Marktforscher

Amazon oder IBM - wer regiert die Cloud?

08.01.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Rechenleitung und Speicher aus der Cloud sind en vogue. Neben Amazon und Google drängen auch klassische IT-Lieferanten wie IBM und T-Systems in den Markt. Wir haben Analysten nach den Trends gefragt.
Foto: PAC

Stephan Kaiser (PAC): Flexible Delivery-Modelle werden im Jahr 2010 weiter an Bedeutung gewinnen. Die Nuancierungsmöglichkeiten bei der Ausgestaltung einer Cloud-Strategie sind vielfältig, und die Anwender haben verschiedene Möglichkeiten, bei den Providern Angebote auszuwählen - sei es von hoch standardisierten, aber dedizierten Plattformen in einem extern betriebenen Rechenzentrum bis hin zur vollständigen Cloud-Lösung in verteilten Systemen. Das wichtigste Auswahlkriterium bleibt die Flexibilität in den geschlossenen Verträgen, sprich kundenfreundliche Regelungen über Mindestlaufzeiten und -abnahmemengen. Hier haben die Provider im Jahr 2009 einiges nachgebessert, was aus unserer Sicht für 2010 auch weitere Wachstumsimpulse bringen wird. Das Thema Security wird Zweifler aber weiter zurückhalten. Darauf sollten Antworten sowohl von den Anbietern als auch vom Gesetzgeber (auf deutscher und europäischer Ebene) formuliert werden.

Frank Sempert (Saugatuck): Europa steht hinsichtlich Cloud Computing an der Spitze der Entwicklung. Ende 2010 wird rund ein Drittel der europäischen Unternehmen Cloud-Infrastrukturservices täglich nutzen. 15 bis 20 Prozent setzen bereits Cloud-Dienste für Anwendungsentwicklung und Tests, High-Performance-Computing und Batch-Auswertungen ein und werden für zukünftige Anwender Beispiele sowie Best Practices liefern. Die Cloud-Adaption in USA and anderen Regionen wird auf unterschiedlichen Wegen abfolgen, je nach den bestimmenden kulturellen Einstellungen und Geschäfts-Praktiken. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Executives großer Unternehmen Cloud Services für Storage sowie Dokumenten- und Daten-Abfragen fordern oder bereits nutzen. Daher werden solche Firmen nach unserer Meinung die Rangliste der Cloud-Anbieter anführen, die derartige Services anbieten, zum Beispiel Amazon.com, EMC, NetApp, OpSource, und Rackspace.

Tom Meyer (IDC): Wie im letzten Jahr erwarten wir, dass die Bereiche Collaboration (Webconferencing, Wikis) und persönliche Applikationen (Word Processing, E-Mail, Kalender) weiterhin den Cloud-Trend anführen werden. Server wie auch Storage, Networking und Capacity on Demand werden dagegen konservativer behandelt. Allerdings hängt das auch stark mit der Effizienz des eigenen Rechenzentrums zusammen: Bei ineffizienten RZs kann durch den Zukauf oder die Umlagerung auf Cloud-Services schnell viel Effizienz geschaffen werden. Bereits sehr effiziente RZs kosten dagegen weniger als Cloud-Services - sowohl kurzfristig als auch langfristig.

Stefan Ried (Forrester): 2010 werden drei Kategorien von Infrastructure-as-a-Service, einer Form von Cloud Computing, von Bedeutung sein. Dabei wird allerdings kein Angebot über das andere dominieren, und es wird in allen Modellen Marktführer geben. Die erste Variante ist die Public Cloud-Infrastruktur, wie "EC2" von Amazon.com, die tausende verschiedene Firmen auf einer Infrastruktur vereint. Die zweite sind private Cloud-Tools, die es Rechenzentrumsbetreibern ermöglichen, ihre eigenen Rechenzentren wie eine Cloud zu betreiben. Hier sind auch Virtualisierungs-Tools enthalten. In diesem Modell, das man aber nicht mit einem Service-Markt verwechseln darf, ist IBM sehr stark. Die dritte Variante ist die virtuelle Private Cloud-Infrastruktur, da hier alle Vorteile von öffentlichen Clouds mit den Vorzügen privater Rechenzentren vereinigt werden. In diesem Bereich sind Fujitsu und T-Systems positioniert.

Foto: Techconsult

Frank Heuer (Techconsult): Amazon.com ist zwar mit seiner Elastic Compute Cloud (EC2) der Pionier für Cloud-Server, aber im Business-Markt werden sich vor allem Anbieter wie T-Systems (Dynamic Services), Fujitsu mit seinen Partnern (Infrastructure as a Service) und IBM durchsetzen. Vor allem größere Unternehmen wollen mit Partnern zusammenarbeiten, die eine umfassende Kompetenz im IT-Service und Infrastruktursegment vorweisen können. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich die Business-Anwender weniger für reine Cloud-Lösungen als für mit der On-Premise-IT-Landschaft verzahnte integrierte Lösungen interessieren.

Foto: Qitera

Carlo Velten (Experton Group): Amazon.com ist der klare Markt- und Meinungsführer in diesem Bereich. Zu beachten ist aber, dass es sich bei den Amazon.com-Rechenzentren und dem Delivery Modell um eine sehr spezielle Form handelt - nicht vergleichbar mit herkömmlichen Rechenzentren - und darum auch von traditionellen Anbietern von Datacenter-Services nur schwer zu kopieren ist. In diese Gruppe der "New Data Center" gehören Google, Yahoo, Microsoft - aber auch kleinere, spezialisierte Anbieter und Start-Ups. Mit den - sehr erfolgreichen - Dynamic Services von T-Sytems ist dies nur begrenzt vergleichbar. Das Thema "Infrastructure-as-a-Service" beziehungsweise "Platform-as-a-Service" adressiert T-Systems sicher eher durch die Akquisition von Strato. Sehr spannend ist, dass IBM einen Großteil seines Technologie-Stacks über die Amazon-Cloud vertreibt (über AMI - Amazon Machine Images) und auch ein Großteil des Microsoft-Stacks bei Amazon läuft. Das heißt nämlich, dass sich sehr wohl traditionelle Workloads in die Cloud verlagern lassen. Fujitsu hat zwar angekündigt, ein 14.000 qm Rechenzentrum in Augsburg zu erstellen, der dazugehörige Business Case ist uns aber bisher nicht klar. Cloud-Services und -Ressourcen sind definitiv ein nachhaltiger Zukunftstrend. Aus Anwendersicht sind die aktuellen Angebote aber noch zu unreif für einen großflächigen Einsatz. Anbieter sollten genau prüfen, ob sie in diesem Markt tatsächlich konkurrenzfähig sein können.

Rüdiger Spies (IDC): Die Cloud-Angebote werden weiter wachsen und die Unternehmen werden weitere Dienste aus der Cloud beziehen. Ich denke, dass je mehr eine Angebot als eine IT-Commodity gilt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass solch eine Dienstleistung über das Internet bezogen wird.