Anwender hamstern Mysap-Lizenzen

22.02.2005
Laut einer Umfrage setzt die Hälfte der Käufer ihre neu erworbene Software nicht ein.

Rund 40 Prozent der R/3-Bestandskunden haben Mysap-Komponenten von SAP in Lizenz genommen, jedoch setzen nur 20 Prozent die neue Software auch ein. Das ergab eine Umfrage des Beratungsunternehmens Raad Consult unter mehr als 4000 deutschen SAP-Anwendern. Nur in den seltensten Fällen würden Anwender ihre R/3-Plattform komplett durch eine reine Mysap-Umgebung ablösen, berichtet Nils Niehörster, Geschäftsführer von Raad Consult. Das liege einmal an der guten Akzeptanz von R/3 Enterprise. Zum anderen habe SAP Schwierigkeiten, die Vorteile der Mysap-Lösungen gegenüber den R/3-Releases zu benennen.

Kunden spekulieren auf Nachlässe

Viele Kunden hätten eine Mysap-Lizenz lediglich gekauft, um noch in den Genuss eines höheren Nachlasses von Seiten der SAP zu kommen, erklärt der Analyst die Diskrepanz zwischen Lizenzbestand und Praxiseinsatz. Die Softwerker aus dem Badischen hatten ihrer Klientel im vergangenen Jahr beim Kauf einer Mysap-Lizenz 75 Prozent auf ihre in der Vergangenheit getätigten R/3-Investitionen angerechnet. Dieser Prozentsatz wird aber von Jahr zu Jahr kleiner. 2005 bekommen die Kunden noch 65 Prozent. Für 2006 gibt es bisher keine offizielle Zahl von Seiten SAPs. Branchenbeobachter gehen aber davon aus, dass SAP die Anrechnung auf 55 Prozent oder einen niedrigeren Satz absenken wird.

Trotz der Vorbehalte gegen einen Mysap-Einsatz hat Raad Consult im vergangenen Jahr verstärkte Aktivitäten der SAP-Kunden beobachtet. 2004 seien mehr Release-Wechsel festzustellen gewesen als in den Jahren zuvor. Zum überwiegenden Teil hätten die Anwender dabei den Schritt auf R/3 Enterprise vollzogen, berichtet Niehörster: "Mittlerweile haben fast 85 Prozent aller SAP-Kunden in Deutschland mit 4.6C beziehungsweise R/3 Enterprise vergleichsweise aktuelle Versionen im Einsatz oder befinden sich auf dem Weg dorthin."

Den Kunden die Tür in die neue Mysap-Welt zu öffnen und den weiteren Weg in die anstehende Enterprise Services Architecture (ESA) zu ebnen, wird die künftige Herausforderung für SAP darstellen, räumt SAP-Vorstand Gerhard Oswald ein. Investitionen der Kunden müssten geschützt und der Migrationsaufwand so klein wie möglich gehalten werden, erklärte er anlässlich der Technologietage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). SAP stehe in der Pflicht, den Aufwand zu reduzieren, damit die IT-Abteilungen die Upgrade-Projekte überhaupt genehmigt bekämen.

2004 standen jedoch eindeutig die Konsolidierungsprojekte im Mittelpunkt: Unternehmen waren darauf aus, ihre Kosten zu senken.

In der Folge brachten vor allem Großunternehmen ihre SAP-Systeme auf einen einheitlichen Release-Stand und legten sie dann zusammen. "Das ergab klar berechenbare Kostenvorteile", so Niehörster.

Nicht verstanden hat es die SAP dagegen, die Kunden von den Vorteilen der Mysap-Generation zu überzeugen. SAP sei sicher wegen der guten Produkte Marktführer im Geschäft mit Business-Applikationen, erläutert Niehörster. Allerdings sei die Software auch ziemlich kompliziert. Deshalb müsse sich gerade ein Unternehmen wie SAP genau überlegen, wie der Nutzen neuer Versionen zu vermitteln sei. "Wenn die Kunden das nicht verstehen, ist es jedoch nicht das Problem der Anwender, sondern das von SAP."

Für zusätzliche Irritationen sorgen auch die weitergehenden Pläne von SAP. Vorstand Oswald sprach im Zuge der Enterprise-Services-Architecture-(ESA-)Strategie von einem großen Umbau der SAP-Landschaft. Künftig sollen Anwendungen auf Basis der "Business Process Plattform" entwickelt werden. Diese Architektur werde ab dem kommenden Jahr allen Entwicklern zur Verfügung stehen. Bestehende Anwendungen sollen darauf umgestellt werden.

Es sei noch zu früh, um sich mit dem Begriff der Business Process Platform auseinander zu setzen, kommentiert Stefan Klose, Leiter des Arbeitskreises Basis und Technologie bei der DSAG. Seiner Einschätzung nach plant die SAP damit eine neue Ablaufplattform für betriebswirtschaftliche Komponenten. Klose geht davon aus, dass dafür ein Teil der vorhandenen Softwarefunktionen neu programmiert werden muss. "Das ist ein dramatischer Umbau im Rahmen der ESA-Strategie der SAP."

Die Vorzeichen für die neue Architektur ständen jedoch nicht schlecht, meint Klose. So sei die Akzeptanz für Netweaver groß: "Alle Firmen beschäftigen sich damit." SAP habe als Applikationsanbieter den Vorteil, seine Integrationsplattform tiefer in die Anwendungsschicht integrieren zu können. (Siehe Schwerpunkt ab Seite 30). (ba)