Qualität im Büro - die neue Herausforderung:

Ansetzen an den Ursachen von Mängeln

17.02.1989

Qualität gilt zurecht als wichtiger Wettbewerbsfaktor. Marktorientierte Qualitätsförderung erfordert auch die qualitative Verbesserung der unternehmensinternen Leistungen - nicht nur in der Fertigung, auch im Bürobereich. Doch fehlen bislang Konzepte und Gestaltungsansätze, die auf die besonderen Eigenheiten von Büroarbeit zugeschnitten sind - obwohl sich die Qualitätsproblematik im Büro gerade angesichts des Einsatzes neuer Bürotechnik mit besonderer Aktualität stellt. Die bloße Übertragung von Konzepten aus dem Fertigungsbereich genügt nicht.

*Prof. Friedrich Weltz, Dr. Heinrich Bollinger und Dipl.-Soz. Rolf Ortmann sind Mitglieder der Sozialwissenschaftlichen Projektgruppe, München.

"Die europäische Industrie sieht sich in einer globalen Geschäftswelt vielen Herausforderungen ausgesetzt, weil die Erwartungen der Kunden bezüglich Qualität und Preis von Produkten und Dienstleistungen stetig wachsen und die internationale Konkurrenz zunehmendes Gewicht gewinnt. Diesen Herausforderungen - das ist offenkundig - kann nur durch die Entwicklung und Umsetzung umfassender Qualitätsstrategien begegnet werden, die sowohl auf die Industrie wie auch auf das gesamte Erziehungssystem abzielen und in der Kultur und den Werten Europas verankert werden müssen. Solche Strategien schaffen Qualitätsvorteile auf dem Markt, indem sie den Ansprüchen der Kunden Rechnung tragen." (1)

Dem Thema Qualität wird von den Unternehmen zunehmend größere Aufmerksamkeit gewidmet. Dies zeigt sich an diesem Aufruf zur Gründung der "European Foundation for Quality Management- (gegründet im September 1988 von 14 der größten westeuropäischen Unternehmen, darunter aus der Bundesrepublik die Robert Bosch GmbH und die Volkswagen AG), aber auch an den Qualitätsaktivitäten vieler Unternehmen oder daran, daß an dem . Europäischen Quality Circle Kongreß in Brüssel mehr als 1000 Personen teilgenommen haben.

Die Debatte über Qualitätsförderung ist gekennzeichnet durch einen Begriffswandel: von der Qualitätskontrolle und der Qualitätssicherung zur Qualitätsforderung, Qualitätsmanagement und Qualitätskultur. In dieser begrifflichen Veränderung drückt sich eine grundsätzliche Neuorientierung aus. Es geht nicht mehr nur um die Aufdeckung von Fehlern und deren nachträgliche Beseitigung, sondern um präventive Qualitätsförderung (2), das heißt Ansetzen an den möglichen Ursachen von Qualitätsmängeln.

Qualitätsförderung ist nicht ein Programm, sondern ein Prozeß, fordert Philip Crosby. Diese Prozeßorientierung dokumentiert sich für Klaus Zink "in der Qualität von Arbeitsabläufen und -verfahren "(3). Qualität ist keine technische Funktion oder Abteilung, sondern ein systematischer Prozeß, der das gesamte Unternehmen durchdringt. Die Idee der Qualitätsverbesserung darf nicht nur auf die Produktion beschränkt bleiben, sondern muß alle Bereiche einer Organisation erfassen. (4)

Die klassischen Ansätze der statistischen Qualitätskontrolle und -sicherung in der Produktion wurden ergänzt und erweitert durch die japanischen und US-amerikanischen Qualitätskonzepte: Quality Circle, Null-Fehler-Konzept, Total Quality Control, Total Quality Care (TQC) und Total Quality Managament (TQM).(5)

Zwar konzentrieren sich die Aktivitäten auf den Bereich der Fertigung, doch wird auch das Büro zunehmend in betriebliche Qualitätsprogramme einbezogen. Denn Büroarbeit ist

- Teil jeder Produktions- oder Dienstleistungskette - als Forschungs- und Entwicklungsarbeit, als Fertigungsplanung, als Logistikplanung und als Vertrieb - und damit auch Feld präventiver Qualitätssicherung für die Produktion;

- in bestimmten Branchen die eigentliche "Produktion", etwa bei Versicherungen, Banken oder Kommunalverwaltungen, wo im Büro über die Produktqualität entschieden wird;

- als Verwaltungsarbeit die Voraussetzung für jede Güter- oder Dienstleistungsproduktion -etwa als Personalarbeit, Organisationsarbeit, Finanzarbeit und so weiter.

