Europa-Aufträge durch DB-Engagement

Anbieter buhlen um die Gunst der Bahn

01.03.1991

FRANKFURT (hv) - Die Deutsche Bundesbahn wird von den großen DV-Unternehmen heiß umworben. Wer hier dominiert, wird auch beim Aufbau eines europaweiten kooperativen Verkehrs-Managements mitmischen. Wie unterschiedlich die DV-Ansätze der Hersteller sind, um die großen logistischen Probleme der Bahn zu lösen, zeigte eine vom Verkehrsforum Bahn organisierte Podiumsdiskussion.

Wie ein roter Faden zog sich die Frage nach der künftigen DV-Konzeption durch die Diskussion. Kann die Bahn - einschließlich der Reichsbahn künftig ihre heterogene Landschaft von Hard- und Softwaresystemen integrieren, und wie läßt sich ein europa- und weltweites IK-Konzept schaffen, das auch andere Verkehrsträger berücksichtigt?

Die IBM Deutschland GmbH, so zeigte sich schnell, wird sich auch in Zukunft von auf ihre bekannte Linie verlassen: Ein Bundesbahn-weiter Architektur- und Standardisierungsrahmen auf der Basis der Systemanwendungs-Architektur SAA müsse geschaffen werden, so die Vorstellungen des IBM-Generalbevollmächtigten Edmund Hug. Allerdings: "Das Ganze muß in einem heterogenen Umfeld verschiedener Anbieter von Hardware, Software und Dienstleistungen geschehen." Bei einem Unternehmen wie der Deutschen Bundesbahn werde nie und nimmer ein DV-Hersteller allein das Sagen haben.

Dieser Tatsache sei sich die IBM Deutschland GmbH bewußt. Das Betriebssystem Unix werde bei der Vereinheitlichung verschiedener Architekturen eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend sei aber vor allem die Vereinheitlichung der Arbeitsplätze: "Es kann nicht angehen, daß die einzelnen Arbeitsplätze abhängig von der jeweiligen herstellerspezifischen Anwendung gestaltet sind."

Offen statt proprietär war dagegen der Standpunkt, den Götz H. Siebrecht, Geschäftsführer der Unisys Deutschland GmbH, einnahm hier setze sich ein Trend durch, dem die Bundesbahn folgen solle. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand das Betriebssystem Unix, das erstmals die Unabhängigkeit des Anwenders von der Hardware und die Sicherung der Investitionen garantiere. Außerdem gebe es hier ein besonders preiswertes Software-Angebot, denn die meisten Anwendungen würden heute für Unix-Systeme entwickelt.

"Offenheit als Geisteshaltung"

Dem Unix-Commitment Siebrechts widersprach Peter Hess, Projektleiter Logistikberatung bei der Tandem Computers Deutschland GmbH, und leitete damit die altbekannte Diskussion "Unix Versus proprietär" ein: Für die Realisierung einer Logistik-Architektur sei Unix gänzlich ungeeignet. Ein Nachteil sei zum Beispiel, daß der Initial Program Load (IPL) stets vor Ort erfolgen müsse. Zudem gebe es standardmäßig keine vernünftig ausgeteilten Betriebsführungs-Komponenten, und darüber hinaus sei Unix kein transaktionsorientiertes Betriebssystem - Urteile und Vorurteile, die den Hörern sattsam bekannt waren.

Für offene Systeme, aber gegen eine Glorifizierung des Betriebssystems Unix sprachen sich auch Peter Pagé, Mitglied des Vorstandes der Software AG, und Jörg Rieder, Vorsitzender der Geschäftsführung der DEC GmbH, aus. "Es geht darum, offene Systeme zu schaffen und gemeinsamen Standards zu folgen - ob die nun Unix oder anders heißen, spielt keine Rolle", so die Ausführungen Rieders.

"Offenheit als Geisteshaltung", forderte Peter Pagé und meinte damit primär die offene Kooperation verschiedener Partner, die von der Bahn gefördert werden müsse. Die DB sei gut beraten, von einer "Generalunternehmerschaft klassischer Prägung" abzusehen und selbst die Initiative in die Hand zu nehmen, indem sie die verschiedenen Lieferanten zu einer gemeinschaftlichen Lösung auf fordere. Für die DV-Partner der Bahn sei ein "Generalstabsplan sinnvoll, eine Art Orientierungshilfe für die Geschäftspartner.

Hierin sieht auch DEC-Geschäftsführer Rieder eine der wichtigsten Aufgaben der DB für die Zukunft. Die Devise müsse heißen: "Strategie vor Organisation, Organisation vor Technik". Ein unabhängiges logistisches Informationssystem sei zu schaffen.

Satelliten oder ein Systemnetz müßten eingesetzt werden, um Informationen Verkehrsträger-übergreifend genau dorthin zu bringen, wo sie benötigt wurden. Die Technologie, um ein Informationssysteme für Straßenverkehr, Bahn, Luftraum und Wasser zu integrieren, sei bereits vorhanden, es fehle jedoch an Lösungen.

Ein Beispiel für eine solche Verkehrsträger-übergreifende Lösung schilderte Otto-H. Grüneberg, Mitglied des SNI-Vorstandes. Die kanadische Post habe ein System in Betrieb, mit dem eine Zustellung binnen einer Frist von vier Tagen garantiert werden könne. Jede Teilstrecke des Transportes, von der Bahn über die Airlines bis zu den Trucks, werde vollständig überwacht.

Komme es zu einer Verspätung, so müsse sich der Verantwortliche dafür rechtfertigen. In diesem Falle böte eine Reihe von Herstellern Lösungen, die über verschiedene Schnittstellen miteinander verbunden seien. Kommentar Grüneberg: "Man muß es nur wollen!"