Allianz der Online-Riesen

Amazon und AOL rücken zusammen

03.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Im Zuge eines umfassenden Marketing-Abkommens hat der weltweit größte Online-Handel Amazon.com eine Finanzspritze von 100 Millionen Dollar von AOL Time Warner erhalten. Amazon gab die Kooperation zeitgleich mit einer Umsatzwarnung bekannt.

Amazon verpflichtet sich in dem Abkommen, AOL zu seinem exklusiven Internet-Service-Provider (ISP) zu benennen. Außerdem sollen AOL-Kunden in den Genuss einer Reihe von Amazon-Diensten kommen. Dazu zählen unter anderem Such- und Personalisierungs-Technik sowie Produktvergleiche und -Ratings. Bis Ende kommenden Jahres sollen außerdem Amazons Einkaufs-Tools mit den Shop@AOL-Einrichtungen kombiniert werden, die zurzeit überarbeitet werden.

Darüber hinaus sind demnächst bei Amazon neben dem üblichen Produktspektrum von Büchern, CDs, Videos und Consumer-Elektronik auch Produkte und Services von AOL zu finden. Voraussichtlich werden die Partner zudem eine Alternative zu Microsofts Authentifizierungsdienst "Passport" entwickeln, mit dem sich Surfer identifizieren und Transaktionen im Netz sicherer gestalten können sollen.

AOL hat sich im Rahmen der Übereinkunft zum Kauf von Amazon-Aktien im Wert von 100 Millionen Dollar verpflichtet. Der Konzern zahlt entweder 15,282 Dollar pro Aktie oder einen geringeren Betrag, falls sich ein solcher aus dem Durchschnittwert der Schlusskurse vom 24. bis zum 30. Juli 2001 errechnet. Damit liegt die Beteiligung bei rund zwei Prozent. Nach Angaben eines Sprechers plant der Medienkonzern nicht, seinen Anteil an Amazon in den nächsten Jahren auf mehr als fünf Prozent zu erhöhen. Allerdings ist es AOL formal erlaubt, in aller Stille eine freundliche Übernahme einzuleiten, wenn das Amazon-Board dem Ansinnen zustimmt.

Bereits seit 1997 sind die beiden Companies Werbepartner. Dabei zahlte Amazon über Jahre hinweg Millionenbeträge an den Online-Dienst, um dort seine Site anzupreisen. Ähnliche Marketing-Verträge unterhält AOL mit einer Vielzahl von Internet-Shops und Medienkonzernen, die auf dem Online-Dienst oder einer der untergeordneten Plattformen wie Netscape, Compuserve oder ICQ werben möchten. Immerhin verfügt AOL inzwischen über 30 Millionen Kunden, die sich - im Gegensatz zur Klientel anderer ISPs wie etwa T-Online - überdurchschnittlich lange mit den angebotenen Inhalten beschäftigen.

Amazon zählt derzeit zu den am schärfsten beobachteten Unternehmen an der Wallstreet. Analysten rätseln noch immer, ob das Geschäftsmodell des reinen Online-Handels auf Dauer trägt und Amazon wie angekündigt im vierten Quartal dieses Jahres erstmals einen Pro-forma-Gewinn meldet. Vor diesem Hintergrund sind die Geschäftszahlen des zweiten Quartals wichtige Indikatoren.

Das Unternehmen aus Seattle schrieb in den abgelaufenen drei Monaten einen operativen Pro-forma-Verlust von 58 Millionen Dollar oder 16 Cent je Aktie und übertraf damit deutlich die Erwartungen der Wallstreet von 22 Cent je Anteil. Im Jahr zuvor hatte Amazon noch ein Defizit von 116 Millionen Dollar oder 33 Cent je Aktie ausgewiesen.

Einschließlich aller Sonderaufwendungen belief sich das Nettoergebnis jedoch auf minus 168 Millionen Dollar oder 47 Cent je Aktie; im Vorjahr waren es minus 317 Millionen Dollar oder 91 Cent je Anteil. Beobachter schließen aus den Zahlen, dass Amazon seine Kosten nach heftigen Restrukturierungsbemühungen allmählich in den Griff bekommt.

Allerdings sind nun die Umsatzzahlen enttäuschend. Der Online-Händler nahm mit 668 Millionen Dollar 16 Prozent mehr ein als im Vorjahr und erreichte damit weder die von Analysten erwartete Spanne von 675 bis 685 Millionen Dollar noch die 700 Millionen Dollar, die im vorhergehenden Quartal eingenommen worden waren. Vor allem im angestammten Geschäft mit Büchern, Musik und Videos blieb Amazon hinter den Erwartungen zurück.

Sein ursprüngliches Ziel, im Jahr 2001 ein Wachstum von 20 bis 30 Prozent zu erreichen, hat Amazon inzwischen revidiert. Nun rechnet Unternehmensgründer Jeffrey Bezos nur noch mit einer elf- bis 16-prozentigen Steigerung der Einnahmen. Analysten schließen daraus, dass der Internet-Händler vor einer schwierigen zweiten Jahreshälfte steht. Trotzdem geht das Unternehmen noch davon aus, im vierten Quartal schwarze Zahlen zu schreiben.