DV IM OSTEN

Altlasten wurden auch von West nach Ost transportiert

04.12.1992

Der Mainframe-Markt ist von IBM und SNI so gut wie abgedeckt, die PCMer spielen bisher eine geringe Rolle, Bewegung gibt es erwartungsgemäß noch im Unix- und Beratungssektor der neuen Bundesländer (NBL). Der PC-Bereich befindet sich mitten im Shahe-out. Eher autoritär muß man den Führungsstil im Osten Deutschlands nennen, gleichwohl paßt er zur Situation. So einige Aussagen des folgenden Interviews, das Helga Biesel mit Bernd Blümmel, Geschäftsführer der Alldata in den neuen Bundesländern, geführt hat.

Vorhang auf!

Im einst ideologisch roten Osten liegen heute die roten Teppiche am liebsten für High-Tech-Investoren aus dem europäischen Westen aus. Die GUS verspricht mit ihren 300 Millionen Menschen ein riesiges Marktpotential.

Zwischen Absturz und fliegendem Wechsel

Ein Marktpotential dieser Größenordnung gab es in der Geschichte der Datenverarbeitung noch nie. Für alle Marktbeteiligten gilt es, sich auf außergewöhnliche technische Herausforderungen, unbekannte Mentalitäten, schwierige Finanzierungsformen und überhaupt ein gerüttelt Maß an Risiko einzustellen.

Mainframe-, Midrange-, PC-Markt sowie die Service- und Ausbildungslandschaft in den neuen Bundesländern präsentieren sich mit charakteristischen Unterschieden zum Westen: Zwar sind wie überall die Zeiten der reinen Boxenschieber vorüber, doch blüht das Geschäft mit der Ausbildung. Indes scheint das Selbstbewußtsein der Datenverarbeiter im östlichen Teil Deutschlands noch ausbaufähig. Das in manchen Fällen vom Westen unterschiedliche, erfolgsabhängige Bezahlungsschema bietet Führungskräften jedenfalls gute Chancen.

Geradezu bizzare Eigenschaften diagnostiziert Jutta Beiersdorff bei Osteuropas Computermärkten (Seite 38). Fest steht, daß der schwierige Prozeß der Annäherung und Angleichung vom Westen unterstützt werden muß.

Wie sich größere Geschäfte abwickeln, ist am Beispiel des Aufbaus einer Musterfiliale der Mosstroi-Bank in Moskau nachzulesen (Seite 41). Wesentliche Schwierigkeit war die Unsicherheit der Auftraggeber darüber, welche DV-Lösungen die ausgewählte Filiale überhaupt benötigte. Der Rahmenvertrag mußte anhand nachträglicher Analysen der internen Organisation inhaltlich und konditionell noch modifiziert werden.

Wie sich einfliege Wechsel von Robotron zu IBM w für ein ostdeutsches Firmen-RZ gestaltete, zeigt das Beispiel der Stahl- und Walzwerke Brandenburg (Seite 44). Mit dem Wechsel von der Kommando- zur Marktwirtschaft wurde aus dem Rechenzentrum alter Art ein eigenständiger DV-Service-Anbieter, ein Weg, der sich für zahlreiche DV-Leistungsanbieter, von klein bis ganz groß, anbietet, soll der Aufschwung nicht zu spät kommen.

Ein besonderes Kapitel stellt die Telekommunikations-Infrastruktur im Osten dar. Ausführliches Zahlenmaterial und eine sorgfältige Analyse dieses Marktes haben Michael Berlage und Thomas Schnöring vom Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste (WIK) in Bad Honnef geliefert (Seite 46). bi

CW: Vom westdeutschen Standpunkt aus fragt man sich, was ist eigentlich so anders in den neuen Bundesländern mit der Datenverarbeitung?

Blümmel: Wir meinen, daß sich die DV-Landschaften in Ost und West bereits weitgehend angeglichen haben. Auch was die Architekturen angeht und die installierten Anwendungen, wird es in Zukunft kaum Unterschiede geben. Anders war sicher das Tempo, in dem sich die Infrastruktur im Osten aufgebaut hat. Besonders rasant und unproblematisch verlief der Auf- und Umbauprozeß von IBM-Mainframe-Installationen kurz nach der Wende, weil man erst einmal die existierenden Anwendungen übernehmen konnte. Aber natürlich hat sich auch eine Siemens- beziehungsweise SNI-BS2000-Landschaft herausgebildet.

