Auch für die fast unverwüstliche EDV-Anlage heißt die Endstation Schrottplatz:

"Am besten, Sie machen Musik damit"

13.02.1981

München - Computer scheinen ein zähes Leben zu haben. Fast scheint es, als rühre man an ein Tabu: Die Elektronik, einmal durchgepustet und frisch lackiert, funktioniert wieder wie neu. Von verschrotteten Computern ist kaum etwas zu erfahren. Auch die ältesten Modelle finden noch ihren Anwender, der sie nicht nur als Liebhaber pflegt, ölt und ins Wohnzimmer stellt, sondern sie tatsächlich zu Rechenzwecken nutzt. Besitzern ganz alter Hohner-Computer empfiehlt Gudrun Höngberger, Disponentin bei der Isaria Computer Vertriebs GmbH, München: "Am besten, Sie machen Musik damit."

Die Weiterverwendung einer gemieteten Maschine stellt kein Problem dar. Der Hersteller nimmt sie zurück. Die Deutsche BP, Hamburg, beispielsweise, die ihren Rechner im Schnitt alle ein bis eineinhalb Jahre austauscht, gibt die Mietmaschine an die IBM zurück und versorgt sich mit mehr Kapazität oder einem günstigeren Preis-/Leistungsverhältnis. Im Einzelfall, erklärt Günter Holz, zuständig für die Planung und Beschaffung von Computer-Hardware braucht ein Geschäftspartner eine sofort lieferbare Maschine aus zweiter Hand. "In diesem Fall kauften wir, um das System gleich wieder abzustoßen."

Bis fünf Jahre problemlos

Mittelalterliche Computer mit einem Alter von bis zu fünf Jahren finden nach Angaben von Frau Höngberger in der Regel ihren Käufer, sei es direkt, oder über einen Gebrauchtcomputerhändler. Halden von Ladenhütern gibt es bei der Arbuma Vertriebsgesellschaft mbH, die sich mit Kauf, Miete und Leasing von Rechnern befaßt und nicht gerade zu den Branchenriesen zählt, nicht. "Wir kaufen nur, was wir brauchen können", erklärte ein Sprecher der Gesellschaft.

Auch Lochkartencomputer sind nach Erfahrungen von Rolf Rasch, der im Verkauf von Computersysteme Müller, Hemmingen, arbeitet, heute noch gefragt. "Die UR-Maschine ist nicht tot. Es kommt auf die Anwendung an. Die Diskette bringt einige Leistungen nicht." Knifflig wird die Weiterverwertung des ausgedienten Rechners, wenn sich kein Folgeanwender finden läßt, wenn sich auf eine Anzeige in der Fachpresse kein Interessent meldet, wenn der Leaser in seiner Brokerfunktion weder im In- noch im Ausland einen Kunden ermitteln kann. Doch kommt der Fall selten vor. Als sich ein Künstler bemühte, einen ausgedienten Apparat für ein Happening zu finden, hatte seine Suche keinen Erfolg. Mit seiner Darbietung, den Computer in Öl langsam ertrinken und funktionsunfähig werden zu lassen, hätten er vielleicht auch einen Mythos zerstört.

Wie beim Auto liegt der Gedanke an den Schrottplatz für ausgediente Rechner nahe. Von speziellen Computerschrottplätzen hatte jedoch keiner der befragten Gebrauchtrechnerhändler gehört. Eine Münchener Schrottfirma, nach eigenen Angaben von mittlerer Größe, erhält im Jahr drei bis vier Aufträge, einen Rechner zu verschrotten. Bei der Demontage zum Transport berechne sie die Arbeitszeit. Funktionsfähige Teile oder Edelmetalle werden nicht ausgebaut, weil es zu viel Arbeit koste. Der Preis für Computerschrott liege bei 60 Mark pro Tonne.

Für schrottreife, oder vornehmer ausgedrückt, "nicht mehr sinnvoll weiterzuverwendende" Rechner interessiert sich bei Honeywell Bull in Köln der technische Kundendienst. In ihrer Freizeit, so erzählt Jürgen Stahl, der sich in der Hauptsache um die Einführung neuer Wartungsstrategien bei HB kümmert, schlachten die Kollegen die Rechner aus und bauen Collagen aus den Einzelteilen. Der Erlös aus dieser Initiative der Mitarbeiter komme einem Verein zugute, der sich um körperlich und geistig behinderte Kinder kümmert. Da die meisten Maschinen verkauft seien, liefen nur wenige Mietmaschinen zurück. Andere Oldtimer kämen ins hauseigene Museum.

Ersatzteillager

Im Gegensatz zur IBM verwendet HB die noch gebrauchsfähigen Teile nicht als Ersatzteillager für Maschinen, die heute nicht mehr gebaut werden.