Die Notwendigkeit der Qualitätsförderung im Büro ist unumstritten. Doch gilt gleichermaßen für die Praxis wie für die wissenschaftliche Auseinandersetzung, daß hier Neuland betreten wird.

Im Zuge der stärkeren Einbeziehung der Büroarbeit in die qualitätsfördernden Maßnahmen von Unternehmen werden zum Teil Verfahren und Ansätze aus dem Fertigungsbereich in den Bürobereich übertragen. Die neuen Konzepte zur Qualitätsförderung - vorwiegend aus den Vereinigten Staaten (zum Beispiel Juran, Feigenbaum, Crosby) und Japan (zum Beispiel Ishikawa) übernommen - sind zwar so allgemein formuliert, daß sie durchaus auch als für den Bürobereich gültig betrachtet werden können. Sie lassen aber nicht erkennen, wie aus ihnen Maßnahmen zur Qualitätsförderung entwickelt werden können, die auf die besonderen Anforderungen des Bürobereiches zugeschnitten sind.

Es fragt sich, ob die Übertragung von Qualitätskonzepten aus der Fertigung in den Bürobereich sinnvoll und effizient ist. Es gibt einige Indizien, die daran zweifeln lassen.

So vermitteln die meisten Qualitätsdefinitionen den Eindruck, daß sie für die besondere Qualitätsproblematik im Büro nicht so richtig greifen. Zentraler Ansatzpunkt sind überwiegend die "festgelegten und vorausgesetzten Erfordernisse". Aber sind im Büro diese Anforderungen immer mit der notwendigen Eindeutigkeit zu definieren?

Auch mit den Maßnahmen zur Qualitätsförderung tun sich die Unternehmen im Bürobereich schwer. So ist dem im Fertigungsbereich recht erfolgreich eingesetzten Instrument der Qualitätszirkel oder der Lernstatt im Büro bislang weniger Erfolg beschieden gewesen.

Fragwürdig dürften im Büro auch die Ergebnisse von Kampagnen geblieben sein, mit denen einige Großunternehmen versuchten, das Qualitätsbewußtsein der Beschäftigten zu stärken. Meist stand das Argument im Mittelpunkt, daß Qualität ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sei und daß der Kunde Qualität erwarte.

Aber wie sollen ein Sachbearbeiter, eine Sekretärin, ein Einkäufer, die zusammen mit 9000 anderen Angestellten in der Hauptverwaltung eines Konzerns arbeiten, diese Appelle umsetzen? Was helfen "Leitsätze" zur Qualitätsförderung dem Referenten in der Rechtsabteilung, der von seinem Abteilungsleiter den Auftrag zur Ausarbeitung einer Vorlage erhalten hat -ohne klare Angaben über dessen Verwendungszweck - und dabei nicht weiß, woher er die Informationen bekommt, die er für seine Ausarbeitung benötigt.

Vor allem, was hilft ihm die Ermahnung zur "Qualität", wenn er gleichzeitig mit Arbeitsbedingungen konfrontiert wird, die offensichtlich durch andere Prioritäten bestimmt werden. Betrachtet man die Stoßrichtung und die Wirkung vieler Rationalisierungsmaßnahmen im Büro, so ist kaum zu erkennen, daß Steigerung der "Qualität" wesentlicher Zielaspekt war. Im Gegenteil, die Auswirkungen der Rationalisierungskampagnen, die zahlreiche Großunternehmen gerade in den letzten Jahren in ihren Verwaltungsbereichen durchgeführt haben, dürften eher qualitätsmindernd gewesen sein. Eindeutig dominierende Zielsetzung war die - quantitativ verstandene - Reduzierung von Kosten. Die erzielten Spareffekte - etwa durch die Einsparung von Assistenzpersonal - gingen nicht selten zu Lasten der Qualität der erbrachten Leistungen.