CW: Wie ist die Gewichtung heute?

Blümmel: Das ist regional stark unterschiedlich. Im Land Brandenburg ist SNI sicher stärker als die IBM, sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. In den anderen Ländern - wurde ich sagen - hat meistens die IBM die Nase vorn, und zwar in allen Bereichen.

CW: Wie sieht es mit den PCMern aus?

Blümmel: Da allerdings gibt es Unterschiede. Die Kompatiblen haben einen verschwindend kleinen Marktanteil im Vergleich zum westdeutschen Markt.

Im Moment ist der Mainframe-Markt weitgehend gesättigt. Allerdings existiert noch ein Bedarf im öffentlichen Bereich, durch Behörden- und Ämterbildung, so auch im Umfeld der AOK und der statistischen Landesämter, die nun alle anfangen, sich mit klassischen Mainframe-erforderlichen Anwendungen und der dazugehörigen Hardware auszustatten.

Im Industriebereich gibt es eher einen Trend nach unten. Da ist in der ersten Euphorie, als die Kombinate noch groß und mit ESER-Rechnern ausgestattet waren, viel Hardware bestellt worden.

Jetzt, nach dem Wegbrechen der Ostmärkte, stecken diese Betriebe voll in der Phase der Ernüchterung. Für etliche ostdeutsche, ehemals große Firmen ist der Mainframe-Anzug viel zu weit geworden.

CW: Was hätte in dieser ersten Phase besser nicht passieren sollen? Ein Stichwort ist: Overselling. Können Sie derartige Praktiken bestätigen?

Blümmel: Hinterher ist man immer schlauer. Das zum einen. Zum anderen war es so, daß die ostdeutsche Mentalität - zumindest in der Anfangsphase von einer gewissen Leichtgläubigkeit geprägt war. Da passieren dann solche Fehlkäufe.

CW: Wenn man jetzt in den neuen Bundesländern so wie Sie in der Akquisition tätig ist, kriegt man das zu spüren?

Blümmel: Da wir nicht zu den klassischen Mainframe-Anbietern gehören, nur indirekt. Aber wir werden natürlich mit Downsizing und Outsourcing-Anfragen konfrontiert, die ihre Ursache letztendlich in dem zu großen Mainfraine-Anzug haben.

CW: Dann profitieren Sie vom Fehlverhalten anderer.

Blümmel: Sozusagen.

CW: Weg vom Mainframe-Markt zum klassischen MDT-Markt, wenn es denn in der DDR überhaupt einen solchen gegeben hat, schließlich existierte ja kein Mittelstand. Wie groß und in welchem Maße wachsend schätzen Sie dieses Marktsegment ein?

Blümmel: Es wird sicher stark wachsen. Dafür sprechen die Absatzzahlen von klassischen Vertretern im MDT-Bereich. Die IBM hat in zwei Jahren mehrere tausend AS/400 verkauft, und auch HP war mit der Unix-Linie recht erfolgreich.

CW: Andere Anbieter sind nicht nennenswert zum Zuge gekommen?

Blümmel: Doch, auch Siemens hat im Unix-Bereich verkauft oder auch Bull, regional zwar unterschiedlich, aber zum Beispiel im nördlichen Teil der neuen Bundesländer sehr gut. Der Unix-Sektor ist eben ein überproportional wachsendes Marktsegment. Dafür gibt es zwei Gründe: einmal das erwähnte Downsizing der großen Firmen, wo 30 000-Mann-Betriebe zu 5000- oder 3000-Mann-Betrieben werden, und zum anderen sicher auch eine in der alten, sehr zentralistischen, sehr Mainframe-orientierten DV-Landschaft der DDR begründete kritische Haltung zu Mainframe-Anwendungen. Diese Einstellung trifft man sogar im öffentlichen Dienst an, wo man sagt: "Endlich haben wir die neue Freiheit. Wir können unsere kommunalen Hoheiten voll nutzen, indem wir uns dezentral ausstatten mit Hardware und Software. Wir lassen uns nicht von irgendeiner zentralen Behörde, sei es nun dem Land, dem Innenministerium oder sonst irgend jemand, in die Karten schauen." Also auch von dort kommt sicher noch ein zusätzlicher Schub.

