz-Management-Systems Netview von IBM macht sich bei vielen Anwendern Katzenjammer breit. Der Grund: Big Blue läßt sich die neuen Funktionen und :Features des Systems teuer bezahlen.

Nachdem selbst die Vertriebsleute der IBM Probleme hatten, die komplexe Preisstruktur der Company für Netview 2 zu durchschauen, ist jetzt auch für die User das böse Erwachen gekommen. Lange Gesichter gibt es bei Unternehmen, die Netview auf mehreren gleichrangigen Hosts fahren. Sie müssen mit einem Anstieg der Lizenzgebühren bis zu 200 Prozent rechnen. Besser kommen dagegen Firmen weg, die das Netz-Management-System nur auf ihren Low-end-Hosts einsetzen.

Die Konfusion unter den Anwendern ist vor allem durch die neue Staffelung der Lizenzgebühren entstanden. Big Blue macht bei Netview Version 2 die Kosten jetzt stärker von der Systemgröße abhängig und berechnet sie durch einen neuen Schlüssel, der die Netview-Software in drei Kategorien einteilt: Die erste Option stellt eine Softwarelösung dar, die von einem zentralen Mainframe aus weitere Netview-Hosts bedient. Die zweite Softwarevariante beinhaltet verteilte Systeme, die bis zu einem bestimmten Grad Anwender-Installationen managen, aber auch zentral gefahren werden können. Die dritte Kategorie schließlich definiert Standalone-Systeme, die mit keinem anderen Netview-Host operieren können.

Jim Oleksiw, Telecommunications Director der Versicherungsgesellschaft The Travellers Corp., bringt die Reaktion vieler Anwender auf den Punkt: "Wenn IBM die verteilte Softwarelösung von Netview Version 2 signifikant billiger macht als die vergleichbare zentrale option, wird der Kunde zwangsläufig nur eines oder höchstens zwei der zentralen Systeme einsetzen." Vermutlich verbirgt sich hinter dieser Preispolitik die Absicht, möglichst viele Netview-Lizenzen zu verkaufen.

Eine Kalkulation Oleksiws hat ergeben, daß seine Company bei einer Migration mit einem Anstieg der Netview-Kosten um 65 Prozent zu rechnen hat, wenn die Version 2 in derselben Konfiguration wie Netview 1.0 gefahren wird. Der TK-Direktor überlegt derzeit, ob er nicht auf Netview 2.0 ganz verzichten soll. Wie Oleksiw wollen auch andere IS-Manager erst die Funktionalität und die Kosten des neue Netview-Release unter die Lupe nehmen, ehe eine Kaufentscheidung getroffen werden soll.

Keiner will Netview den Rücken kehren

Die First Boston Corp. hätte beispielsweise Interesse an dem grafischen Interface und dem direkten LU6,2-Support von Netview 2.0. Laut Techniker Morty Eison komme das Interface vorerst jedoch nicht in Frage, weil andere Unternehmen wie die First Boston Corp. auch die Kosten für diese Investion scheuen. Eison weiter: "Der direkte LU6.2-Support wäre zwar von Vorteil, wir kommen aber auch ohne aus." Seine Company will nun in den nächsten Monaten den Bedarf analysieren und dann über eine Migration entscheiden.

Zahlreiche Anwender tendieren eher dazu, spezifische Weiterentwicklungen der Versionen 2.1 und 2.2 gegen Aufpreis in ihre bestehenden Konfigurationen zu implementieren. So wäre zum Beispiel das Unternehmen Northeast Utilities sehr an dem erweiterten Netview-Befehlsatz für den LAN-Manager von IBM interessiert, der im Frühjahr 1991 mit der Version 2.2 auf den Markt kommen soll. "Diese Funktionen wären in meinen Augen eine zusätzliche Ausgabe wert; davon muß aber erst noch das Management überzeugt werden", sagte Stan Pelletier, DV-Experte der Firma.

Trotz der bitteren Pille, die viele Anwender durch die Preiserhöhung schlucken mußten, fand sich kein Unternehmen, das Netview den Rücken kehren will. "Allerdings", so TK-Direktor Oleksiw, "werden wir uns künftig zweimal überlegen, wo wir Netview einsetzen". Außerdem stelle Travelers ernsthafte Überlegungen an, Netz-Management-Funktionen in Zukunft mehr auf der LAN-Plattform aufzusetzen.