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Von Hermann Gfaller

ANALYSE: Siemens bahnt sich einen Weg zum globalen IuK-Dienstleister

27.04.1998
Von gfh 
Von Hermann Gfaller

München (COMPUTERWOCHE) - Nach acht unter dem Strich wenig erfolgreichen Jahren wird die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) zum Oktober dieses Jahres zu einem Großteil wieder in den Mutterkonzern Siemens AG eingegliedert.

Kurz die Fakten: SNI bleibt als eigenständiges Unternehmen erhalten, aber nur noch, um den Markt für Kassen- und Handelssysteme zu bedienen. Der Servicebereich SBS wird als IuK Dienstleistungen in die Siemens AG eingegliedert, erhält aber eine eigene Rechtsform und wird um Dienstleistungsaufgaben aus dem Netzwerkbereich erweitert. Voll integriert sind IuK Netze, zu dem die Bereiche Öffentliche Netze (ÖN) und Private Netze (PN) verschmolzen werden. Neu innerhalb von Siemens ist zudem der Bereich IuK Produkte, von dem bislang lediglich klar ist, daß er Endgeräte anbieten soll. Ebenfalls im Zuge der Neustrukturierung zieht sich SNI aus der PC-Produktion zurück, die an Acer verkauft wird. Allerdings wird SNI weiterhin als OEM für den taiwanischen Hersteller auftreten.

ANALYSE

Einst war das Unternehmen angetreten, um die Branche mit moderner Hard- und Software aufzurollen. Damit ist es schon lange vorbei. Längst klebt SNI nur noch ihr Logo auf fremde Rechner, und die Entwicklung eigener Software wurde inzwischen auch fast vollständig aufgegeben.

Nun sucht die Konzern-Mutter ihr IT-Heil dort, wo es auch alle Mitbewerber suchen. Die Devise heißt zum einen Kosten reduzieren, durch Auslagerung nicht oder wenig rentabler Bereiche. Da aber durch Sparen allein niemand reich wird, konzentriert sich das Unternehmen gleichzeitig auf den derzeit als besonders lukrativ geltenden Dienstleistungssektor. Die damit verbundene Umstrukturierung ist in ihrer Wirkung auf all jene abstimmt, denen der Shareholder Value am Herzen liegt. Da fällt kaum mehr auf, daß sich nicht der Siemens-Nixdorf-Werbespruch: „Synergy at Work" bewahrheitet hat, sondern schon eher der Spott vieler Insider, die das Logo mit „unterm Strich nix" kommentierten. Konsequent wäre es jetzt, der SNI AG, die künftig wieder von Paderborn aus Kassensysteme und Geldautomaten verkaufen darf, das S aus dem Firmenkürzel zu streichen.

Doch hinter dem Konzern-Marketing steckt durchaus auch Einsicht in Unternehmennotwendigkeiten. Das Unternehmen will - manche sagen, muß - zum echten Global Player werden, um nicht unterzugehen. Dafür läßt es sich von Spezialisten wie Cisco oder Acer mit Geräten beliefern, die mit aufgeklebten Siemens-Logo immmer noch preisgünstiger sind, als wenn der Münchner Konzern sie selbst produziert hätte. Auf diese Weise wird man zwar nicht der billigste Anbieter am Markt, aber dafür kann der Konzern dann mit Dienstleistungen winken. Daß damit Geschäft zu machen ist, hat SNI bereits auf deutscher und europäischer Ebene bewiesen. Nur international hat es nie geklappt. Hier soll die Siemens-Stärke im Kommunikationsbereich als Zugpferd dienen. Wenn das Konzept der Münchner aufgeht, entsteht tatsächlich der weltweit bislang einzige Dienstleister, der die IT-Dienstleistungen aus eigenem Know-how heraus mit Telekommunikations-Services koppeln

kann. Zweifel am Erfolg gibt es vor allem, weil der Konzern bislang so behördenartig gearbeitet hat, daß deren schwerfällige Mentalität abgefärbt hat - so zumindest die verbreitete Meinung zu Siemens.

Die Zeichen der Zeit hat die Firma auf alle Fälle erkannt und neben der Dienstleistung die Kommunikation ins Zentrum ihrer Strategie gestellt. Damit geht man den klassischen Dienstleistern für einige Zeit aus dem Weg und jagt ihnen doch schon Projekte ab, wo Netze um Professional Services etwa einer SAP-Einführung ergänzt werden müssen. Außerdem dürften sich der ehemalige Ostblock sowie Fernost als Eldorado für die Erneuerung der Telefoninfrastruktur erweisen, sobald sich die dortigen Volkswirtschaften vom Ende des kalten Krieges finanziell ausreichend erholt haben. Dann vermag es sich auszuzahlen, wenn man nicht nur Kabel verlegen und Router installieren, sondern darüber hinaus die gesamte DV-Infrastruktur bis hin zur Telefonabrechnung zur Verfügung stellen kann.

Dabei hilft, daß Kommunikationstechniken immer mehr Software brauchen, im Internet-Zeitalter immer mehr Hardware sowohl für Sprach- als auch für Datentransfer einsetzbar ist und sich auch öffentliche und private Netze technisch immer weniger unterscheiden. Kein Wunder also, daß Siemens darauf spekuliert, daß sich die Kommunikationstechnik für sie als Schlüssel zum globalen Anbieter erweist. Ein Marketing-Anfang ist immerhin schon, daß das nur hierzulande vertraute SNI-Kürzel durch das allerorten bekannte Siemens-Logo ersetzt wird.

gfh