EDV an berufsbildenden Schulen:

Anforderungsprofil soll Lehrer unterstützen

01.12.1978

MÜNCHEN - In den vergangenen beiden Jahren hat der Kleincomputer auch in den berufsbildenden Schulen seinen Platz gefunden. Dabei hat sich herausgestellt, daß nur wenige Kollegen - meist Fachlehrer für Mathematik, Physik, Bürowirtschaft und Organisationslehre - damit arbeiten. Die übrigen Kollegen haben wenig Interesse am Einsatz eines Computers im Unterricht. Sie sind sich nicht klar darüber, welche Einsatzgebiete es für einen Rechner in der Schule gibt, welche Anforderungen an ihn gestellt werden müssen und welche Schulungen notwendig sind, damit der Rechner pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden kann. Die Beantwortung dieser Frage trägt vielleicht dazu bei, die Unsicherheit der Lehrer in diesem Bereich zu beseitigen.

Theoretisch gibt es drei Einsatzbereiche des Rechners in der berufsbildenden Schule:

Erstellung von Unterrichtsprogrammen

Kleinrechner sind meistens nicht für die Unterrichtsprogrammierung geeignet, weil dazu ein großer Speicher nötig ist. Außerdem müßte eine Vielzahl von Dialoggeräten anschließbar sein. Der Kleinrechner ist jedoch selbst beim Anschluß einer Floppy-Disk überfordert.

Einsatz im Unterricht selbst

Hier steht ein breites Spektrum von Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung. Die Funktion und Arbeitsweise eines Rechners läßt sich in fast alle Schulfächer sinnvoll einfügen. Der Einsatz im Mathematikunterricht ist selbstverständlich. Auch beim kaufmännischen Rechnen ist er problemlos. Einige Beispiele, die sich in der Schulpraxis bewährt haben:

Berechnung des Endkapitals und der Zinsen zu beliebigem Zinssatz bei variabler Anzahl von Jahren,

- summarische Zinsrechnung,

- Berechnung der Zinstage,

- Kalkulation von Handelswaren,

- Währungsrechnung,

- Darstellung von verschiedenen Abschreibungsmethoden,

- Investitionsrechnung (Diskontierungsmethode, Annuitätenmethode),

- Provisionsabrechnung

- Renditeberechnung bei festverzinslichen Wertpapieren,

- Kredittilgungsplan.

Weitere Programme können beliebig auch aus der Literatur übernommen oder von den Schülern programmiert werden.

Etwas schwieriger ist der Einsatz in der Buchführung, da hier die Probleme wesentlich komplexer sind. Auch hier können einfache Bewegungsvorgänge auf der Bilanz gezeigt oder Betriebübersichten dargestellt werden. In der Betriebswirtschaftslehre können Lagerdispositionen, Rechnungsschreibung sowie die automatische Terminüberwachung der Zahlungen dargestellt werden. Auch Simulationsaufgaben, mit denen strategisches Verhalten geprüft werden kann, sind programmierbar.

Einsatz im Beurteilungs- und Prüfungswesen

Mit einem kleinen optischen Belegleser oder einem Markierungskarten-Leser können in einfacher Form oder mit einer anschließenden Analyse der Aufgaben und Lösungen Korrekturen von Schüleraufgaben durchgeführt werden. Der Einsatz des Rechners als "Korrekturmaschine" dürfte selbst für den Lehrer interessant sein, der sich im Unterricht nicht mit der Datenverarbeitung beschäftigt.

Anforderungen an die Hardware

Der Rechner muß programmgesteuert arbeiten. Das Programm muß dabei über anschließbare Geräte gespeichert und wieder eingegeben werden können.

Außer den vier Grundrechenarten soll der Rechner über ein umfangreiches Befehlsspektrum verfügen.

Mindestens folgende Befehle sollten vorhanden sein: Verzweigung von einem Programmteil zum anderen, Verzweigungen aufgrund von Bedingungen, Übertragungsbefehle innerhalb des Speichers, Befehle zum Arbeiten mit Unterprogrammen, Ausgabebefehle für das Programm, Ein- und Ausgabebefehle zur Steuerung der angeschlossenen Geräte, Befehle zur Ausgabe von Texten und Zahlen in variabler Form.

Besonders bei den zuletzt genannten Befehlen ist darauf zu achten, daß die Datenausgabe, die insbesondere bei kaufmännischen Problemen umfangreich ist, keine Schwierigkeiten in der Programmierung bereitet.

Darüber hinaus sollten die Befehle einzeln verändert werden können. Das Einfügen von Befehlen einschließlich zusätzlicher Sprungbefehle sollte möglich sein.

Beim Testen des Programms sollte der Speicherinhalt sichtbar gemacht werden können. Logische Befehle sollten vorhanden sein. Die Fehlerdiagnostik sollte möglichst umfangreich sein, der Rechner sollte leicht zu bedienen sein.

Anforderungen an die Peripherie

Es muß unbedingt eine Schreibmaschine oder ein Drucker angeschlossen werden können, damit Formulare eingespannt und Durchschläge gemacht werden können.

Der Speicher muß erweiterbar sein.

Die Grundausstattung des Rechners muß beachtet werden. Viele Hersteller bieten nur den Rechner ohne zusätzliche Geräte als Grundausstattung an. Zum Anschluß von Geräten darf kein Umbau notwendig sein.

Anforderungen an die Software

Häufig ist die komplizierte Programmiersprache dafür verantwortlich, daß der Rechner von den Lehrern abgelehnt wird. Daher ist besonders wichtig, daß eine einfache, in drei bis vier Tagen erlernbare Programmiersprache vorhanden ist. Die genannten Programme wurden nach kurzer Einarbeitungszeit (zehn Stunden) von den Schülern selbst erarbeitet. Als Programmiersprache wurde

BASIC verwendet.

Von Vorteil ist, wenn der Hersteller fertige Programme zur Verfügung stellt.

Auch ein Programmaustausch sollte gewährleistet sein. Des weiteren sollte allgemeingültige, nicht herstellerbezogen Literatur über die Programmierung der Rechners vorhanden sein.

Anforderungen an die Schulung

Eine Einführung in die EDV mit anschließenden Programmierübungen reicht nicht aus. Auch "lnformatik-Lehrgänge", die hauptsächlich für allgemeinbildende Gymnasien durchgeführt werden und die mathematische Seite der Datenverarbeitung in den Vordergrund stellen, sollten vermieden werden.

Für das berufsbildende Schulwesen müssen Lehrgänge entwickelt werden, die die spezifischen Belange dieses Schultyps berücksichtigen.

Innerhalb dieser Lehrgänge kann nicht auf die Fachdidaktik verzichtet werden. Die didaktische und methodische Durchdringung der Datenverarbeitung sollte mindestens gleichrangig neben der rein sachlichen Darstellung des Lehrstoffes stehen (Dillinger Modell) Eventuell sollte schon den Referendaren während ihrer Ausbildung eine "Einfürung in die EDV" geboten werden. Modellversuche gibt es bereits.

Nur wenn ökonomische Komponenten mit den Anforderungen an den Rechner und der Schulung des Lehrers übereinstimmen, wird sich der Kleincomputer sinnvoll in den Unterricht integrieren lassen.

*Dipl-HdL. Klaus Jamin ist Professor an der Fachhochschule München.