On-Demand-Computing/HPs Utility Data Center für die Philips Semiconductor Division

Am Anfang steht die Virtualisierung

13.02.2004
Hewlett-Packard kann für sein Rechenzentrumskonzept Utility Data Center (UDC) bereits erste Kunden vorweisen. Während Procter & Gamble und Ericsson die Technik als Outsourcing-Dienstleistung beziehen, betreibt der Halbleiterbereich des niederländischen Elektronikriesen Philips UDC selbst.Von Hermann Gfaller*

"UDC wird die IT-Kosten von Philips Halbleiter um 45 Prozent senken, jubelte Nick van der Zweep, HPs Director Utility Computing, im vergangenen September, als das Projekt bekannt wurde. Fest zugesagt wurden Philips allerdings nur 20 Prozent. Van der Zweeps Beschreibung des Projekts: "Der Halbleiterbereich bestand aus mehreren Abteilungen, die alle eigene, mit heterogener Technik ausgestattete Rechenzentren mit unterschiedlichen Methoden betrieben. Schließlich haben sie mit UDC zentralisiert und konsolidiert.

Mathieu Clerkx, der bei Philips Halbleiter für Supply-Chain-Management und IuK zuständige Senior Vice President, stimmt ein: "Wir agieren in einer extrem sprunghaften Industrie. Um hier mithalten und gewinnen zu können, ist es für uns unerlässlich, dass die IT mit den Marktanforderungen Schritt hält. Darüber hinaus habe er die Chance ergriffen, eine virtuelle, globale IT-Organisation mit standardisierten Prozessen, Praktiken und Anwendungen zu schaffen.

Kosten senken und flexibel werden

Diese Formulierung legt bereits nahe, dass es nicht nur um UDC geht. Vielmehr haben Clerkx und seine Kollegen im Sommer 2002 ein groß angelegtes Projekt zur Senkung der Betriebskosten (Total Cost of Ownership, kurz TCO) gestartet. Damit reagierte Philips auf die gesunkene PC-Nachfrage, die Probleme beim Handy-Absatz und die raschen Veränderungen im Privatkundengeschäft. Entwickelt wurde eine Strategie für eine kostengünstige und flexible Produktentwicklung bei der Philips Semiconductor Division. Dabei sollten nicht nur die IT-Kosten gesenkt werden, sondern zudem eine moderne IT-Organisation mit Virtualisierungstechniken und standardisierten Prozessen entstehen. HPs UDC ist Teil dieser Lösung.

Tatsächlich können Konzepte wie UDC ihre Stärken vor allem dann ausspielen, wenn es um rasch wechselnde Anforderungen geht. Klassische Rechenzentren sind in so genannten Anwendungssilos organisiert, bei denen wichtige Rechen- und Speicherressourcen ebenso fest zugewiesen werden wie Netzverbindungen und Bandbreiten. Künftig sollen Rechenzentren jedoch Ressourcen ad hoc, je nach Bedarf und nach Möglichkeit automatisch verteilen können.

Die Einbindung in ein TCO-Projekt zeigt jedoch, dass es in Nijmegen weniger darum ging, die RZ-Technik der Zukunft zu erproben, als schlicht darum, Geld zu sparen. So wurde nach Auskunft von Maykel Sitvast, dem für das Projekt zuständigen Account-Manager von HP, Equipment nur ersetzt, wenn damit eine Kostenreduzierung einherging. 85 Prozent der UDC-Gerätschaft waren bereits vorhanden. Ob durch den straffen Sparkurs die Kosten tatsächlich um 45 oder wenigstens um die zugesicherten 20 Prozent gefallen sind, bleibt unklar. Sitvasts vorsichtige Formulierung: "Wir sind dabei, die Kosten signifikant zu senken.

Auch andere Eckwerte des Projekts reißen Technologie-Freaks nicht vom Hocker. Die UDC-Ausstattung besteht aus 16 PC-Servern unter Windows 2000 und ebenso vielen Risc-Systemen unter HP-UX sowie zwei Highend-Speichersystemen der XP-Reihe von HP. Deren Kapazität von 10 Terabyte lässt sich schon eher sehen. Unterstützt werden fünf Anwendungen, über die nur so viel zu erfahren war, dass es sich dabei vor allem um die Simulation neuer Halbleiterprodukte handelt. Laut HP sind noch weitere Anwendungen angebunden, insgesamt ist das UDC jedoch noch nicht in die IT am Standort Nijmegen integriert.