Um den Markt für Gebrauchtcomputer besser in der Hand zu haben, bietet der Marktführer dem Käufer einen Rücknahmepreis, der sich unterhalb des Marktpreises bewegt. Funktioniert die Maschine technisch nicht mehr einwandfrei, beutet der Außendienst sie aus. Die brauchbaren Teile werden in Nieder-Roden bei Frankfurt wieder aufbereitet und im Recycling weiterverwertet. Weiterverwendung finden auch Edelmetalle wie Gold und Silber, die in den Schaltkarten besonders älterer Modelle enthalten sind. Zumindest alte Kaufmaschinen der IBM kommen nicht in nennswertem Umfang zurück. Ebenfalls um dem Second-hand-Markt nicht zu schaden, schickt IBM auch dann Computer zur Schrottpresse, wenn die Lager voll sind von einem bestimmten Modell.

Bastler

Die Isaria vermittelt alte Rechner insgesamt an Kunden, die Ersatzteile für ihren Rechner suchen. Auch andere Händler hörten davon, daß beispielweise Schulen ihr Lehrmaterial gegen Abholung beziehen. In Großbritannien beispielweise existiert ein Unternehmen, das sich ganz auf die Extraktion der Edelmetalle spezialisiert hat. Die N.E.C.P. (Computers) Ltd., Denton/Manchester, kauft auch auf dem Festland alte Computer zum Ausschlachten auf. Beim Kunden selbst bauen Mitarbeiter des Unternehmens die gold- und silberhaltigen Teile aus und befreien ihn dann von dem nur noch belastenden Rest.

Besonders bei wirklich alten Rechnern sei diese Verwertungsmöglichkeit interessant, da in ihnen mehr Edelmetalle verwendet wurden als in den jüngeren Generationen. Die "Goldgrube" bringt sicher mehr Geld als die Schrottpresse allein. "Einmotten", so erläutert Frau Höngberger ihre Erfahrungen aus dem Kundengeschäft, "ist eine fragwürdige Alternative." Viele Kunden, die ihre überhöhten Preisvorstellungen auf dem Tagesmarkt für gebrauchte Rechner nicht realisiert fänden, stellten die Maschinen wahrscheinlich in den Keller. Der Staub, und, wie IBM zu bedenken gibt. die in der Luft enthaltenen Sauren, machten es allerdings fraglich, ob der Apparat auch nachher noch funktioniert. Die Preise liefen dem Zögerer inzwischen davon, gibt die Isaria-Disponentin zu bedenken. Bei einigen Händlern stapelten sich allerdings in Zahlung genommene Maschinen, wie zur Zeit beispielsweise die Kienzle 6000 auf Halde laufe

Nach zehnjähriger Laufzeit, so bestätigt es auch die Kienzle Apparate GmbH in Villingen, kommt es schon vor, daß eine Weiterverwendung nicht mehr sinnvoll erscheint. Gerade die 6000, zu ihrer Zeit ein erfolgreiches System, werde jetzt in großem Rahmen von dialogfähigen Systemen abgelöst. Die für den Vertrieb zuständigen Tochtergesellschaften nehmen sie in Zahlung. Falls sich kein Kunde fände, führe der Weg zum Schrottplatz. Unzufriedene Zweithand-Kunden" erklärt ein Pressesprecher, "schaden nur unserem Ruf." Damit der Ruf auch nicht auf dem zweit- und mehrhändigen Markt leidet, nimmt Kienzle- fallweise - die Geräte lieber in Obhut. Gegen den Export von m der Bundesrepublik nicht mehr gefragten Anlagen in Länder der Dritten Welt wehrt sich der Unternehmensvertreter entschieden.

Auch in fremden Ländern wolle Kienzle den Anwender nicht alleine lassen. "Ohne Software und Service tun wir so was unserem Namen nicht an." Auch IBM hält den Markt in den Entwicklungsländern nicht für bedeutend. Jedoch werden technisch einwandfreie Maschinen nach Angaben des Unternehmens an Kunden in und außerhalb Europas weiterverkauft.

Friedrich Wilsch, Inhaber der F. Wilsch GmbH & Co. KG, Grünwald bei München. der sich mit dem An- und Verkauf gebrauchter Rechner befaßt, versucht in der Bundesrepublik nicht mehr gefragte Rechner in ein "Land mit Nachfrage" zu verkaufen.

Seiner Erfahrung nach interessieren sich vor allem einheimische Unternehmen in Nordafrika und Asien für IBM-Maschinen, aber auch für Rechner anderer Hersteller. "Wichtig ist, daß in dem betreffenden Land die Wartung der Maschine gewährleistet bleibt. "

Im Frühwinter suchte ein Hamburger Händler nach Brancheninformationen den Gebrauchtrechnermarkt nach überalteten Maschinen für den Fernen Osten ab. Containerweise wollte er nehmen, was sich anbot. Doch ließ er seither nichts mehr von sich hören.