CeBIT '98 Aufspringen auf das Jobkarussel

An der Leine mit dem Bewerbungsschreiben

06.03.1998

Wer am Wochenende die Tageszeitungen aufschlägt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hauptsächlich Datenverarbeiter gesucht werden. Die Zahlen sprechen für sich: Im vergangenen Jahr zählten die Statistiker des EMC Medienservice in Hamburg über 66000 IT-Jobs. Rechnet man die Gebiete Multimedia, CAD/ CAM und DTP dazu, ergibt dies eine Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 50 Prozent - und das bei fast fünf Millionen gemeldeten Arbeitslosen.

Am meisten suchen die Unternehmen, die auf der CeBIT vertreten sind, also Beratungs- und Softwarehäuser. Anfang der 90er Jahre machte der Anteil dieser Branche am IT-Stellenmarkt etwa 20 Prozent aus, jetzt klettert er langsam aber sicher Richtung 50 Prozent. Auch hier reicht ein Blick auf die Stellenangebote, um einen Grund für diese Entwicklung zu finden. Immer mehr klassische IT-Abteilungen werden ausgegliedert, operieren mehr oder weniger selbständig am Markt und bezeichnen sich als IT-Dienstleister.

Je nachdem wie sich die Konjunktur und dementsprechend der Personalbedarf entwickeln, engagieren sich die "CeBIT-Firmen". Anfang der 90er lief es gut, dann folgte die Krise, in der auch an der Leine keine Jobs mehr zu holen waren. Und nun ist wieder der Bär los.

Gleich in Halle 1 hat IBM einen Extrastand für Einsteiger und wechselwillige Mitarbeiter eingerichtet. Der Computerriese stellt Mitarbeiter für das Servicegeschäft, in erster Linie Berater und Projektleiter, ein. Als Consultants nehmen die Stuttgarter auch Einsteiger, allerdings sollten sie Praktika vorweisen können und in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, also Flexibilität gezeigt haben. IBM-Sprecherin Hilge Timm ist sicher, daß sich bei ihrem Arbeitgeber niemand langweilt, denn bevor jemand an seine Grenzen stoße, "wartet schon das nächste Großprojekt" (Halle 1, Stand 5G2).

Wer wenig Zeit hat, nimmt sich gleich die Hallen 2 und 3 mit den großen Softwarefirmen vor. SAP hat bereits angekündigt, in diesem Jahr allein in der Bundesrepublik 1500 bis 2000 Mitarbeiter einzustellen. Da nutzt das Unternehmen auch so eine Großveranstaltung wie die CeBIT, um Mitarbeiter zu rekrutieren. Bei Personal-Manager Hartmut Hillebrand und seinen Mitarbeitern können sich Hochschulabsolventen der unterschiedlichsten technischen und betriebswirtschaftlichen Studiengänge melden, wenn sie eine Affinität zur Informatik haben. Da sich sein Unternehmen zunehmend auf Branchenlösungen spezialisiert, sind ihm Mitarbeiter mit entsprechendem Know-how am meisten willkommen.

Für umsteigewillige Profis hat SAP außerhalb des Messestands Räumlichkeiten angemietet, um vertrauliche Gespräche führen zu können, wie Hillebrand betont. Er glaubt nicht, daß er viel Überzeugungsarbeit leisten muß, um die Attraktivität seines Arbeitgebers hervorzuheben. "Als Marktführer, der Standards setzt, haben wir weltweite Aufgaben zu vergeben." SAP ist stolz auf seine "unkonventionelle" Unternehmenskultur. Karriere werde als "Übernahme von Aufgaben und Verantwortung" definiert (Halle 2, Stand C02).

Bei weitem nicht so klotzen kann das einst größte deutsche Softwarehaus, die Software AG aus Darmstadt. Immerhin kann Personalentwickler Rainer Fritsch zusätzlich 50 Mitarbeiter einstellen. Er braucht Experten für die Technologieberatung und Projektabwicklung. Gut im Geschäft seien die Hessen mit Produkten zur Jahr-2000-Umstellung und zum Euro. Fritsch macht mit den Kandidaten Termine aus, so daß alle halbe Stunde einer drankommt: "Dieses Vorgehen hat sich bewährt." Die Profis dagegen rufen bereits vor der CeBIT an und ersuchen um ein Gespräch (Halle 3, Stand C33).

Eine sogenannte Bewerber-Hotline hat Volker Jansen von Softlab eingerichtet. In allen Stellenanzeigen, die der Personal-Manager vor der CeBIT schaltet, steht eine Telefonnummer, unter der Interessenten Termine für Hannover ausmachen können. Das Münchner Systemhaus hat in den vergangenen 14 Monaten mehr als 200 Mitarbeiter eingestellt und bis Ende des Jahres sollen es noch mal 150 werden. Melden können sich zum einen erfahrene Berater und Projekt-Manager, aber auch Einsteiger. Im Consulting-Bereich wünscht sich die BMW-Tochter Mitarbeiter mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung, die ein technologisches Thema beherrschen wie Internet/Intranet, oder Projektprofis, die im Umgang mit Großprojekten versiert sind. Wichtigste Voraussetzung für alle Kandidaten: Das Arbeiten mit Kunden sollte ihnen Spaß machen. Das Unternehmen lebe eine Projektkultur, in der jeder relativ schnell Verantwortung übernehmen könne.

