Roundtable Analytics Readiness

Analytics - ready for take-off

24.06.2016
Von 
Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
In deutschen Unternehmen schlummert viel Potenzial für Analytics. Die Anbieter sollten nur wissen, welcher Entscheider wann den Weckruf braucht – und welches Beruhigungslied der Sicherheitschef hören will. Erkenntnisse einer Roundtable-Diskussion der COMPUTERWOCHE.

"Was ist zuerst da, die Daten oder der Use Case?" Mit diesem Henne-Ei-Vergleich brachte Matthias Maier von Splunk die Diskussion um Analytic Readyness auf den Punkt. Im Rahmen eines Roundtables der COMPUTERWOCHE diskutierten Mitte Juni acht Experten auf Anbieterseite, wie es um den Reifegrad in Sachen Analytics in deutschen Unternehmen bestellt ist.

Acht Mal Erfahrungen mit Kunden, acht Mal Beobachtungen in Firmen verschiedenster Größen und Branchen - und die Erfahrungen sind durchaus unterschiedlich. Manche Anwenderfirmen können als Vorreiter gelten - ThyssenKrupp zum Beispiel - andere Unternehmen haben sich erst marginal mit dem Thema beschäftigt. Für Laura Schmid von Celonis existiert die Basis für Analytics Readiness bereits in Form der Daten, die tagtäglich in den Unternehmen produziert werden. "Unsere Process Mining Technologie greift direkt die Spuren digitaler Prozesse in den IT-Systemen ab", berichtet sie. Dadurch erhielten viele Unternehmen zum ersten Mal einen realistischen und ganzheitlichen Blick auf die Effizienz tatsächlich ablaufender Prozesse.

Diese Positionsbestimmung ist offenbar wichtig. Auch Thomas Schüle von Oracle durchläuft mit seinen Kunden zunächst einmal ein Assessment, um den Standort des Unternehmens auf der Reise in die Digitalisierung zu bestimmen. Eben da hakt wiederum Splunk-Manager Maier ein: "Ganz oft kommen die Ideen ja erst, wenn man die Daten sichtbar macht!"

IT-Anbieter als Katalysator der Digitalisierung

Eines steht jedenfalls fest: Die Digitalisierung wird ganze Märkte umkrempeln. Darin sind sich die Experten einig. Und das gilt für jede Branche und für Unternehmen jeder Größe. Matthias Müller von SAP erklärt: "Wir müssen den Unternehmen nicht mehr sagen, dass sie sich transformieren müssen, sondern vermitteln, warum und wie." Müller sieht die Anbieter in der Rolle eines Katalysators. Eine These, der die komplette Runde zustimmt.

Um die Wirkung eines Katalysators zünden zu können, muss der Anbieter allerdings wissen, wer sein Ansprechpartner ist. Michael Gerstlauer von Teradata beobachtet hier, dass sich die Kräfteverhältnisse in den Unternehmen verschieben: "Wir waren es lange gewohnt, mit dem CIO zu sprechen. Jetzt müssen wir immer öfter rein ins Business." Neuer Ansprechpartner sei nicht selten der CEO selbst. Was Birte Hildebrandt von SAP bestätigt: "Das C-Level ist oft durch Medien beeinflusst", sagt sie, "die Entscheider gehen dann mit der Frage an die IT-Abteilung, 'ob man eigentlich Big Data mache'." Die Antwort von SAP ist ein Design-Thinking-Workshop. Der findet in einem kreativen Raum statt, in dem die Mitarbeiter der Kunden aus unterschiedlichen Abteilungen kreative Ideen, neue Use Cases und Business-Modelle entwickeln können sollen. Die so gefundenen innovativen Konzepte würden dabei weder durch technische noch durch organisatorische Restriktionen oder Gegebenheiten eingeschränkt.

Analytics muss Teil der Unternehmensstrategie sein

Analytics und schon die Vorbereitungen dafür gestatten tiefe Einblicke in die Unternehmens-DNA und wie die Prozesse wirklich funktionieren. Jürgen Wirtgen von Microsoft stellt fest: "Analytics ist nicht mehr nur Zahlenlieferant, sondern wird zur wichtigen Komponente der Unternehmensstrategie." Eine erfreuliche Entwicklung, die jedoch auch Nebeneffekte hat. Zum Beispiel werde im Netzwerk und bei Branchentreffen nicht mehr so offen über laufende Projekte gesprochen wie noch vor wenigen Jahren. Teradata-Manager Gerstlauer deutet dies indes als Zeichen wachsender Ernsthaftigkeit im Umgang mit Analytics. Oracle-Manager Schüle seufzt: "Aber eigentlich war die das Grundthema der Digitalisierung ja, dass man Wissen teilt…"

