Schwaches Quartalsergebnis schmälert die Jahresbilanz

Angeschlagene Netscape drängt in die Unternehmens-DV

06.02.1998

Das jüngste Quartalsdefizit entspricht einem Minus von 22 Cent je Aktie. Finanzanalysten hatten jedoch im Durchschnitt nur mit einem Verlust von 16 Cent je Anteil gerechnet. Folge des unerwartet schwachen Resultats war ein Kurseinbruch um zeitweilig knapp zwölf Prozent. Die Aktie pendelte sich auf gut 16 Dollar ein - in ihrer Blütezeit hatte ihr Wert bei über 80 Dollar gelegen.

Noch trüber sieht die Bilanz aus, wenn die Kosten für Firmenübernahmen und Restrukturierungsausgaben eingerechnet werden. Dann beläuft sich der Quartalsverlust sogar auf 88,3 Millionen Dollar, bei einem Umsatz von 125,3 Millionen Dollar (viertes Quartal 1996: 115,2 Millionen Dollar).

Einschließlich aller Sonderausgaben erwirtschaftete die Softwareschmiede 1997 einen Nettoverlust von 115,5 Millionen Dollar. Bleiben die Extraausgaben unberücksichtigt, ergibt sich ein Plus von 4,7 Millionen Dollar. Im Jahr zuvor hatte der einstige Microsoft-Herausforderer noch 24,4 Millionen Dollar Gewinn verbucht. Positiver verlief die Umsatzentwicklung: 1996 nahm Netscape 346,3 Millionen Dollar ein, 1997 waren es 533,9 Millionen - ein Wachstum von 54 Prozent.

Zur Ergebniskorrektur hat das Unternehmen bereits Maßnahmen angekündigt: Rund 300 von insgesamt 3200 Mitarbeitern, unter anderem aus dem Forschungs- und dem Telemarketing-Sektor, sollen bis Ende März 1998 gehen. Allerdings will President und CEO Jim Barksdale in den direkten Vertriebskanal investieren und neues Personal im Sales-Bereich einstellen.

Netscape verzichtet auf eigene Virtual Machine

Der ehemalige Branchenstar kündigte ferner an, sein Geschäftsmodell grundsätzlich zugunsten professioneller Anwender zu verändern. Bereits im vergangenen Jahr konnte Netscape im Vergleich zu 1996 zirka 70 Prozent mehr Umsatz mit Unternehmen machen. Allein im vierten Quartal nahm die Softwareschmiede hier 92 Millionen Dollar ein - fast drei Viertel des Gesamtumsatzes.

Den Consumer-Markt läßt Netscape jetzt links liegen. Der Browser "Navigator" sowie die Standardversion des "Communicator" sind kostenlos über die Homepage zu beziehen, während Unternehmen, die den "Communicator Pro" wählen, weiter zur Kasse gebeten werden (siehe CW Nr. 5 vom 30. Januar 1998, Seite 1).

Einsparungen sollen nach Angaben von Executive Vice-President Marc Andreessen auch erzielt werden, indem weniger wichtige Produkte aus dem Portfolio genommen und einander überlappende Projekte neu koordiniert werden. Ferner wurde die Entwicklung der eigenen Java Virtual Machine eingestellt; statt dessen will Netscape nun an einem "Open Java API" arbeiten, einer Schnittstelle, über die andere Unternehmen ihre JVMs in die Communicator-Software integrieren können.

Andreessen verkündete, in den nächsten Monaten werde ein Upgrade des Suitespot-Server-Pakets herauskommen. Eine "weitaus größere Ankündigung" versprach er für eines der nächsten Quartale.

Zusätzliche Einnahmen erhofft sich Netscape ferner von der kommerziellen Nutzung der eigenen Web-Seite - noch immer eine der meistbesuchten Adressen im World Wide Web. Dort sollen Kunden vermehrt Anzeigen schalten oder Links integrieren. Auf diesem Wege hatte Netscape 1997 rund 93 Millionen Dollar eingenommen.