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Analysten mahnen Bearingpoint-Kunden zur Vorsicht

19.08.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem Bearingpoint vergangene Woche nach einem schwachen Quartalsergebnis erneut Entlassungen angekündigt hat, mahnen Analysten Kunden des IT-Consulting-Unternehmens zur Vorsicht: Sie sollten ihre Vereinbarungen mit dem angeschlagenen IT-Dienstleister sorgfältig überprüfen, um sicher zu stellen, dass die finanziellen Probleme nicht zu Lasten der Servicequalität gehen. Werden Probleme festgestellt, müssen sie diese sofort Bearingpoint melden und eine sofortige Korrektur fordern.

"Steckt ein Dienstleister finanziell in der Klemme, ist es für CIOs und IT-Verantwortliche angeraten, eine Extraportion Vorsicht und Risiko-Management an den Tag legen, um davon nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden", erklärte Gartner-Analystin Lorrie Scardino. Dies gelte selbst für ein Unternehmen wie Bearingpoint, das in der Branche einen guten Ruf für seine qualitativ hochwertige Arbeit und seine Projekt-Management-Methoden besitzt, so Scardino. Auch Andrew Efstathiou, Analyst der Yankee Group, warnte, Unternehmen sollten vor einem Engagement äußerst vorsichtig agieren.

Das ehemals als KPMG Consulting firmierende Beratungsunternehmen hatte am vergangenen Donnerstag enttäuschende Ergebnisse für sein viertes Geschäftsquartal gemeldet. Wegen der schlechten Geschäftsentwicklung in Europa, dem Mittleren Osten sowie in Afrika erzielte die Company nur einen Nettogewinn von vier Cent pro Aktie bei 774,8 Millionen Dollar Umsatz. Die Analysten hatten laut Umfrage von Thomson First Call im Schnitt ein Plus von 15 Cent je Anteil und Einnahmen von 829,6 Millionen Dollar erwartet. Gleichzeitig revidierte Bearingpoint die Zahlen der ersten drei Fiskalquartale und kündigte zum dritten Mal innerhalb von neun Monaten Entlassungen an. Nachdem in den ersten zwei Monaten dieses Jahres bereits rund 1250 oder sieben Prozent der damals 17.000-köpfigen Belegschaft auf die Straße gesetzt wurden, sollen nun weitere 250 bis 275 Stellen gestrichen werden.

Entlassungen bei IT-Beratern seien für die Kunden besonders heikel, da diese hauptsächlich vom Wissen ihrer Mitarbeiter lebten, so Gartner-Analystin Scardino. Ein weiteres Problem bei Bearingpoint stellten offensichtliche Fehlentscheidungen der Führungsebene dar, die zu dem katastrophalen Ergebnis im Berichtsquartal geführt hatten, fügte ihr Kollege von der Yankee Group hinzu. So konzentriere sich die Company trotz schwacher Nachfrage weiterhin auf die Bereiche Consulting und Systemintegration, anstelle etwa auf Outsourcing-Dienste umzuschwenken, so Efstaniou. Dies habe etwa Accenture getan, um zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Außerdem hinke Bearingpoint der Konkurrenz in Sachen Offshore-Outsourcing hinterher, entsprechend begrenzt sei das gegenwärtige Angebot. Zusätzlich hält der Yankee-Mann dem Unternehmen vor, dass es den Wandel vom Beratungsarm zu einer eigenständigen Company noch nicht vollzogen und Zukäufe der letzten zwei Jahre, unter anderem Teile von Anderson Worldwide, nicht vollständig verdaut habe.

Ob alle Kunden diese Ansicht teilen, ist allerdings fraglich. So schloss die US-Entwicklungsbehörde USAID im Juli mit Bearingpoint einen neun Millionen Dollar schweren Servicevertrag für Aufbaudienste im Irak ab. Carl Whitman, IT-Verantwortlicher der American University, erklärte nach einem kürzlich abgeschlossenen Großprojekt, er würde den Dienstleister sofort wieder verpflichten. (mb)