Öffentliche Funknetze: Von der Mikro-Welle zum Hype und wieder zurück

Am WLAN-Hotspot die Finger verbrannt

02.07.2004
MÜNCHEN (ajf) - Von der Euphorie über den öffentlichen Internet-Zugang per Funk (Wireless LAN oder WLAN) ist kaum noch etwas zu spüren - die Anbieter haben es nicht verstanden, sinnvolle Geschäftsmodelle zu entwickeln. Nun kreist der erste Pleitegeier über der Hotspot-Szene.

Im Frühjahr des Jahres 2004 ging zwar kein Ruck durch Deutschland, doch zumindest durchströmte eine gewaltige Welle die Republik - das Land werde ein einziger Hotspot, lautete das Ziel der interessierten Marketiers. Jederzeit und überall kabellos im Internet zu surfen war nicht nur technisch machbar, sondern im Grunde genommen überfällig. Flächendeckend sollte das Land mit einem Netz öffentlicher WLAN-Access-Points überzogen werden, damit die Deutschen ihren Mobilitätsdrang ungestört ausleben können. Die Welle spülte über einen Markt, der lange Zeit verzweifelt auf frisches Wasser gewartet hatte.

Wachstum, Wachstum, Wachstum

Die genaue Zahl der hierzulande aktiven öffentlichen Hotspots ist nicht bekannt - Anbieter und Marktforscher überbieten sich mit diffusen Näherungswerten. "Einige tausend" sollen es schon sein, und 2005 bereits "einige zehntausend". Generell gilt eine Faustregel: Provider, die mehr Zugangspunkte zum Internet vermelden können, sind vermeintlich wichtiger, erfolgreicher und besser gerüstet für die Zukunft. Nachgeprüft werden die Zahlen selten, schließlich dient das verkündete Wachstum dazu, die gesamte WLAN-Szene zu beflügeln.

Meist werden die Statistiken verfälscht, weil stillschweigend die Hotspots aller Roaming-Partner zum eigenen Angebot hinzugezählt werden. Zudem stellen viele Anbieter nicht nur die verfügbaren, sondern auch die geplanten Funknetze - "unter Vertrag" - in die einschlägigen Online-Datenbanken ein, erklärt Markus Schaffrin, WLAN-Experte im Internet-Verband Eco. Ein Extrembeispiel: Laut "Wi-Fi Networking News" hat der US-amerikanische Provider GoRemote im New Yorker "Warwick"-Hotel insgesamt 37 Access-Points zur Versorgung der Zimmer als 37 Hotspots in seine Gesamtkalkulation übernommen; der Flughafen Seattle-Tacoma weist demnach 26 Hotspots aus.

Hype-Hochburg Hannover

Den Höhepunkt der deutschen WLAN-Welle bildete erneut die CeBIT. Absichtserklärungen der Anbieter hatten, wie auch schon 2003, Hochkonjunktur. Der Zeitpunkt erklärt sich daher, dass sich die Mobilfunkbetreiber im vergangenen März anschickten, ihre teuren UMTS-Netze vor der Öffentlichkeit auszubreiten. Die Storys aus Hannover liefen in der Regel nur in eine Richtung: UMTS (teuer, schon veraltet) dürfte angesichts von WLANs (billig, immer noch neu) kaum eine Chance auf Erfolg haben - die Lücken in der Argumentation der Wireless-Fans fielen dabei selten ins Gewicht.

Seit April hat sich jedoch die Public-WLAN-Euphorie schlagartig gelegt, und die Gesetze des Marktes gelten wieder. Öffentliche Funknetze hält man plötzlich wieder für zu teuer, zu unsicher und zu umständlich. Welcher Jugendliche leistet sich für 400 Euro einen funkbereiten PDA, um an der Tankstelle im Web zu surfen? Welcher Geschäftsreisende bootet sein Notebook, um zu "Chai Tea Latte" oder "Happy Meal" die E-Mails zu checken? Klappt die VPN-Anbindung über den Hotspot auch in der Flughafen-Lounge, oder nur in der Theorie? Wie so häufig spielte die Zielgruppe in den Überlegungen der IT-Anbieter und Dienstleister nur eine untergeordnete Rolle - gemacht wird, was technisch machbar ist. Wenn das Angebot jedoch die Nachfrage deutlich übersteigt, ist selbst in der Hightech-Branche auf Dauer kein Geschäft zu erzielen.

Diese Erfahrungen haben zuletzt auch einige Anbieter machen müssen - MyZones aus Großbritannien ging bereits vergangenen Herbst Pleite. Ebenso schlug der US-amerikanische Hotspot-Dienstleister Cometa Networks im Mai auf dem Boden der Realität auf, weil die Anschlussfinanzierung nicht klappte. Zu den Cometa-Gründern zählten im Dezember 2002 AT&T, Intel und IBM, an deren grundsätzlicher Fähigkeit zu Investitionen kaum gezweifelt werden kann.

