Warenwirtschaft im Fachhandel:

Am besten voll computerisiert am POS

06.02.1981

SUHR (sg) - Der spezialisierte Fachhandel benötigt aussagekräftige Führungshilfen. Insbesondere was die Warenwirtschaft angeht, wo die Aktualität und Vollständigkeit sowie die jederzeitige Verfügbarkeit von Informationen von entscheidender Bedeutung für die sichere Beurteilung des Geschäftsganges ist.

Zu solchen Informationen zählen zunächst einmal jene, die das Kaufverhalten der Kunden widerspiegeln. Aber auch die Informationen, die allein das Einkaufsgeschehen mit Disposition, Bestellwesen und Wareneingang betreffen, sind in ihrer Wichtigkeit als Entscheidungshilfe für eine optimale Warenwirtschaft, in der es nicht zuletzt auch um Kosteneinsparungen geht, mindestens als gleichbedeutend zu betrachten.

Damit ist klar, daß zum Beispiel bei der Einrichtung eines EDV-Systems zur Warenwirtschaft, von allem Anfang an bewußt darauf zu achten ist, daß bei der Systementwicklung diesen beiden Seiten, also Verkauf und Einkauf, die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erst recht dann wenn diese nahtlos miteinander verknüpft funktionieren sollen.

Wider die Vorurteile

Bei der Dobi-Hair in Suhr, Aargau, einem vornehmlich auf die Beliefe der Schweizer Coiffeure spezialisierten Groß-Handelsunternehmen mit sowohl Cash und Carry als auch reinem Versandgeschäft, hat man sich mit diesem Problem bereits sehr frühzeitig und eingehend beschäftigt. In der Folge davon entstand ein recht interessantes, zunächst in seinen wesentlichen Abläufen manuell betriebenes Warenwirtschafts-System, das im nachhinein unter Verwendung eines Dialog- und Mehrplatz-orientierten CTM-Computers 70/900 von dem auf derlei individuelle- Applikationen spezialisierten Zürcher Systemhaus, Büro-Computer AG, auch EDV-technisch bearbeitet und verwirklicht wurde.

Nach einigen eher unwesentlichen, aus dem praktischen, bereits über ein Jahr währenden Betrieb heraus erwachsenen, nachträglich vorgenommenen Verfeinerungen, präsentiert sich dieses System heute als eine gelungene und auch wirtschaftlich vertretbare Lösung. Nicht zuletzt deswegen, weil mit diesem voll computerisierten Warenwirtschafts-System den oft gehörten Vorurteilen, daß dergleichen Systeme, vor allem im Vergleich zum manuellen Betrieb, zu inflexibel und unpräzis seien, endlich auch einmal etwas Positives entgegen gehalten werden kann.

Die Grundlage zu diesem Warenwirtschafts-System bildet die als notwendiges Übel verstandene Warenauszeichnung. Sie erfolgt bei Dobi-Hair mit in OCR-B beschrifteten selbstklebenden Etiketten in einem der Größe der gehandelten Ware angepaßten Format von 11x35 mm. Die Beschriftung dieser Etiketten, die übrigens zusammen mit der Bestellung an den Lieferanten wahlweise über einen der angeschlossenen drei Drucker der CTM-Anlage (Typenrad- oder Nadeldrucker) erfolgt, berücksichtigt die um den Porto- und Aktions-Code ergänzte, ausschließlich zur Warenidentifikation betriebsintern verwendete Artikel-Nummer, nicht aber den Preis.

Dieser steht für C+C-Kunden am Regal, in dem die Ware im Verkaufsraum lagert, angeschlagen. Versandkunden ersehen den Preis aus dem Katalog beziehungsweise aus den ihnen per Post zugehenden, speziellen Angeboten. Preise, Konditionen, Warenumsatzsteuer-Vermerke und dergleichen Angaben stehen indes nur auf der Datei für die Artikelstammdaten, die für das Warenwirtschafts-System gewissermaßen eine zentrale Einrichtung, ähnlich einer Datenbank, darstellt. Diese Aufgaben werden, sobald der Artikel über den Verkaufstisch vorbei an einem mit OCR-B-Handleser (Fabrikat Siemens) ergänzten und zu einem Kassenplatz umfunktionierten CTM-Terminal geht, für die Fakturierung abgerufen.

Auf diese Weise können bei Preisänderungen oder kurzfristig angesetzten Verkaufs-Aktionen, alle Waren-Etiketten unverändert bestehen bleiben. Lediglich die Regal-Etiketten, die übrigens bei Neuaufnahmen beziehungsweise Mutationen am Artikelstamm automatisch und in der jeweils erforderlichen Anzahl vom Computer beschriftet werden sowie der Artikelstamm selber, müssen ausgetauscht beziehungsweise muß mutiert werden.

