Am Arbeitsplatz: Um Kopf und Kragen gesurft

26.07.2007
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

2. Privates Surfen ist erlaubt

Erlaubt der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit, darf gesurft werden, bis der Router glüht – wer dieser Meinung ist, liegt leider falsch. Sex & Crime verbieten sich auch hier, und wer den halben Arbeitstag bei YouTube nach potenziellen Kunden sucht, riskiert ebenfalls seinen Job. Dazu ein aktuelles Urteil: "Auch wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist, kann sie eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen und den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorherige Abmahnung berechtigen", führte das Bundesarbeitsgericht kürzlich aus (Urteil vom 31. Mai 2007- 2 AZR 200/06). Die Grauzone zwischen "erheblich" und "irrelevant" muss wie immer im Einzelfall vor Gericht entschieden werden: "Ob sie (die Pflichtverletzung) das für eine Kündigung erforderliche Gewicht hat, hängt unter anderem von ihrem Umfang, der etwa damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nutzung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab." Das heißt: Je länger gesurft, desto leichter gefeuert. Wenn die Causa öffentlich und damit peinlich (Pornos, strafbare Inhalte) für die Firma wird, sinken die Chancen des Mitarbeiters auf eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage.

Ist die Privatnutzung des Internets erlaubt, wird aus dem Arbeitgeber ein Provider, weshalb er dem Fernmeldegeheimnis unterliegt. Damit muss sich das Unternehmen als TK-Anbieter behandeln lassen, dessen "Kunde" der Arbeitnehmer ist. Private Kommunikation muss wie private Post behandelt werden, und auch das Surfen darf nicht überwacht werden. "Daher ist bereits die Kenntnisnahme vom Vorliegen privater Internet-Kommunikation unzulässig", berichtet Anwalt Schimmelpfennig. Zudem dürfe der Arbeitgeber in diesem Fall nicht auf die betriebliche beziehungsweise dienstliche Korrespondenz zugreifen, da der elektronische Briefkasten durch die Privatkorrespondenz "infiziert" sei. In der Praxis ist das jedoch nur schwer umzusetzen. Zudem hat vermutlich jeder Arbeitgeber ein Interesse daran, den Missbrauch auch der privaten Nutzung zu unterbinden. Folglich empfiehlt es sich, die private Nutzung einzuschränken – zeitlich etwa auf die Pausen beziehungsweise durch die Sperrung einschlägiger Webseiten.

Auch bei generell erlaubter Privatnutzung gibt es zeitliche Grenzen, die allerdings nicht in Stein gemeißelt sind. Laut Anwalt Schimmelpfennig hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich eine ganz erhebliche Verletzung der Arbeitspflicht bei einem Mitarbeiter angenommen, wenn innerhalb von zwei Monaten täglich das Internet zwischen 15 Minuten und knapp drei Stunden privat genutzt wird. In rund zehn Wochen habe sich der Arbeitsausfall auf zirka zehn Prozent der Arbeitszeit belaufen. Auch unter Berücksichtigung der Pausenzeiten sei dies zu viel. "Die Rechtsprechung der Untergerichte ist aber oft anders", führt der Münchner Anwalt weiter aus. Bei zehn Minuten privatem Surfen pro Tag oder 80 bis 100 Stunden pro Jahr habe ein Arbeitsgericht noch keine unzulässige Privatnutzung angenommen, so Schimmelpfennig. In der Regel müssten Arbeitgeber wegen der unklaren Rechtslage eine vorherige Abmahnung aussprechen, bevor sie kündigen.

Fazit: Wer am Arbeitsplatz privat Surfen darf, hat Glück. Dieses sollte jedoch nicht über Gebühr strapaziert werden – zeitliche, rechtliche und moralische Grenzen gelten auch hier. Die Grenzen werden durch ein Arbeitsgericht gesetzt. Einen Blanko-Surfschein gibt es folglich nicht, selbst wenn das Surfen erlaubt ist.