Mit wachsendem Ernst - teilweise auch mit einer gewissen Sorge - beobachten die Roundtable-Teilnehmer die Komplexität der Digitalisierung. Dazu sagt Microsoft-Mann Wirtgen: "Viele unserer Hidden Champions und kleineren Unternehmen erkennen die enormen Potenziale der Digitalisierung. Sie haben aber häufig großen Respekt vor den damit verbundenen Projekten." Stichworte sind hier neben der Technologie an sich vor allem die steigenden Anforderungen rund um Sicherheit, Governance und Compliance. Die berechtigten Vorgaben der Sicherheitsverantwortlichen ließen so manches Vorhaben erst gar nicht zu. Und noch etwas spielt eine wichtige Rolle: Viele Unternehmen kooperieren mit mehreren Systemhäusern. Das wächst manchem Entscheider schlichtweg über den Kopf.

Lösungen müssen so einfach wie möglich sein

In puncto Komplexität will Celonis-Managerin Schmid aber auch die eigene Zunft in die Pflicht nehmen. "Wir können ja nicht fordern, dass die Unternehmen Analytics-ready werden sollen, um uns anzuwenden - das ist der falsche Ansatz", betont sie und fährt fort: "Wir müssen die Lösungen so einfach wie möglich machen, diesen Anspruch müssen wir an uns stellen." Oracle-Mann Schüle will sich in diesem Punkt als IT-Enabler positioniert sehen. Wobei SAP-Manager Müller ergänzt, Vendoren brächten gerade auch wertvolles Prozess- und Datenwissen mit zum Kunden.

Ist die Scheu vor der Komplexität von Digitalisierungs- und Transformations-Projekten ein typisch deutsches Problem? Daniel Fallmann von Mindbreeze teilt diese Einschätzung. Er ist viel in den USA und Kanada unterwegs. Seine Beobachtung: "Die Amerikaner sind mental einen Schritt weiter, aber technologisch sind wir in Europa top!" Immerhin einen Lichtblick sehen alle Experten: Das anfänglich sehr hohe Misstrauen der Anwenderunternehmen gegenüber Cloud Computing verebbt allmählich. Während Fallmann seinen Kunden die Wahlfreiheit lässt und sowohl Cloud- als auch Appliance-Lösungen anbietet, sieht es Oracle-Manager Schüle schon als Aufgabe der Vendoren an, den eigenen Kunden auch "zu hinterfragen" und die Vorteile von Cloud Lösungen als wichtigen Bestandteil einer agilen IT-Architektur aufzuzeigen. "Wenn es eine gute Exit-Strategie aus der Cloud gibt", wie Splunk-Manager Maier anfügt.

Tempo und Kreativität aus dem Inkubator

Doch wie bekommt man nun mehr Tempo und mehr Kreativität in die deutschen Unternehmen? Schüle plädiert für den Incubator. Die Idee, Mitarbeiter aus dem Tagesgeschäft herauszunehmen und sie out-of-the-box innovativ arbeiten zu lassen, habe sich bewährt, so der Oracle-Manager. Für Splunk-Mann Maier hat das Ganze vor allem mit Firmenkultur zu tun. Er sieht viel Kreativität in den Fachabteilungen. Allein - die kommt "oben" oft nicht an. Sein Appell deshalb: "Alle diese guten Ideen müssen dokumentiert und dem Management gezeigt werden!" Genau das sei es, was Startups besser machten.

Allzu oft aber stehen diesen Ideen verkrustete Strukturen entgegen. Mehrfach fällt in der Runde das Stichwort vom Silo-Denken. Da könne die Technologie noch so ausgereift sein, die Anwendung dem schönsten Plug-and-Play folgen - Analytic Readyness steht und fällt mit dem Faktor Mensch, so der Tenor in der Diskussion. Die Teilnehmer berichten von Ingenieuren, die seit 20 Jahren auf derselben Stelle im Kundenunternehmen sitzen und dem Anbieter entgegenhalten: "Sie werden also unsere Probleme lösen? Nein. Das werden sie nicht!" Zwar können die Diskussionsteilnehmer in trauter Runde über so etwas lachen. Jeder kann von einer solchen Begegnung erzählen. Doch es zeigt: ob IT-Enabler oder auch Prozess-, Daten- und Firmenkultur-Enabler: Der Anbieter muss den richtigen Ton treffen - IT bleibt People-Business.