Erst im Frühjahr hatte Toshiba seine 350 Hotspots an Cometa verkauft und sich aus dem Markt zurückgezogen; der Schritt begründete eine "strategische Allianz", hieß es. Eigentlich wollte der Konzern bis zu diesem Zeitpunkt bereits 10 000 Zugangspunkte anschalten - 10000 scheint im WLAN-Markt die magische Zahl schlechthin zu sein. Andere Betreiber wie die österreichische Metronet werden schlicht vom Markt, hier von T-Mobile, weggekauft. Die Anbieter, resümiert Eco-Mann Schaffrin, "haben den Kuchen aufgeteilt, bevor er überhaupt gebacken war".

Die entscheidende Frage aber lautet: "Wie kann man öffentliche WLANs zu einem profitablen Geschäftsmodell machen?" Für Roman Friedrich, Geschäftsführer und TK-Experte des Beratungsunternehmens Booz Allen Hamilton, hat bislang noch kein Anbieter darauf eine überzeugende Antwort gefunden. Allerdings, so räumt Friedrich ein, sei es auch nicht einfach, ein für Anbieter und Kunden gleichermaßen attraktives Angebot zu schneidern, denn "die Kosten eines Hotspots sind nicht zu unterschätzen". Allein eine 2-Mbit/s-Strecke zur Anbindung an das Internet kostet im Monat rund 400 Euro. Hinzu kommen die Aufwendungen für die Geräte und die Abrechnung der Kunden.

Heute bleibt der Hotspot kalt ...

Die Kostenfrage gilt indes nicht nur für die Hotspot-Betreiber, sondern auch für die Nutzer. "Die Angebote sind viel zu teuer", urteilt Arno Wilfert, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Arthur D. Little (ADL), und er bildet mit seiner Einschätzung keine Ausnahme. Für die geforderten Preise, so Wilfert, sei ein Massenmarkt einfach nicht vorhanden. Rund vier Euro für 30 Minuten surfen scheint gegenwärtig der Durchschnitt zu sein, von kostenlos bis über zehn Euro die Stunde kommt jedoch alles vor. Letzteres ist in dringenden Fällen zwar vertretbar, für den beruflichen wie privaten Massenmarkt jedoch kaum geeignet. Nach Informationen der kalifornischen Marktforschungsfirma ON World kostet das drahtlose Surfen in Europa mehr als doppelt so viel wie in den USA und rund viermal so viel wie in Asien.

Hinzu kommt das Sicherheitsproblem, das immer noch nicht gelöst ist und sich allmählich in den Köpfen der Nutzer festgesetzt hat - Stichwort "War Driving". Vor allem Firmen befürchten das Schlimmste, wenn ihre Mitarbeiter drahtlos in der Online-Welt unterwegs sind. "Viele IT-Abteilungen weigern sich daher, die WLAN-Funktionalität freizuschalten", berichtet ADL-Chef Wilfert. Folglich entsteht nur eine geringe Nachfrage unter den zahlungskräftigen Kunden, und die Preise verharren auf hohem Niveau, was wiederum die Privatanwender abschreckt.

Letztlich scheitern kann der Zugriff auf die Funknetze an technischen Hürden. Die Einwahl gestalte sich häufig schwierig, sagt selbst Funkexperte Schaffrin. Was technikaffinen Zeitgenossen und Geschäftsreisenden in aufwändigen Versuchen noch gelingen mag, stellt Otto Normalsurfer vor unlösbare Probleme: "Für die breite Masse ist das Prozedere zu umständlich", warnt der Eco-Mann. Schaffrin fordert einfache Zugänge und vor allem ein "Seamless Roaming" zwischen den einzelnen Providern zur leichten Abrechnung - dafür hat der Verband schließlich die "Greenspot"-Initiative ins Leben gerufen.

Deren Erfolg hält sich bislang noch in Grenzen, denn Anbieter zögern, sich an der übergreifenden Initiative zu beteiligen. "Eine gewisse Ernüchterung ist eingekehrt", gibt Schaffrin zu, der versucht hat, "den Markt zu stimulieren". Aus dem Rennen seien die WLANs aber nicht, ist der Eco-Mann zuversichtlich, "denn dafür ist die Technologie viel zu interessant und zu gut". Das Potenzial sei vorhanden, aber zuerst müssten die Hausaufgaben gemacht werden.