Generell verbrachte man einen großen Anteil der einjährigen Projektzeit damit, darüber zu beratschlagen, welche Anwendungen sich für UDC am besten eignen. Das wesentliche Kriterium war, Applikationen mit stark schwankendem Ressourcenbedarf zu finden. Allerdings scheute sich Philips dabei, erprobte und hochverfügbare Systeme anzutasten. Bei unternehmenskritischen Anwendungen wollte man sich noch nicht auf UDC verlassen. Das führte dazu, dass eine nicht genauer bezifferte Anzahl von Rechenzentren in Nijmegen in zwei anstatt in ein RZ konsolidiert wurden. Allerdings soll die Integration von UDC bis Mitte 2004 mit der aktuellen Version der dazugehörigen Software vorangetrieben werden.

Verglichen mit dem futuristischen Potenzial von UDC klingen diese Rahmenbedingungen recht trivial. Vielleicht liegt es daran, dass sich Hersteller wie Kunde nach dem kurzen Jubel im Spätsommer 2003 heute etwas zugeknöpfter geben. Philips selbst schweigt sich aus und verweist Interessenten auf Hewlett-Packard. Einzig auf Herstellerangaben angewiesen, hat man es nicht leicht, den Wahrheitsgehalt der Informationen einzuschätzen. Dabei bräuchten sich weder Hersteller noch Kunde mit dem neuen Utility Data Center zu verstecken, auch wenn einige Funktionen noch auf sich warten lassen. Die Konkurrenz ist auch noch nicht weiter.

Den Zuschlag für den Auftrag hat HP im Wettbewerb mit der Konkurrenz nicht nur wegen der umfassenden Funktionalität von UDC erhalten. Geholfen hat hier auch, dass der IT-Konzern als langjähriger Hauptlieferant das Vertrauen der Halbleiter-Division genießt. Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass HP die meiste Hardware weiterverwenden konnte. Entsprechend sind - abgesehen von Ciscos Netzkomponenten und einer Oracle-Datenbank - auschließlich HP-Produkte im Einsatz. Insofern brauchte sich der Lieferant nicht mit IBM-Mainframes oder Sun-Servern auseinander zu setzen.

Virtualisierung der Ressourcen

Konkret sind im Utility Data Center die 32 Server zu einem logischen Netz und die zwei Speichersysteme zu einem logischen Speichernetz, sprich: Storage Area Network (SAN), verbunden. Keines der Rechensysteme verfügt mehr über einen eigenen Speicher. Zentrale Komponente dieser Virtualisierung ist die Utility-Controller-Software. Sie versteht, wie alle Server miteinander und mit den Speicherressourcen verknüpft sind. Wenn der Philips-Halbleiterbereich beispielsweise ein frisch entwickeltes Chip-Design testen will, braucht er rasch eine neue Anwendungsumgebung mit zusätzlichen Servern. Dafür entwirft der RZ-Administrator im Utility Controler Portal eine so genannte Server-Farm. Daraufhin verbindet sich die Utility-Controller-Software mit allen Servern, die sie braucht, und weist sie logisch dem virtuellen Netz beziehungsweise dem virtuellen Speichernetz zu. Auf diese Weise entsteht während des laufenden Betriebs die gewünschte Anwendungsumgebung. Der zentrale Vorteil: Niemand braucht in das Rechenzentrum zu gehen, um Kabel umzustecken oder Verbindungen zu ändern. Die Utility-Controller-Software verwaltet sowohl Server als auch Speichersysteme und Netzkomponenten.

Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist, dass alle Bestandteile der UDC-Umgebung bei der Installation mit all ihren relevanten Eigenschaften und Adressen in der Datenbank des Utility Controllers konfiguriert werden. Dazu gehören neben Servern, Speichern und Netzkomponenten auch Sicherheits-Features. Komponenten wie Firewalls oder Funktionen wie Load Balancing werden bei Philips derzeit allerdings noch nicht genutzt, obwohl sie zum Funktionsumfang von UDC gehören. Beim Entwerfen einer Server-Farm reicht es, Typ und Anzahl der Server und Speicher anzugeben. Die Controller-Software weist sie dann automatisch zu.