Sämtliche Verkäufe werden wie bereits erwähnt, über zwei zu Kassenterminals erweiterten CTM-Bildschirmarbeitsplätzen unter Verwendung von OCR-B-Handlesern abgewickelt. Dabei ist es im Prinzip gleich, ob es sich um Barverkäufe, anbezahlte Warenlieferungen oder aufgrund von telefonischer oder schriftlicher Bestellungen für den Versand bereitgestellter Warenlieferungen handelt.

Und immer entsteht zu dem Verkauf sofort eine komplette Faktur mit - dem von der PTT eingeführten, ebenfalls mit OCR-B-beschrifteten VESR-Zahlungsbeleg sowie einer mit den Kundendaten vorbeschrifteten Bestellkarte, die überdies auf spezielle, zum Zeitpunkt des Verkaufs geltende Aktions-Artikel aufmerksam macht. Im gleichen Arbeitsgang werden so auch Warenrücknahmen beziehungsweise Warenumtausch mit Ausgabe von Gutschriften sowie Nachlieferungen abgewickelt

Mit diesen Vorgängen am Kassenplatz werden gleichzeitig und im Dialog alle das Kaufverhalten dokumentierenden Details auf dem Artikelstamm und darüber hinaus dem Kundenstamm, der zweiten wichtigen Datei dieses Systems, festgehalten. Dazu zählen unter anderem die unmittelbar artikelbezogenen Daten über Menge Umschlagshäufigkeit, Verkaufs- und Einstandspreis sowie die auftragsbezogenen Daten betreffend Bestellart, wertmäßiger Auftragsumfang, Versandart und Verkaufsdatum.

Auf den Artikel verdichtet ergeben diese Daten zum einen über zwölf Monate umlaufend abgespeichert die monatlichen Verkaufsmengen und Umschlagshäufigkeiten. Zum anderen aber zusätzlich auch die täglichen Verbrauchszahlen und zwar über die letzten 25 Tage gespeichert, welche insbesondere der kurzfristigen Verbrauchs- und Einkaufsdisposition dienen. Alle diese Daten können jederzeit, da im Dialog immer vollständig und zeitgleich nachgeführt, über einen jeden der derzeit an den Computer; angeschlossenen vier Bildschirme abgefragt werden.

Dazu gibt es weiter noch Subsummierungen nach Verkaufsart beziehungsweise gleichen Artikeln in verschiedenen Ausführungen und Abfüllgrößen, und was sicher weniger die Warenwirtschaft als vielmehr die kurzfristige Erfolgsrechnung angeht, werden auch noch die Nettoerlöse und Deckungsbeiträge pro verkauften Artikel und Kunden fortlaufend mitgeführt.

Im wesentlichen laufen alle diese Vorgänge ausgelöst durch die OCR-B-beschriftete Waren-Etikette in Verbindung mit dem Artikel- und Kundenstamm vollautomatisch und ohne weitere Eingriffe seitens der Kassiererin ab.

Damit hat sich insbesondere diese Art der Warenauszeichnung als sehr zweckmäßig für das Warenwirtschafts-System erwiesen. Zumal mit Einsatz der OCR-B-Lesegeräte, quasi als Nebeneffekt, die Bedienerleistung am Verkaufspunkt noch erheblich gesteigert werden konnte.

Die Dobi-Hair führt in ihrem Sortiment durchschnittlich 6000 Artikel, die allesamt mit einer je nach Volumen der Artikel mehr oder weniger begrenzten Anzahl im Verkaufsraum vorrätig sind. Dazu besteht weiter ein sogenanntes Auffüll-Lager. Sämtliche Waren werden unmittelbar nach ihrem Eintreffen mit dem zuvor auf dem Computer erstellten OCR-B-beschrifteten Etikett ausgezeichnet. Dazu wird der Wareneingang mengen- und wertmäßig auf den Artikelstamm mit Angabe des Lieferanten, des Lieferdatums und des letztgezahlten Einkaufspreises, unter Berücksichtigung von Fremdwährungen versteht sich, erfaßt.