CW: Und diese Entscheider können sich ja auch auf entsprechende Manpower stützen. Man hat immer wieder gehört, daß die neuen Bundesländer sehr gut mit Unix-Spezialisten ausgestattet sind. Sind die nicht alle abgewandert in die alten Bundesländer?

Blümmel: Es gab nur wenige ad hoc einsatzfähige Unix-Spezialisten. Allerdings war es kein Problem, ich rede jedoch nur von unseren Mitarbeitern, die Leute, die alle sehr systemnah waren und zum Teil Mainframe-Betriebssysteme mitentwickelt hatten, auf Unix umzuschulen. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, so daß Unix-Know-how - für uns wenigstens - nicht der Engpaß ist.

CW: Aber personelle Engpässe gibt es natürlich. Welche?

Blümmel: Wenn man von Engpässen reden kann, dann im Zusammenhang mit den Markttrends. Da muß ich etwas weiter ausholen. Der Hardwaremarkt ist gesättigt, ob das nun der Mainframe-Markt, der PC-Markt oder auch der MDT-Markt ist, zwar in unterschiedlicher Ausprägung, doch ist überall erkennbar, daß die erste Welle der Hardware-Installationen vorbei ist. Das trifft auch zu für den ersten Schub von dezentralen Anwendungen, wo sich nun jeder mit irgendeiner Anwendung, die er zufälligerweise gekannt oder sich ausgesucht hat, arrangiert.

Meistens laufen die Entscheidungsprozesse ja so, daß man drei, vier, fünf Pakete prüft und dann das beste nimmt. Vielleicht wäre das sechste noch besser gewesen. Doch man hat es nicht gesehen und will nicht mehr neu einkaufen, so daß jetzt ein wachsender Beratungsbedarf entsteht, der auch Branchen-Know-how erfordert. Dort gibt es heute die personellen Defizite.

CW: Und das ist dann ein Marktsegment für westdeutsche Anbieter.

Blümmel: Richtig.

CW: Wir sprachen schon ganz kurz vom PC-Markt. Der hat ja nun überall seine regionalen Besonderheiten, ich nehme an, auch in den neuen Ländern. Welche Beobachtungen haben Sie in diesem mehr oder weniger seriösen Sektor gemacht? Kommen die Händler dem Bedarf nach? Wie sieht es mit Ausbildung aus? Gibt es bereits so etwas wie Freak-Märkte oder sind PCs noch vorwiegend Sache der Großanwender, die sich auf eigene Ressourcen und Berater-Know-how stützen können?

Blümmel: Wir sind im PC-Bereich überwiegend im Großkundengeschäft tätig gewesen. Da ist die Entwicklung seriös abgelaufen. Nur ist alles viel schneller gegangen als im Westen. Zuerst rollte die große Installationswelle, erst dann kam der Druck auf die Preise. Der ist natürlich jetzt da, in den NBL genau so wie überall.

Es gibt Strategien, dem auszuweichen, indem man eben versucht, mehr in Beratungen, Service und Dienstleistung zu gehen. Über kurz oder lang wird sich eine Veränderung ergeben in Richtung Anbieterstruktur wie im Westen auch. Heute existieren noch sehr viele kleine PC-Anbieter, die die Chance der ersten Stunde genutzt haben. Ob die überleben können, ist fraglich.

CW: Weg vom PC-Markt. Der Hersteller, der Dienstleistungsanbieter, der Berater, der sich in Ostdeutschland engagiert, macht die Erfahrung ganz spezieller Chancen und Risiken, die er im Westen so nicht hat. Welche sind das?

Blümmel: Der gesamte Markt war, wenn Sie so wollen, jungfräulich. Im Prinzip gibt es, wenn man den heutigen Status nimmt, von einigen Ausnahmen abgesehen, eigentlich keine einzige alte ESER-Anwendung mehr, die die nächste Zeit überleben wird. Falls überhaupt noch alte Anlagen im Einsatz sind, handelt es sich um Auslaufmodelle, weil man so schnell keine westliche Anwendung adaptieren konnte, ob das nun die Verbrauchsabrechnung auf dem Energiesektor ist oder im öffentlichen Bereich die eine

oder andere Statistikanwendung. Da gab es einen Riesenmarkt und Riesenchancen, aber diese Felder sind natürlich jetzt im wesentlichen besetzt.

CW: Möglichkeiten gibt es also nur noch im Beratungsmarkt. Können Sie den ein bißchen näher beschreiben?