Das Rennen werden indes nicht die neuen Player gewinnen, sondern die Konzerne. "Carrier können die Konsolidierung der Branche vorantreiben, denn sie verfügen über Kundenbeziehungen und wären in der Lage, die fragmentierten Hotspots zusammenzuführen", sagt Booz-Allen-Hamilton-Partner Friedrich. ADL-Chef Wilfert bezeichnet es als "ideal für den Kunden", wenn die großen TK-Anbieter das Thema antreiben und WLANs mit ihren Angeboten koppeln. Eines Tages, so der Trend, merken die Nutzer nicht mehr, mittels welcher Technik sie online sind, denn die Endgeräte werden alles unterstützen. Spätestens dann haben sich WLANs vom Hype zu dem entwickelt, was sie im Grunde genommen technisch schon immer waren: eine Mikro-Welle.

Zahlen, bitte

Die gängigsten Abrechnungsverfahren für öffentliche WLANs sind

- die Rubbelkarte, die einen Code für die Verbindung freigibt (beispielsweise in Hotels);

- die Kreditkartentransaktion;

- die Anforderung und der Versand einer Code-Nummer per SMS (in der Regel über den eigenen Mobilfunkbetreiber);

- der eigene Account bei einem Internet-Service-Provider sowie

- der kostenlose Hotspot (etwa in Freiburg (www.fr-wlan.de) oder in Hamburg (www.hamburg-hotspot.de).

Wo funkt es?

Die großen Hotelketten und die Systemgastronomie (Starbucks, McDonalds) zählen zu den Vorreitern der WLAN-Vernetzung. Inzwischen sind Hotspots auch in Tankstellen, Einkaufszentren sowie Flughäfen und Bahnhöfen verfügbar. Die Erfahrungen mit der Akzeptanz der Kunden fallen unterschiedlich aus: In Hotels und Konferenzzentren sind WLANs inzwischen Standard und entwickeln sich daher allmählich zu "kostenlosen" Zusatzdiensten wie dem Frühstück oder der allgegenwärtigen Wellness-Oase. Cafés hingegen und Einkaufszentren verzeichnen nur eine mäßige Nachfrage - "Untersuchungen zufolge haben einige dieser Hotspots nur einen oder zwei Besucher pro Tag", berichtet Arno Wilfert. Der Geschäftsführer von Arthur D. Little zweifelt an den Bedürfnissen, die den Kunden in der WLAN-Anfangsphase unterstellt wurden: "Wer setzt sich zum Surfen schon in eine Shopping-Mall?"

Interessant sind Hotspots, an denen Menschen förmlich gezwungen sind, untätig zu verweilen: an Bahnhöfen und Flughäfen, aber vor allem im Zug und im Flugzeug selbst. Hier liegen die Airlines in Führung, doch "WLANs werden in drei Jahren auch in deutschen Zügen zur Verfügung stehen", prognostiziert Roman Friedrich, TK-Experte und Geschäftsführer von Booz Allen Hamilton. Die britische Bahngesellschaft Great North Eastern Railway will ab Herbst Funknetze in der ersten Klasse kostenlos anbieten, andere Reisende zahlen fünf Pfund pro Stunde. Auf der Strecke von London nach Schottland sollen Geschäftsleute so aus dem Flugzeug oder dem Auto zurück auf die Schiene gelockt werden - der vermeintliche Produktivitätsgewinn dient als schmackhafter Köder.

WLAN oder Wimax?

Nach dem Durchbruch der Funktechnik WLAN (in Privathaushalten) rüsten sich die Hersteller für einen neuen Hype - Wimax kann mit einem höheren Datendurchsatz bis zu 30 Kilometer weit funken, während WLANs nicht über 100 Meter hinausreichen. Allerdings sind die Techniken keine Entweder-oder-Alternativen, sondern in erster Linie zueinander komplementär: Wimax ist für die einfache Heimvernetzung deutlich zu umfangreich, (noch) zu teuer und zudem (noch) technisch unausgereift.

Experten gehen davon aus, dass Wimax etwa als Festnetzersatz (DSL) in ländlichen Regionen oder zur Anbindung von WLAN-Hotspots eingesetzt wird. Sollte sich eines Tages Sprachkommunikation über das Internet Protocol (VoIP) etablieren, kann sich die Funktechnik zu einer UMTS-Alternative entwickeln - theoretisch. Spätestens dann werden indes auch die etablierten Mobilfunkanbieter Wimax einsetzen, um sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen. Im Idealfall (für den Kunden) verlieren die diversen Techniken im Laufe der Zeit an Bedeutung - Nutzer erhalten einen einzigen Dienst, der sich gegebenenfalls aus WLAN, UMTS/GPRS sowie Wimax zusammensetzt und allgemeingültig nur "Breitband" heißen wird.