Ankündigung der neuen Großrechnerfamilie 5990 bringt PCM zumindest technisch in Front:Amdahl bietet schnellsten Kommerz-Mainframe

13.05.1988

MÜNCHEN (CW) - Wieder einmal hat Amdahl die Nase vorn: Die neuen Großrechner 5990 des Unternehmens leisten 100 MIPS (Modell 1400) beziehungsweise 62 MIPS (Modell 700). Der ebenfalls neu angekündigte Speicherprozessor 6100, der bis zu 15 gleichzeitig aktive 4,5-MB-pro-Sekunde-Kanäle bedient, soll zu einer deutlichen Vereinfachung des Speichermanagements führen.

Die neue Rechnerserie besteht aus einem Dual-Prozessor, dem Modell 5990-700 und einem 4fach-Multiprozessor, dem 5990-1400. Laut Amdahl ist die Zykluszeit der einzelnen CPUs von 10 Nanosekunden die kürzeste der Branche. Außerdem wurde die Reihe 5890 um einen neuen 2fach-Multiprozessor erweitert.

Zum erstenmal setzte Amdahl nach eigenen Angaben LSI-Chips/ ECL-V mit Schaltzeiten von 180 Picosekunden ein, die die Implementierung einer ganzen CPU 5990 auf einer einzigen, mehrlagigen Platine ermöglichten.

Zudem enthalte eine neue Chip-Version sowohl Logikschaltungen als auch Microcode in einem Chip. Dadurch werde die Kommunikation zwischen Boards und den Chips auf ein Mindestmaß reduziert, was eine schnellere Informationsverarbeitung zur Folge habe. Weniger Bauteile und im Feld austauschbare Einheiten setzten das Ausfallrisiko herab, verkürzten Wartungszeiten und erhöhten die Systemverfügbarkeit.

Darüber hinaus bringt die Rechnerserie 5990 Herstellerangaben zufolge weitere technische Neuentwicklungen wie Hochgeschwindigkeits-CMOS-Chips mit Static Random Access Memory und Speicherzugriffszeiten von 55 Nanosekunden sowie "Patrol"-Schaltung, die Haupt-, Erweiterungs- und Controlspeicher periodisch durchsucht und Methoden der Fehlererkennung und Korrektur enthält. Speicherstellen mit permanenten Fehlern werden dabei in spezielle Reserve-Chips verlagert. Die Serie 5990 kann mit bis zu 512 MB Hauptspeicher und bis zu 2 GB Erweiterungsspeicher konfiguriert werden.

Ferner ist es möglich, das Multiple Domain Feature (MDF) zu integrieren. Mit MDF lasse sich ein einziger Großrechner in mehrere Teilsysteme oder Domains aufteilen. Dadurch seien verschiedene Betriebssysteme gleichzeitig lauffähig.

Das Modell 5990-700 unterstützt laut Amdahl bis zu vier Domains; das 5990-1400 sogar bis zu sieben im Single-lmage-Mode oder im Partitioned-Mode. Der neue 2fach Multiprozessor 5890-390E unterstützt ebenfalls bis zu acht Domains im Partitioned-Mode.

Das Modell 5890-390E entstand aus der Kombination zweier Uniprozessoren 5890-190E und hat etwa die gleiche Leistung wie ein Dualprozessor 589-300E, aber doppelt so viel Speicherplatz und 50 Prozent mehr Kanäle. Es unterstützt bis zu 512 MB Hauptspeicher und 96 Kanäle.

Einzelheiten der MVS/ESA-Unterstützung will Amdahl nach Erhalt und Analyse der IBM-Spezifikationen bekanntgeben.

Alle drei neuen Prozessoren werden in Amdahls Fertigungsstätten in Sunnyvale/Kalifornien und Dublin/ Irland hergestellt. Die Auslieferung der 5990-700 erfolgt bereits in diesem Monat, die 5990-1400 und 5890-390E werden ab dem 4. Quartal erhältlich sein.

Mit 64 MB Hauptspeicher und 32 Kanälen soll das Modell 700 rund 16 Millionen Mark kosten. Den Rechner 5990-1400 gibt es für 29 Millionen Mark mit 128 MB Arbeitsspeicher und 64 Kanälen.

Als Kernstück des neuen Speichersubsystems sieht Amdahl den Prozessor 6100, der in Design und Funktionsweise eher eine CPU als ein normaler Controller sei. Er biete mehr als doppelt so viel Durchsatz und Kapazität sowie eine wesentlich höhere Zuverlässigkeit und funktionale Flexibilität als Konkurrenzmodelle.

