Memories Inc. soll Japans Dominanz auf dem Speichermarkt brechen:

Amerikanische DV-Größen gründen Chip-Verein

30.06.1989

WASHINGTON (bk] - Im Halbleiter-Wettstreit mit den Japanern fährt die USA ein neues Geschütz auf: Drei DV-Hersteller - unter ihnen die IBM - und vier Chip-Produzenten planen ein gemeinsames Unternehmen zur Herstellung von DRAM-Chips. Damit wollen sie ein Stück vom Speicherchip-Kuchen zurückerobern und die weltweite Vormachtstellung der Japaner brechen.

Die Entscheidung der sieben US-Unternehmen gab jetzt der amerikanische Halbleiterverband, die Semiconductor Industry Association (SIA), bekannt. Danach werden die IBM, Digital Equipment, Hewlett-Packard, Intel, National Semiconductor, Advanced Micro Devices und LSI Logic gemeinsam die "US Menories Inc." ins Leben rufen. Ziel ist die Massenproduktion von dynamischen Speichern (DRAMs), um dadurch die Abhängigkeit der US-Elektronikindustrie von den japanischen Halbleiter-Herstellern zu reduzieren. Der Kapitalbedarf des Ventures, der auf rund eine Milliarde Dollar geschätzt wird, soll zur Hälfte von den beteiligten Unternehmen, der Rest über Kredite finanziert werden. Zum President und Chief Executive Officer wurde IBM-Vice-President Sanford L. Kane ernannt .

Dieses Venture ist ein ganz neuer Weg der amerikanischen Industrie, an die Japaner verlorenes Halbleiter-Terrain zurückzuerobern. Nachdem das Gerangel um Marktanteile im Speicherchip-Sektor jahrelang auf politischer Ebene stattgefunden hat und auch die verhängten Sanktionen gegen die Japaner den amerikanischen Chip-Produzenten nicht mehr Absatzerfolge bescherten, scheinen sich diese nun auf alte Tugenden zu besinnen und den Wettstreit wieder in die Labors zu verlegen.

Dies ist für die amerikanische Industrie nötiger denn je. Im vergangenen Jahr nämlich erreichte die Abhärugigkeit der US-Elektronikkonzerne von japanischen Halbleiterproduzenten ihren Höhepunkt. Aufgrund eines unerwarteten Nachfragebooms nach 256-Kilobit- und Ein-Megabit-Chips seitens der amerikanischen Unternehmen kam es in den USA zu einem wahren Chip-Notstand.Zahlreiche Computer-Hersteller mußten daraufhin ihre Produktion einschränken. Grund: Die Japaner dürfen aufgrund der Anti-Dumping-Bestimmungen - verhängt durch die US-Regierung - nur begrenzt dynamische Speicherchips ausführen, die mittlerweile auf ein Minimum geschrumpften inländischen DRAM-Hersteller indes kamen mit der Produktion nicht nach.

Die US-Elektronikbranche begrüßt denn auch die Entscheidung der sieben DV-Größen. "Es ist lebenswichtig, daß wir in der Chip-Beschaffung nicht ausschließlich auf ausländische Anbieter angewiesen sind. Vor allem aber wollen wir nicht noch einmal solche Probleme wie mit der Chip-Knappheit erleben", erklärte Richard Iverson, President der American Electronics Association. Zudem könne es nicht angehen, daß im Speicherchip-Geschäft, das jahrelang von den Amerikanern dominiert worden sei, nur noch zwei US-Hersteller aktiv seien.

Bevor jedoch die US Memories lnc. aktiv werden kann, müssen die amerikanischen Kartellwächter für das Venture grünes Licht erteilen. Doch Washington scheint dem Halbleiter-Vorhaben wohlgesonnen zu sein.

Die Japaner reagierten gelassen

Die amerikanische Handelsbeauftragte Carla Hills erklärte, dieser Vorstoß der beteiligten Unternehmen zeige die Bereitschaft der amerikanischen Industrie, "einfallsreich und entschlossen zu handeln, wenn sie sicher sein könne, daß ihre Bemühungen nicht durch unfaire Handelspraktiken untergraben würden".

Sogar amerikanische DRAM-Größen wie Texas Instruments heißen die Speicherchip-Offensive gut. Ein Tl-Sprecher: "Die amerikanische Elektronikindustrie braucht ein stärkeres DRAM-Angebot von heimischen Herstellern."

Die japanischen Chip-Kontrahenten reagierten auf das amerikanische Chip-Bündnis mit Gelassenheit. Während die einen mit asiatischer Höflichkeit den "neuen Wettbewerber" willkommen hießen, schüttelten andere nur den Kopf über das Vorhaben: zu spät. So verlautete von einem MITI-Offiziellen: "Wir begrüßen diese Art von Wettkampf. Denn wir wollen nicht, daß die US-Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert." Ein Hitachi-Sprecher hingegen erklärte: "Das Engagement der Amerikaner kommt viel zu spät. Die Chips, deren Fertigung sich die US Memories Inc. zum Ziel gesetzt hat, produzieren die japanischen Hersteller doch bereits in hohem Maße."

Die Japaner kontrollieren derzeit 90 Prozent des Weltmarkts für Ein Megabit-DRAMs. Frühestens in drei bis vier Jahren könnte die US Memories Inc. einen Anteil von fünf Prozent an dem 8-Milliarden-DRAM-Markt erreichen - "wenn sie die richtigen Karten spielen", so Daniel Klesken, Analyst bei Montgomery Securities. Auch im Vier-Megabit-Chip-Bereich sind die Japaner weit voraus. Während von der neuen Halbleiter-Gesellschaft hohe Produktionsraten dieser neuen Generation nicht vor 1991 erwartet werden, will der japanische Elektrogigant NEC schon ab September rund 20000 Stück im Monat ausliefern.