Nach Einsteigerwelle ins Internet

Anwender auf der Suche nach optimalem Homepage-Einsatz

14.02.1997

Wie der von Euroforum in Berlin abgehaltene Internet-Kongreß zeigte, bewegen sie sich damit im Spannungsfeld zwischen technischen Möglichkeiten, wirtschaftlichen Notwendigkeiten, juristischen Fallen und den Grenzen der bestehenden Unternehmenskultur.

Nach einer Studie von Garmhausen, die Ansgar Kückes von der Berliner Unternehmensberatung Ubis zitierte, erhöhte sich die Anzahl kommerzieller deutscher Web-Seiten von 22 000 im Januar 1996 sprunghaft auf 88 000 im Juli desselben Jahres. Offensichtlich schien es vielen Unternehmen unumgänglich, im World Wide Web Präsenz zu zeigen. Nach einem Phasenmodell des Web-Engagements, das Rainer Bamberger vom Fraunhofer- Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation vorstellte, verfolgten die Unternehmen in dieser ersten Stufe das Ziel, Informationen über sich und ihre Produkte zu publizieren und so die Kundenansprache flexibler zu gestalten. Damit sollte auch ein Image-Gewinn einhergehen. Die Web-Seite, die noch vor einem Jahr Anlaß für ein stolzes "Wir sind auch im Internet" war, erfährt inzwischen häufig eine stiefmütterliche Behandlung. Der Grund dafür mag sein, daß sich mit einer Web-Einrichtung der ersten Generation kaum Kosteneinsparungen, beispielsweise im Kundendienst, erzielen lassen und neue Vertriebswege noch an technischen Möglichkeiten ihre Schranken finden. Fehlt dann noch eine Strategie für die weitergehende Nutzung des Internet, droht dem lästigen Kostenfaktor Web-Seite ein Dasein als HTML-Leiche. Daß diese Gefahr gar nicht so gering ist, läßt eine von Kückes zitierte Befragung durch das Alpar-Institut erahnen. Demnach besitzt von 384 untersuchten, im Internet aktiven Unternehmen überhaupt nur ein Fünftel eine Strategie für die Nutzung des weltweiten Netzwerks. Beratung suchen die meisten Anwender nur für operative Entscheidungen, jedoch kaum für die strategische Planung.

Angesichts der Orientierungsprobleme und Einstiegsschwierigkeiten vieler Unternehmen fiel es Thomas Bollinger von der Schweizer Agentur Werbal nicht schwer, anhand ausgesuchter Web-Seiten Exempel für schlechtes Design zu präsentieren.

Die markigen Ausführungen des Marketiers ("Starten Sie Ihre Web-Präsenz mit einem Feuerwerk, nicht mit einem Furz") verwiesen unverhohlen auf einen Interessengegensatz zwischen Diensteanbietern und Unternehmen mit Internet-Präsenz.

Letztere bieten mit teilweise dilettantisch gestalteten Web-Seiten ausreichend Ansatzpunkte für hämische Kritik. Dieser folgen dann oft Verbesserungsvorschläge unter Einbeziehung der neuesten technischen Möglichkeiten oder, wie bei Bollinger, gar unter Mißachtung der Netiquette (Aufforderung zu Werbung in Usenet-Gruppen). Die von Agenturen propagierten Interaktions- und Publikationsmöglicheiten freilich liegen häufig außerhalb der kommunikativen Fähigkeiten und Bedürfnisse von Unternehmen.

Neue Firmenkultur durch Migration zum Intranet

Diesen Gegensatz von kreativen Vorreitern und deren Kunden demonstrierten Peter Kabel von der Hamburger Kabel New Media GmbH und Hans-Dieter Manhard von Raab Karcher Energieservice GmbH in ihrem anregenden und unterhaltenden Rollenspiel. Der von Kabel dargestellte Techno-Freak stieß mit seinen verspielten Vorschlägen auf wenig Gegenliebe bei seinem Gegenüber, das im Web nur ein Medium unter anderen sah, um sein Unternehmen adäquat nach außen zu vertreten.

Dieser fiktive Dialog zeigte an einigen Punkten auf, inwiefern Vorstellungen von Anbietern und Kunden unvereinbar sein können. Beispielsweise hatte noch Bollinger darauf hingewiesen, daß weder VW noch Opel im Fall Lopez die Publikationsmöglichkeiten des Web nutzten. Andererseits übersteigt eine eigene Web-Redaktion die Ambitionen vieler Unternehmen. Die redaktionelle Betreuung einem externen Anbieter zu übertragen führt wegen der nötigen Abstimmungsprozeduren jedoch zu Verzögerungen, die im Web nicht akzeptabel sind.

Manhard wandte zudem ein, daß Online-Redakteuren das gleiche Schicksal droht wie den Zuständigen für die hausinterne Firmenzeitung: Der ständige Bittgang zu Mitarbeitern, ob sie nicht eine Geschichte anzubieten hätten. Als Alternative stellte er eine Firmenkultur vor, wo aktiver Umgang mit Informationen gepflegt wird. Eine solche könnte sich durch die Einführung eines Intranet entwickeln, weil es den selbständigen Zugriff auf Informationen fördert (Pull- statt Push-Modell). Zudem erlaubt es den Zuständigen, beispielsweise Pressereferenten, den eigenen Web-Server unter Umgehung von Medien-Brüchen und "Stille-Post-Prozeduren" direkt zu aktualisieren.

Die bezüglich der Web-Präsenz erhobenene Forderung nach Aktualität und heißen Neuigkeiten kann sich je nach Charakter eines Unternehmens auch als absurd erweisen. Ein Anbieter von Investitionsgütern kann eben nicht jeden Tag mit aufregenden Neuigkeiten aufwarten und läuft unter dem Aktualitätsdruck Gefahr, Nebensächlichkeiten zu wichtigen Nachrichten aufzublähen - und damit die Seriosität der Web-Präsenz in Frage zu stellen. Ähnliches droht, wenn der Anbieter die Web-Seiten mit Grafiken, Animationen und Applets überfrachtet, nur um technisch auf der Höhe der Zeit zu sein: Sie kann der demonstrierten Corporate Identity durchaus abträglich sein.

Neben Fragen der Selbstdarstellung erheben sich für Unternehmen, die im Web präsent sind, neue rechtliche Fragen. Ging und geht es beim Einstieg zuerst darum, den gewünschten Domänennamen zu sichern, sind danach vor allem urheber- und werberechtliche Themen von Belang. Christian Weisbrod von der Kanzlei Teich und Partner legte all jenen, die noch keinen Internet-Auftritt haben, dringend ans Herz, sich um ihren Domänennamen zu kümmern und damit Piraterie vorzubeugen - das deutsche Markenrecht biete nämlich nicht immer ausreichenden Schutz davor.

Zudem legte er allen Unternehmen, die ihre Web-Darstellung von externen Anbietern gestalten lassen, nahe, vertraglich abzusichern, daß der Dienstleister für eventuelle Verletzungen des Urheberrechts selbst haftet. Er widersprach außerdem Vorstellungen, wonach das globale Netz einfache Schlupflöcher durch das einengende deutsche Werberecht biete. Auch wenn sich ein Web-Server auf einer Karibik-Insel befindet, gilt deutsches Recht, sobald der verbeitete Inhalt offensichtlich für den deutschen Markt gedacht ist. Deutschsprachige Online-Werbung für Produkte, die hierzulande vertrieben werden, darf daher keinesfalls vergleichend sein.