Etwas irreführend ist die ursprüngliche Meldung, das Philips-UDC werde von nur einer Konsole aus gesteuert. Eingerichtet wird eine Server-Farm von der Konsole des Utility Controllers aus, verwaltet wird sie jedoch über die Konsole der System-Management-Software, die im Falle von Philips "HP Openview heißt. Diese ist in der Lage, die häufigen Änderungen in einer UDC-Umgebung automatisch nachzuvollziehen. Laut HP lassen sich an dieser Stelle aber auch Produkte von Wettbewerbern wie IBM oder Computer Associates nutzen.

Eine weitere Einschränkung betrifft die Einrichtung der Speichersysteme. Richard Winford, Technical Consultant in dem für UDC zuständigen Advanced Technology Center von HP, legt Wert darauf, dass der Umgang mit dem Speicherplatz immer Aufgabe des Betriebssystems ist. Das bedeutet, dass der Utility Controller zwar den Speicher zuweist, für das Einrichten des jeweiligen Dateisystems muss der Administrator jedoch auf die Werkzeuge des Betriebssystems wechseln. Ähnliches gilt für die Reduzierung des Speicherplatzes. Hier für mehr Komfort zu sorgen ist Aufgabe der Betriebssystem-Entwickler.

An dieser Stelle wird deutlich, dass die Realisierung eines automatischen, gar autonomen Rechenzentrums noch in weiter Ferne liegt. Zukunftsmusik ist momentan auch noch das regel- oder rollenbasierende Steuern von Rechenzentren.

Perspektiven

Wie erwähnt, geht es der Halbleiter-Division von Philips aber weniger um visionäre Technik als um eine niedrigere Total Cost of Ownership. Zwar ist geplant, die künftigen Neuerungen von UDC zu übernehmen und das Nijmegener RZ nach und nach in die IT einzugliedern, aber wenn sich die Kosteneinsparungen einstellen und die Virtualisierung die erhoffte Flexibilität bringt, ist man auch mit der momentanen Technik zufrieden. Da diese Vorgaben laut HP inzwischen erfüllt sind, kann der nächste Schritt folgen. So ist vorgesehen, das jetzige Modell auf die anderen Rechenzentren der Division zu übertragen. Ziel ist der Aufbau so genannter Shared Server Centers, die sich weltweit gemeinsam nutzen lassen. (kk)

*Hermann Gfaller ist freier Autor in München.

Philips Semiconductor

Der Halbleiterbereich des Philips-Konzerns hat im Jahr 2002 mit rund 32000 Mitarbeitern in über 50 Ländern einen Umsatz von 4,6 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Über die Welt verteilt, unterhält die im holländischen Eindhoven sesshafte Philips-Division über 100 Büros, 14 Fertigungsstellen, 20 Design Center und vier Systemlaboratorien.

Die Herausforderung für die Philips Semiconductor Division bestand in den vergangenen Jahren darin, dass der Bedarf an Computerchips abnahm und daher neue Geschäftsfelder erobert werden mussten. In der jetzigen Situation ist der Bedarf an Halbleitern sowohl nach Menge als auch Art immer schwerer vorhersehbar. Der Markt verlangt hohe Flexibilität. Generell hat Philips Halbleiter daher massiv in Forschung und Entwicklung investiert, aber auch in die Fertigungs- und IT-Infrastruktur.

Wie in vielen großen Unternehmen entwickelte sich auch die Datenverarbeitung in den verschiedenen Organisationen von Philips unabhängig. Während an einem Standort die Kapazitäten ausgebaut werden mussten, lagen sie anderswo brach. Ziel war angesichts dessen die Konsolidierung von Standorten, Senkung der Betriebskosten (TCO) und Flexibilisierung der Produktentwicklung. So kam es zu einem groß angelegten TCO-Projekt mit UDC-Techniken am Standort Nijmegen, der größten Fertigungsstätte für Wafer von Philips Semiconductor.

