Kolumne

"Angst essen Seele auf"

20.09.2002
Gerhard Holzwart Redakteur CW

Die jüngsten Ereignisse bei Mobilcom markieren einen weiteren traurigen Höhepunkt der Krise, in der sich die europäische TK-Branche befindet. Nach Juan Villalonga (Telefonica), Peter Bonfield (British Telecom), Paul Smits (KPN), Kaj-Erik Relander (Sonera), Ron Sommer (Deutsche Telekom) hat nun mit France-Télécom-Chef Michel Bon binnen weniger Monate ein weiterer Spitzen-Manager sein Amt aufgeben müssen. Nicht zu vergessen ist natürlich Gerhard Schmid (Mobilcom), aber das ist ein Thema für sich. Zyniker würden sagen: Die (UMTS-)Revolution frisst ihre Kinder. Oder, um es mit einem Filmtitel des deutschen Regisseurs Rainer Werner Fassbinder aus den frühen 70er Jahren auszudrücken: "Angst essen Seele auf!"

Angst ist jedenfalls das treffende Stichwort. Bei den Netzbetreibern, insbesondere bei den deutschen UMTS-Lizenznehmern, herrscht inzwischen die nackte Panik. 110 Milliarden Euro Schulden haben sich die Carrier in Europa allein für die immens teuren UMTS-Lizenzen aufgehalst, und mit jedem Tag wächst die Skepsis, nein die Gewissheit, dass es mit der erhofften Lizenz zum Gelddrucken so nichts wird, dass die Kunden dem Mobilfunk der dritten Generation bis auf weiteres die kalte Schulter zeigen.

Jetzt ist guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Er ist aber nicht mit den 400 Millionen Euro zu bezahlen, mit denen die Bundesregierung Mobilcom nun unter die Arme greift. Bei allem Unmut, der sich wohl bei den meisten Steuerzahlern hier breit machen dürfte, könnte man diesen durch den Wahlkampf motivierten industriepolitischen Sündenfall noch als solchen durchgehen lassen, wenn nicht weitaus mehr auf dem Spiel stehen würde.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Es geht nicht darum, den über 5000 Mobilcom-Mitarbeitern die Job-Perspektive zu nehmen. Es geht vielmehr darum, in Sachen UMTS grundsätzlich umzusteuern. Alle Beteiligten sind gravierenden Fehleinschätzungen erlegen: Der Bundesfinanzminister, der eine der wesentlichen Zukunftsbranchen mit einer "Sondersteuer" von 50 Milliarden Euro belegt hat, der Regulierer, der bei einem sichtbar außer Kontrolle geratenen Versteigerungsverfahren bewusst tatenlos zugesehen hat, und natürlich die Netzbetreiber selbst, die bei ihren UMTS-Kalkulationen jegliche betriebswirtschaftliche Vernunft haben vermissen lassen.

Jetzt müssen alle herunter von ihrem hohen Roß - und alles auf den Prüfstand! Warum sollte es beispielsweise nicht möglich sein, die Lizenzbedingungen und Lizenzgebühren nachträglich massiv zugunsten der Lizenznehmer zu ändern? Wie kann man wirtschaftlich sinnvolle und stabile Kooperationen fördern? Und wo bleibt die Phantasie der Netzbetreiber, die die Welt mit interessanten (und bezahlbaren) UMTS-Diensten beglücken wollten? Es steht mehr auf dem Spiel als die Infrastruktur des schleswig-holsteinischen Städtchens Büdelsdorf. Es geht um den TK-Standort Deutschland.