Blümmel: Ein im Moment noch großer Markt ist der öffentliche Dienst, und zwar in all seinen Facetten. Da ist Geld vorhanden, und es wird weiter installiert. Über die Gebietsreformen stehen noch notwendige Änderungen an, so daß vielleicht die eine oder andere Entscheidung, die übereilt getroffen wurde, ohne Blessuren revidiert werden kann. In erster Linie kommt es dort jedoch auf die organisatorische Beratung an. Beispiel: Wir haben im DVZ in Dresden im letzten Jahr über 3000 Schulungstage durchgeführt.

CW: Welche Rolle spielte dabei das Branchen-Know-how?

Blümmel: Branchenwissen steht ganz obenan.

CW: Wie sieht es in der freien Wirtschaft aus bei hoffentlich innovations- und risikofreudigen Entscheidern, die versuchen, so etwas wie einen Mittelstand zu schaffen? Die gehen sicherlich große persönliche Risiken ein, wenn sie jetzt Entscheidungen treffen. Welche Klippen sind von diesen für eine Wirtschaft so wertvollen Leuten zu umschiffen?

Blümmel: Die Klippen sind die gleichen wie im Westen. Die Frage ist wirklich nur, ob man sie erkennt und wie man an ihnen vorbei kommt. Der typische Ansatz ist, daß die Entscheider sich im Westen schlau machen, entweder über Verbände, ihre IHKs oder befreundete Unternehmen. Schließlich werden bestimmte Lösungen favorisiert und dann auch importiert. Das gilt für den Mittelstand genau so wie für den öffentlichen Bereich. Wenn Sie so wollen, ist die Kommune auch Mittelstand.

CW: Können Sie einige Beispiele nennen?

Blümmel: Wir installieren zur Zeit viele Lösungen, aber der Mittelstand ist nach wie vor nicht so präsent, wie er sein sollte.

CW: Trotz Mittelstandsförderung? Es gibt doch Initiativen der alten Länder, die großen Anbieterfirmen machen sich ebenfalls stark dafür. Davon ist viel zu lesen und zu hören. Angeblich gibt es auch Geld. Offenbar ist Mittelstandsförderung dennoch ein trauriges Kapitel.

Blümmel: Geld gibt es, und sicher auch Bereiche, wo diese Mittel nicht ausgeschöpft wurden. Man muß differenzieren: In manchen Branchen bildet sich Mittelstand schnell heraus, beispielsweise im ganzen Umfeld Bau und Infrastruktur, wo auch unsere Kunden überwiegend tätig sind. In anderen Sektoren läuft das nicht so gut, wie man es sich wünschen würde, oder die Ansätze dazu sind, wie wir am PC-Sektor gesehen haben, schon wieder am Verschwinden.

CW: Im Westen existiert die Idealvorstellung, daß man im Osten eine Installation quasi auf der grünen Wiese und ohne Altlasten starten konnte. Haben Sie solche Fälle erlebt?

Blümmel: Ein Start ohne Altlasten? Ich habe eher erlebt, daß Altlasten von West nach Ost transportiert wurden. Wenn sich westdeutsche Firmen entschlossen haben, drüben zu investieren, dann haben sie ihre Systementscheidungen importiert und nicht grundsätzlich neue getroffen. Das gleiche gilt für den öffentlichen Dienst.

CW- Also man hat die Chance eines Neuanfangs in vielen Fällen nicht wahrgenommen.

Blümmel: Ja.

CW: Zur Struktur der Anbieterlandschaft: Ist sie anders als in der alten Bundesrepublik? Gibt es in nennenswertem Umfang ostdeutsche DV-Unternehmen?

Blümmel: Die Hardware-Anbieterlandschaft ist mit Ausnahme des Mainframe-Sektors, wo die PCM-Anbieter sicher unterrepräsentiert sind, identisch mit der westdeutschen. Ob das im PC- oder im MDT-Bereich ist, alle sind da und schlagen sich um Nuancen besser oder schlechter. Auch fast alle westdeutschen Softwareanbieter haben entweder Dependancen aufgemacht oder Firmen übernommen. Rein ostdeutsche DV-Unternehmen, die auch noch unter ostdeutschem Management laufen, sind mir nicht bekannt.

CW: Es gibt aber welche.