UDC-Konfiguration bei Philips

- Fünf Anwendungen insbesondere für Simulationen, die mit Programmen und Datei-Servern außerhalb der eigentlichen UDC-Umgebung verbunden sind;

- Netzkomponenten von Cisco;

- HP-Utility-Controller-Software auf Basis einer Oracle-Datenbank (zur Verwaltung der Komponenten und ihrer Eigenschaften);

- 16 IA-32-Intel-Server (lp 2000r Netserver);

- 16 HP-UX-Server (HP9000 J6750, HP9000 rp 2450);

- Zwei Speichersysteme mit insgesamt 10 Terabyte Speicherplatz (Surestore XP512 Storage);

- System-Management (HP Openview) sowie

- Service und Consulting.

Das Utility Data Center als Konzept

Hewlett-Packards Utility Data Center ist Teil eines grundlegenden Wandels der IT, wie er auch von Mitbewerbern verfolgt wird. Bei IBM heißt das Zukunftskonzept On-Demand-Computing, bei Sun Microsystems N1 und bei HP Adaptive Enterprise Computing. Dabei geht es darum, die bislang vergleichsweise starre IT-Organisation so zu verändern, dass sie sich rasch an wechselnde geschäftliche Anforderungen anpassen lässt.

Die derzeitige IT-Infrastruktur in den Unternehmen behindert diese Entwicklung. Sie gilt als

- ineffizient: Die Systeme sind für Spitzenlasten ausgelegt, was bedeutet, dass in normalen Zeiten Ressourcen verschwendet werden;

- inflexibel: IT-Infrastrukturen an veränderte Anforderungen anzupassen ist teuer, aufwändig und dauert lange;

- realitätsfern: IT ist nicht als Dienstleistung für geschäftliche Notwendigkeiten organisiert.

Die Lösung:

- Outsourcing: Über einen Service-Level-Vertrag lässt sich die Lösung oben genannter Probleme auf einen Dienstleister übertragen.

- Virtualisierung/Provisioning: Abtrennung der Geschäftsanwendungen von den IT-Ressourcen (Speicher, Prozessorleistung, Bandbreite etc.), mit dem Ergebnis, dass nun über geeignete Management-Werkzeuge Ressourcen nach Bedarf zugeordnet werden können.

- Autonomic Computing: Mittelfristig sollen die Systeme anhand von Regeln ihre Ressourcen weitgehend selbsttätig verwalten.

Hewlett-Packard geht mit UDC alle drei Wege. Stand der Technik sind derzeit Utility Computing im engeren Sinn sowie Virtualisierung. Autonomic Computing mit quasi menschenleeren Rechenzentren, die sich selbst konfigurieren, optimieren und reparieren, sind noch Zukunftsmusik. Danach zu streben ist dennoch nicht unrealistisch. Unter Hochdruck wird an einfach zu handhabenden Systemen gearbeitet, die es erlauben, ganze Rechenzentren über Regeln und Skripte zu steuern, so dass künftige Administratoren sich nur noch mit dem Entwerfen solcher Regeln zu beschäftigen brauchen.

Technische Voraussetzung für Rechenzentren à la UDC sind Umgebungen, bei denen alle Komponenten so miteinander vernetzt sind, dass man sie in beliebigen Konstellationen kombinieren kann. Unterstützt werden muss eine solche Umgebung durch eine Management-Software, die alle Komponenten gut genug kennt, um sie optimal einsetzen zu können. Diese Software ermöglicht auch die Virtualisierung, indem sie den Anwendern sowie den Komponenten im Netz vorgaukelt, sie hätten es nur mit einem Speicher oder einem Server zu tun. Solche Umgebungen aufzubauen ist derzeit Stand der Dinge - auch bei Philips Halbleiter.

Der zentrale Vorteil solcher Umgebungen liegt nicht nur im flexiblen Umgang mit Ressourcen, sondern in dem dahinter stehenden Geschäftsmodell: Erwirbt der Kunde zum Beispiel einen komplett bestückten Schrank, bezahlt er nur die Leistung, die er momentan daraus bezieht. Braucht er mehr, reicht eine - eventuell automatisch verschickte - E-Mail, um zusätzliche Rechnerleistung, mehr Speicherplatz, zusätzliche Server oder mehr Bandbreite zu erhalten. HP bietet gerade in dieser Variante des Utility Computings ein extrem breites Vertragsspektrum an.