Vielfach erwartet man sich in den Unternehmen auch vom Einsatz moderner Bürotechnik qualitative Verbesserungen bei der Büroarbeit. Doch fragt man sich, ob die gewünschten Verbesserungen durch den Technikeinsatz allein schon erzielt werden können. Vielfach fehlt es an geeigneten Nutzungskonzepten für die Technik oder sogar an deren strategisch begründeter Nutzung - mit Folge unangemessener oder verselbständigter Nutzung und steigender Informationsflut.

Kennzeichnend ist derzeit für den Bereich der Büroarbeit ein Nebeneinander von

- Versuchen der Qualitätsförderung mit wenig tauglichen Mitteln und

- Vernachlässigung der Qualitätsproblematik bei der Bürorationalisierung.

Soll .Qualität jedoch wirklich strategisches Unternehmensziel und mehr als Rhetorik sein, so ist bezogen auf Büroarbeit zweierlei erforderlich:

1. die Definition eines Qualitätskonzeptes, das die Eigenheiten und Charakteristika von Büroarbeit (im Gegensatz zur Fertigungsarbeit) berücksichtigt:

2. die Integration von Qualitätspolitik und Rationalisierungspolitik, wobei Qualitätsmaximen auch bei Rationalisierungsmaßnahmen Beachtung finden müssen.

Erinnert man sich an den eingangs zitierten Gründungsaufruf der "European Foundation for Quality Management", so wird deutlich, daß Qualität von Büroarbeit mehr beinhaltet als die korrekte und fehlerfreie Abwickelung administrativer Vorgänge. Der Maßstab für Qualität ist nicht zuletzt: Ist das Unternehmen fähig, m t sich rasch verändernden Marktsituationen informiert, flexibel und innovativ umzugehen? Ist es dazu in der Lage, mit der Informationsflut fertig zu werden und die Informationsverwertung produktiv zu steuern? Kann es die neuen Bürotechniken strategisch sinnvoll einsetzen? Dies sind die neuen Herausforderungen für die Auseinandersetzung mit Qualität im Büro.

(wird fortgesetzt)

Rahmen und Ansätze

In der folgenden Serie werden sowohl ein konzeptioneller Rahmen wie auch Gestaltungsansätze für eine gezielte Förderung der Qualität von Büroarbeit vorgestellt. Das Material zu dieser Abhandlung stammt aus Untersuchungen, die unter anderem vom Bundesministerium für Forschung und Technologie und der Siemens AG gefördert wurden sowie aus Beratungsvorhaben, die von der Forschungsgruppe in den letzten Jahren im Bürobereich durchgeführt wurden. Es handelt sich um Auszüge aus einer Buchveröffentlichung, die im Frühjahr 1989 im Campus Verlag unter dem Titel "Qualitätsförderung im Büro" erscheinen wird.

Literaturhinweis:

1. Letter of Intent, European Foundation for Quality Management, Eindhoven, 1988, S. 6. Von den Autoren aus dem Englischen übersetzt.

2. Siehe zum Beispiel Staudt, Erich: Hinterwäller, Horst: Von der Qualitätssicherung zur Qualitätspolitlk. In: ZfB - 11/12 1982. S. 1000 - 1042.

Dögl, Rudolf: Strategisches Qualitätsmanagement im Industriebetrieb. Göttingen, 1986.

3. Vgl. Zlnk, Kaus: Die neue Qualitätsphilosophie? In: Gablers Magazin, 3/1988, S. 26 - 28.

4. Junk, K. J., 1988, S. 26/27.

5. Ishikawa, Kaouzu: Guide to Ouality Control, Tokyo, 1980.

Feigenbaum, A. V.: Total Quality Control Engineering and Management, London -Toronto-New York, 1961.

Juran, J. M. (ed.): Quality Control Handbook, New York, 1976 (3. Aufl.).

Crosby, Philip B.: Quality is free, New York, 1979