Plattenspeicher für Dual- und Quad Extended Pathing

Ebenfalls kündigte das Unternehmen die Plattenspeicher 6380J und 6380K, die sowohl für Dual- als auch für Quad Extended Pathing ausgelegt seien, an. Das Modell 6380J hat laut Amdahl eine Kapazität von bis zu 2,5 Gigabyte und eine mittlere Suchzeit von 12 Millisekunden. Als Plattenspeicher mit einfacher Kapazität sei es besonders für die Speicherung aktiver Dateien geeignet. Der Speicher 6380K mit dreifacher Kapazität ist für größere online-Speicherung zu geringen Kosten pro Megabyte bestimmt. Seine mittlere Suchzeit beträgt 16 Millisekunden, und er speichert bis zu 7,5 GB.

Der Speicherprozessor 6100 kann nach Angaben des Herstellers mit 4, 8, 12 oder 16 gleichzeitig aktiven Eingabe/Ausgabe (I/O)-Pfaden konfiguriert werden oder - mit Hilfe von Zweikanalschaltern - mit 32 Pfaden, von denen 16 gleichzeitig aktiv sein können. Bei Datenübertragungsraten von bis zu 4,5 Megabyte pro Sekunde und Kanal erreiche eine Konfiguration mit 16 Kanaladaptern eine Gesamt-Übertragungsrate von 72 Megabyte pro Sekunde. Damit sei die Übertragungsgeschwindigkeit des Speicherprozessors viermal so hoch wie die eines herkömmlichen Controllers.

Höhere Flexibilität bei der Konfiguration

Der Prozessor kann an bis zu 32 Amdahl-Plattenspeicher in beliebiger Kombination angeschlossen werden. Wird er an 6380K-Modelle im Quad-Extended-Pathing-Modus angeschlossen, kann der Prozessor auf bis zu 128 einzelne Speicheradressen zugreifen und auf 240 Gigabyte Speicherplatz - das ist laut Amdahl doppelt so viel wie Konkurrenzmodelle bieten. Den Speicherprozessor 6100 gibt es in vier Ausführungen, die bis zu 16 Deviceadapter haben. Dadurch werden eine höhere Flexibilität bei der Konfiguration und damit verbundene Durchsatzverbesserungen erzielt.

Wichtige Baugruppen seien doppelt vorhanden, womit der Speicherprozessor für kritische online-Anwendungen geeignet sei, bei denen ein 24-Stunden-Betrieb erforderlich ist. Wenn ein funktionales Bauteil ausfällt, setzt der Prozessor es außer Betrieb, ohne den Datenzugriff zu unterbrechen. Integrierte Diagnosesysteme und eine Verbindung zum Amdahl Diagnostic Assistance Center in Kalifornien sollen die Fehlersuche vereinfachen.

Vierfacher Durchsatz bei gleichem Platzbedarf

Der neue Speicherprozessor ist Amdahl zufolge mit der gegenwärtigen Software des Industriestandards kompatibel und wird MVS/ESA mit DFSMS sowie Amdahls Unix-System V Betriebssystem UTS unterstützen. Er kann zusammen mit Amdahl - aber auch anderen System/370-kompatiblen Großrechnern eingesetzt werden.

Auf Amdahl-Entwicklungen basierende CMOS-Chips mit 20 000 Gattern und 1-Megabit-DRAM-Speicherchips tragen laut Hersteller dazu bei, daß die Grundfläche des Grundmodells 6100 nur 3,7 Quadratmeter beträgt.

Damit hätten Anwender - verglichen mit dem Controller 6880-G2E - viermal so viel Durchsatzleistung bei annähernd gleichem Platzbedarf. Dementsprechend hätten die neuen Plattenspeicher 6380J und 6380K dieselben kleinen Abmessungen wie das Vorgängermodell 6380E. Die Raumplanung wird aber vereinfacht weil bis zu sieben B-Modelle an ein A-Modell angeschlossen werden können.

Die Auslieferungen der Prozessoren 6100-100 und 6100-200 mit vier beziehungsweise acht Deviceadaptern beginnen im 4. Quartal. Ab 1989 werden die Modelle 6100-300 und 6100-400 (mit 12 beziehungsweise 16 Geräteadaptern) lieferbar sein. Die Plattenspeicher 6380J und 6380K werden ab dem ersten Quartal 1989 ausgeliefert.