Blümmel: Da gab es eine große Gründungswelle auch kleinerer Softwarehäuser, die durch den Personalabbau von großen, alten DDR-Anbietern ihren Impuls erhalten haben. Viele Leute, die früher in DVZ tätig waren, sind heute als selbständige Berater oder mit kleinen Firmen am Markt. Daneben hat sich eine mittelständische PC-Vertriebs- und Beratungslandschaft entwickelt.

CW: Dominieren in den Softwarehäusern die west- oder die ostdeutschen Mitarbeiter?

Blümmel: Wir haben zu 95 Prozent ostdeutsche Mitarbeiter. In anderen Fällen ist bei den Übernahmen aus Management aus dem Westen gekommen.

CW: Gibt es bereits die Tendenz, das westdeutsche durch ostdeutsches Management abzulösen?

Blümmel: Ich kann nur sagen, wie es bei uns ist. Wir versuchen, möglichst mit ostdeutschem Management zu arbeiten. Abgesehen von zwei Mitgliedern der Geschäftsführung haben wir kein westdeutsches Management in die Ostfirmen importiert, weil wir nämlich der Meinung sind, daß wir die ortstypischen Schwierigkeiten auch mit den Leuten vor Ort lösen müssen, denn die Management-Probleme sind aufgrund der anderen Vergangenheit und Wertvorstellungen ganz verschieden von denen im Westen. Wir glauben, daß nicht alles, was im Westen glücklich macht, auch im Osten adäquat anzuwenden ist.

CW: Wie wirken sich diese anderen Vorstellungen auf die Personalführung beziehungsweise auf das Firmenklima aus? Welche Besonderheiten gibt es? Ich denke an Mitarbeiterbeteiligung. Und: Wie selbstbewußt sind die neuen Kollegen?

Blümmel: Sie sind leider nicht so selbstbewußt, wie sie sein könnten bei der Leistung, die sie bringen. Wir speziell sind, was erfolgsabhängige Bezahlungsmodelle angeht, weiter als bei Alldata West. Über weite Strecken haben wir die Führungskräfte in einem erfolgsabhängigen Bezahlungsschema. Das ist sicher ein wichtiger Unterschied zum Westen. Der Führungsstil, wenn ich den mal durch die Westbrille sehe, der ist eher autoritär.

CW: Tut man sich da als Westdeutscher eher schwerer oder leichter?

Blümmel: Man ist hin- und hergerissen. Ich wurde sagen, daß der Stil, der da im Moment praktiziert wird, zur Situation paßt. Ob er auf Dauer der richtige ist, wage ich zu bezweifeln. Denn mit wachsender Annäherung des Lebensstandards und des Wertgefüges an den Westen - Beispiel Freizeit - werden auch unsere westlichen Management-Konzepte greifen. Heute aber haben wir ganz andere Probleme.

CW: Beim ostdeutschen Markt ist immer die Rede von tiefverwurzelten Besonderheiten. Was ist darunter zu verstehen?

Blümmel: Alte Seilschaften. Aber Vetterleswirtschaft, das gibt es hüben und drüben.

CW: Die Goldgräberzeit ist vorbei. Wie heißt das Gebot der Stunde?

Blümmel: Für uns heißt es, zum einen das Beratungsgeschäft zu forcieren, zum anderen unsere Beziehungen nach Osteuropa auszubauen.

Sehr gut sind wir im öffentlichen Bereich vorangekommen. Hier haben wir den Einstieg gut geschafft mit dem Baden-Württemberger Verfahren, und wir haben heute im Raum Ostsachsen über 500 Kommunen als Kunden. Das sind 90 Prozent des möglichen Marktes. Jetzt haben wir eine stabile Ausgangsposition auch für das Beratungsgeschäft in den GUS-Ländern. Das war ja auch eine der originären Zielsetzungen bei der Übernahme der DVZ oder überhaupt unseren Aktivitäten in den neuen Bundesländern: Interesse bestand an den existierenden guten Beziehungen in den riesigen Ostmarkt und weniger an den Produktionskapazitäten in Ostdeutschland selbst.

CW: Wie sieht das konkret aus?

Blümmel: Wir sind da weniger weit gekommen, als wir gedacht haben, doch sind wir mittlerweile in Gründung einer eigenen Tochter in der Tschechoslowakei. Auch haben wir im Moment Verhandlungen über drei Joint-ventures in der Ukraine. Auch Bulgarien scheint uns ein interessantes Pflaster zu sein.