Auf diese Weise laßt sich in Verbindung mit dem ebenfalls gleichzeitig mit dem Verkauf erfaßten Warenausgang der effektive Lagerbestand jederzeit auf einem beliebigen Terminalplatz am Bildschirm abfragen. Das dieser Vorgang ungleich einfacher und schneller zu bewerkstelligen ist, als etwa der Gang zum Lagerplatz, auch der Lagerplatz ist natürlich auf dem Artikelstamm vermerkt, bedarf keiner Erklärung. Und was die rasche und exakte Übersicht angeht, zum Beispiel dann, wenn man einen ganzen, mehrere hundert Artikel umfassenden Sortimentsbereich überprüfen möchte, so ist diese Methode, die zudem auch noch eine Auflistung über den Zeilendrucker einschließt, geradezu unschlagbar.

Der bis hierher beschriebene Vorgang ist nur die unterste Stufe der Disposition. Der eigentliche Kern dieses am Einkaufsgeschehen orientierten Ablaufs besteht in der über drei Stufen vollautomatisch ablaufenden Bestellpunkt- und Mengen-Ermittlung, an deren Ende die postversandfertigen, mehrsprachig ausgeführten Bestellungen an die Lieferanten über den Computer ausgedruckt werden. Diese drei Stufen der Disposition beinhalten folgende Vorgange:

1. Stufe: Nach zuvor über den Bildschirm spezifizierten Parametern, zum Beispiel über den Dispositions-Zeitraum, oder den Tendenzfaktor zur Gewichtung der Verbrauchszahlen sowie der Bestimmung der zur Disposition anstehenden Artikel, was entweder nach Artikel-Nummer oder Lieferanten erfolgen kann, erarbeitet das System unter Berücksichtigung der Verbrauchszahlen der letzten 25 Tage und/oder der letzten zwölf Monate sowie in Abstimmung mit den jeweils pro Artikel geltenden Standard-Bestellgrößen und -Packungen zu jedem gewünschten Artikel einen individuellen, auf einer Liste nach Lieferanten nach Artikel-Nummer aufsteigend sortierten Bestellvorschlag.

2. Stufe: Der Einkäufer verwendet diese Auflistung zunächst, um durch Vermerke anzugeben, wo er mit den Vorschlägen des Computers nicht einiggeht. Er kann aber auch ganz einfach die erste Stufe der Verarbeitung mit anderer Gewichtung wiederholen, wenn er meint, daß die Disposition zu wenig ausgewogen erfolgte. Anschließend werden die abgeänderten Positionen, und zwar immer nur diese, wiederum über den Bildschirm erfaßt, womit die Disposition im Prinzip bereits als abgeschlossen zu betrachten ist.

3. Stufe: Der Computer übernimmt nun wieder vollständig die Funktion des Einkäufers und löst unter Verwendung von Lieferanten- und Artikelstamm auf dem Drucker die eigentlichen Bestellungen aus. Damit verbinden sich systemintern noch verschiedene, späterhin als Dispositionshilfe verwendbare Abspeicherungen zum Beispiel der beim Lieferanten auf welchen Termin hin bestellten Waren. Weiter werden auch noch die beim Wareneingang benötigten Waren-Disketten in der richtigen Anzahl gedruckt.

Ein geschlossener Kreislauf

Mit der zuletzt beschriebenen Funktion sowie mit dem zu Beginn des vorgängigen Kapitels beschriebenen Wareneingang, schließt sich quasi der Kreis des Warenwirtschafts-Systems. Dieses System selber ist, wie dies heute bei modernen EDV-Lösungen erwartet werden kann, und wie dies auch bereits im Zusammenhang mit der Fakturierung angedeutet wurde, natürlich Bestandteil einer vollständig EDV-orientierten Unternehmens-Organisation. Darin sind dann wiederum alle von der Warenwirtschaft tangierten Bereiche, bis hinauf zur Buchhaltung und Statistik enthalten, so daß ohne weiteres Zutun Daten von einem in den anderen Bereich übernommen werden können, wodurch diese auch allerorts verfügbar sind.

Zu keiner Zeit hatte man bei der Dobi-Hair das Warensortiment so gut im Griff. In bezug auf den damit binnen nur eines Jahres erreichten Lagerabbau, kann das System sogar eindeutig als kostensenkend bezeichnet werden. Auch was den zeitlichen Ablauf von der Disposition bis zur Bestellung angeht, bestätigt das Warenwirtschafts-System die in dieses gesetzten Erwartungen. Um so mehr als damit der Einkäufer weitgehend von zur bloßen Routine gewordenen Vorgängen spürbar entlastet wurde und sich fortan viel stärker und noch besser informiert auf die im Einkauf unmittelbar gewinnversprechenden Verhandlungen mit Lieferanten konzentrieren kann.