Für den Softlab-Personaler ist das Computerjahresereignis an der Leine "die größte Kontakt- und Jobbörse", die es gut zu nutzen gilt. Im vergangenen Jahr stellte Jansen aufgrund der Bewerbungsgespräche auf der Messe 20 Mitarbeiter ein: "Ein sehr gutes Ergebnis, das wir dieses Jahr verbessern wollen" (Halle 3, Stand C30).

Auch für Anne Dörrhöfer ist die CeBIT das "ideale Forum, um DV-Interessierte und DV-Erfahrene kennenzulernen" und das eigene Unternehmen als "potentiellen Arbeitgeber zu positionieren". Die Human-Resource-Verantwortliche bei SAS Institute ist sowohl an Fachspezialisten als auch an Consultants und Vertriebsbeschäftigten interessiert. Sie setzt große Erwartungen in die Gespräche auf der Messe. Es sei im Moment allerdings schwierig, so Dörrhöfer, Mitarbeiter zu finden, die zu einem Wechsel bereit sind.

Auf änderungsbereite Profis hofft auch Sun-Personaler Michael Wagenknecht. "Von der Konkurrenz kommen sie dann, wenn es der schlechter geht", hat er beobachtet. Auf der CeBIT hält Wagenknecht weniger Ausschau nach Einsteigern ("Die bekomme ich auch so"), sondern eher nach gestandenen Beratern, Unix-Experten und Projektleitern.

Bis zum Ende des Geschäftsjahrs zum 30. Juni 1998 will der Münchner Manager 150 Beschäftigte zusätzlich an Bord haben. Er geht davon aus, daß sein Unternehmen als Technologie- und Marktführer bei einigen Produkten attraktiv genug ist, um interessante Bewerber an den Stand zu locken (Halle 1, Stand 8A2).

Aber nicht nur die Großen halten Ausschau nach Mitarbeitern. Auch die Kleinen, oder in der heutigen Zeit vielleicht besser gesagt, die vermeintlich Kleinen, stellen ein. Intershop, der Shooting-Star im Electronic-Commerce-Geschäft und eines der Vorzeigeunternehmen im Osten der Republik, möchte sich gleich mit 100 Entwicklern verstärken. Davon sollten, so die Vorstellung des Personalchefs Walter Kiehne, ein Fünftel Profis, der große Rest Einsteiger sein. Von letzteren erwartet er, daß sie "im Studium zusätzlich was getan haben", wobei er damit nicht Taxifahren oder Kellnern meint. Idealerweise hofft er auf Kenntnisse in objektorientierter Programmierung, Java- und Datenbank-Know-how. Daß die Jungen noch alle eingearbeitet werden müssen, "nehmen wir in Kauf".

Um den Kandidaten den Einstieg schmackhaft zu machen, ist jeder Mitarbeiter über Aktienoptionen am Unternehmen beteiligt, betont Kiehne. Als weitere Argumente nennt er das interessante technologische Umfeld, die weltweite Präsenz und die gute Atmosphäre eines jungen Unternehmens (Halle 6, Stand C19).

Ein interessantes technologisches Umfeld bietet auch Visigenic Software aus Bad Homburg. Das auf objektorientierte Anwendungen spezialisierte Unternehmen sucht technische Berater und Vertriebsleute, wobei bei den Softwerkern Know-how zu C++, Java und Corba/DCOM-Architekturen im Vordergrund stehen sollten. "Ich habe Schwierigkeiten, genügend neue Mitarbeiter zu finden", klagt Visigenic-Geschäftsführer Hans-Joachim Heins, und das obwohl "wir attraktive Jobs bieten". Wer ihm also aus der Klemme helfen will, kann ihn in Halle 3, Stand B17 bei Borland besuchen.

Alle befragten Personaler sind der Meinung, daß eine Kurzbewerbung ausreicht, "damit wir etwas in der Hand haben". Dieses Papier, das nicht umfangreicher als eine Seite sein sollte, beinhaltet nach den Vorstellungen der Einsteller Berufserfahrung, Tätigkeiten und das Know-how. Diese seien oft wichtiger als ein vor vielen Jahren erworbenes Diplom.

Rundgang Personal

Seit Jahren schreiben CW-Redakteure aus den technischen Ressorts zur CeBIT und zur Systems sogenannte Messe-Rundgänge. Vorgestellt werden dabei bestimmte Produkte mit Angabe der Messestände, um den Lesern, wenn sie sich für einen bestimmten Schwerpunkt entschieden haben, die Auswahl zu erleichtern. Zum ersten Mal kommt nun ein Rundgang zum Thema Personal hinzu. Das Wichtigste: Er kann nur exemplarisch aufzeigen, welche Firmen in Hannover Mitarbeiter einstellen wollen. Alle zu nennen, würde den Rahmen der Berichterstattung sprengen, denn auf der Suche sind sehr viele.