Amerikanischer Samurai

13.04.1990

Motorola gilt als der große Verlierer der ersten Runde im Patentstreit mit Hitachi: ein Patent verloren, der gegenwärtige und der künftige Star ihrer Prozessorreihe von einem Produktionsverbot bedroht - das geht an die Substanz, auch wenn das Brot-und-Butter-Geschäft der Amerikaner davon nicht betroffen ist. Der Schock sitzt tief in Cupertino. Doch auch die Japaner können sich über ihren Sieg nicht so recht freuen. Liebend gerne würden sie die Angelegenheit so schnell wie möglich beilegen. "Ein richtiger Konkurrenzkampf auf dem Markt wäre uns lieber", beteuert Hajime Yasuda, General Manager von Hitachis Halbleiter-Entwicklungszentrum.

Denn abgesehen von den finanziellen Folgen des Streits drohen beiden empfindliche Image-Schäden: Der Ruf bei den Kunden, ein zuverlässiger Lieferant zu sein, ist in Gefahr. Nicht nur das - bei manchen geht es um einiges mehr: Apple etwa könnte seinen Betrieb dichtmachen, wenn es keinen 68030 mehr gäbe.

Der Fall zeigt wieder einmal, wie sehr heute in der Computerindustrie jeder von jedem abhängig ist. Auch wenn manche es noch immer nicht wahrhaben wollen: Ohne die Ideen, Konzepte und Erfindungen der anderen läßt sich kein neues, zumindest kein konkurrenzfähiges Produkt mehr entwickeln. Dafür zu sorgen, daß die entsprechenden Rechte vorliegen, gehört zu den Aufgaben eines Herstellers. Wer hier schludert und seine Kunden damit in die Klemme bringt, wird bald selbst in der Klemme sitzen.

Auch wer versucht, eventuelle Konkurrenten technisch auszuhungern, könnte am Ende selbst verhungern. Sollte Motorola tatsächlich auf einem endgültigen Aus für den Hitachi-Chip bestehen und allenfalls bereit sein, über die Länge der Galgenfrist zu verhandeln, hieße das, dem verzeihlichen ersten Fehler jetzt den unverzeihlichen zweiten folgen zu lassen. Ein solcher Versuch des "amerikanischen Samurais" (Business Week), den Streit - auf dem Rücken der eigenen Kunden - bis zum bitteren Ende auszufechten, könnte leicht als Kamikaze-Unternehmen enden.