Analysten diskutieren Vor- und Nachteile neuer Topologien kontrovers DV-Manager und die Hersteller verkaufen Client-Server falsch

05.05.1995

MUENCHEN (CW) - Keine Kosten sparen Anwender beim Einsatz von Client-Server (CS) ein, so das Ergebnis einer Studie der Beratungsgesellschaft Deloitte & Touche (DT). Was der Report aber verschweigt, bringt eine Nachfrage der "Computerworld" bei DV- Managern ans Licht: Wer auf Flexibilitaet und Anwendernaehe der DV Wert legt, kommt an CS nicht vorbei.

Die DT-Berater stellen in ihrem Report fest, durch den Einsatz von CS-Technologien sei es bislang nicht gelungen, die IS-Kosten zu senken. Auch die in Aussicht gestellten kuerzeren Systementwicklungszyklen haetten sich trotz der Zuhilfenahme von CS-Werkzeugen bislang nicht verwirklichen lassen.

Unter Kostenaspekten haben CS-Architekturen offensichtlich also noch einen gewissen Erklaerungsbedarf. Trotzdem setzen Unternehmen der DT-Studie zufolge zunehmend auf CS. Liefen 1993 noch 27 Prozent aller Anwendungen in einer CS-Umgebung, waren es ein Jahr spaeter schon 43 Prozent. Es sei insbesondere bei grossen Unternehmen ein Trend zu immer komplexeren CS-Topologien zu beobachten. Und dies, obwohl die Firmen fuer die Administration solcher IT-Strukturen gar nicht genuegend Experten anheuern koennten.

DT aus New York liess in dem Report mehr als 400 IS-Manager zu Wort kommen. Lediglich 50 Prozent von ihnen haetten sich durch die Nutzung von CS-Tools die erwarteten Vorteile verschaffen koennen.

Der Studie zufolge erkauften sich Unternehmen den Wechsel auf CS- Architekturen mit einem um durchschnittlich 16 Prozent hoeheren DV- Budget: Dies gilt zumindest fuer Firmen, die bereits mehr als 25 Prozent ihrer Applikationen in ausgekluegelte CS-Strukturen eingebracht haben.

Der DT-Report schweigt sich allerdings ueber die vorteilhaften Aspekte der Nutzung von CS-Topologien aus. Kosteneinsparungen oder Zeitvorteile, aeusserten einige von der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" befragte Anwender, seien gar nicht der Grund, weswegen man auf CS-Organisationen ueberwechseln sollte.

Es sei ein grosses Missverstaendnis und ein kapitaler Fehler gewesen, dass sowohl Systemanbieter als auch IS-Verantwortliche den Vorstaenden und Topmanagern in Anwenderunternehmen CS immer mit den falschen Argumenten ans Herz gelegt haetten.

Einen Mehrwert mit dem Einsatz von CS erzielten Anwender, meint etwa Charles Popper von Merck & Co., nicht durch Kosteneinsparungen. Der Qualitaetssprung in der Informationsverarbeitung erwachse Firmen durch die neuen technologischen Moeglichkeiten von CS-Architekturen: Die von den Unternehmen jahrelang angehaeuften Massendaten liessen sich erstmals intelligent aufbereiten, abfragen und damit voellig anders nutzen als bisher.

Zwar warf DT-Analyst Steven Pliskin Hard- und Softwareherstellern vor, sie haetten schoene Umsaetze mit einer Technologie eingefahren, deren Versprechungen noch arg fruehreif waren. Anwender aber haben ihre eigenen Vorstellungen vom Nutzen einer an CS-Strukturen ausgerichteten DV. Dieser lasse sich, so einige befragte DV- Verantwortliche, auf die Forderung nach einem leicht handhabbaren Werkzeug reduzieren . Mit diesem koennten Manager in die riesigen Firmen-Daten-Pools tauchen, um durch intelligente Abfragen Erkenntnisse ueber potentielle neue Maerkte zu gewinnen.

Meinte etwa Hank Leingang, Senior Vice-President und CIO der Viacom Inc.: "CS-Tools versetzen den Anwender in die Lage, ungeordnete Datenbestaende so zu durchforsten, dass schnelle Reports mehr oder weniger aus dem Stand realisierbar sind."

Unwidersprochen ist allerdings ein anderes Problem: Experten zu finden, die CS-Systeme fuer beziehungsweise in Unternehmen bedarfsgerecht planen und implementieren. 79 Prozent aller IS- Manager hatten nach der DT-Studie 1994 ihre liebe Not, technisch versierte Fachleute fuer den Aufbau verteilter Datenbanken zu verpflichten. Ferner fehle es an Koennern, die in der Lage sind, Benutzeroberflaechen fuer CS-Topologien zu entwerfen. Spezialisten fuer die Datenmodellierung finde man auch nicht gerade an jeder Strassenecke.

Eine telefonische Umfrage des Marktforschungsunternehmens Trend Research unter 172 Anwendern offenbarte, dass die entscheidenden Fehler bereits bei den ersten Gehversuchen in Richtung CS gemacht werden (siehe Grafik Seite 35).

Anwender, die ihre DV-Organisation dezentralisieren wollten, kaempften schon von Beginn an mit Schwierigkeiten bei der Abstimmung von neu zu etablierenden Systemen mit bereits bestehenden Strukturen. Auch bei der Ressourcenplanung, bei Fragen der vernuenftigen Reorganisation sowie der funktionalen Auslegung der Netzwerkloesungen gerieten die DV-Strategen immer wieder in unwegsames Gelaende. Ergebnis: Termine verschoben sich, weswegen eine grosse Zahl von CS-Projekten erheblich teurer gerieten als urspruenglich einkalkuliert.

Martin Weinbrenner, Initiator der Studie und Geschaeftsfuehrer der Ettlinger LWP GmbH, erklaert die Malaise unter anderem mit dem fehlendem Know-how der DV-Verantwortlichen bei der Migration auf CS-Topologien. Die Verantwortlichen haetten zu wenig Fachkenntnisse in Fragen anstehender Kommunikationsproblematiken. Netzwerker andererseits liessen wegen ihrer Spezialisierung Fragen aus der Perspektive der Anwender vermissen. Wegen solch grundsaetzlicher Wissensluecken und Maengel konzentrierten sich Anwender in der Einfuehrungsphase von CS zu sehr auf Hard- und Software-Themen. Da seien zukuenftige Probleme programmiert.

Dennoch haelt der Trend zu immer umfassenderen CS-Strukturen in Unternehmen an, vermerkt die Studie der Analysten von Deloitte & Touche. Liefen 1994 erst 14 Prozent aller Applikationen in technologisch anspruchsvolleren CS-Umgebungen, werde sich dieser Anteil innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppeln. Etwas ueberraschend vermerkt die Studie uebrigens kaum einen Ausgabenanstieg fuer Trainingskurse, um Mitarbeiter fuer CS- Technologien fit zu machen.