Optischen Speichern und Verarbeiten von Daten:

Alternativkonzept: Helle Köpfe rechnen mit Licht

14.03.1980

Jahr um Jahr rasante Fortschritte in der Halbleitertechnologie - da fehlte bislang natürlich der nötige "Selektionsdruck" zur Entwicklung alternativer DV-Konzepte, insbesondere optoelektronischer Techniken. Nicht allein das unbeirrbare Vordringen der sogenannten Lichtwellenleiter zeigt jetzt aber, daß künftig auch optische DV-Techniken immer interessanter werden dürften. Man erkenne langsam, meint Dr. Peter-Joachim Becker vom Fraunhofer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung in Karlsruhe, in den "FhG-Berichten", daß optische Hilfsmittel für eine Reihe von Funktionen günstigere Lösungen als die herkömmliche Elektronik erlaubten.

Gerade heuer wird der Ahnherr aller optoelektronischen Systeme zur Informationsübertragung exakt hundert Jahre alt: das "Photophon" Graham Bells, das 200 Meter überbrücken konnte. Dabei wurde Sonnenlicht von einer durch Schallwellen in Schwingungen versetzten Membran reflektiert und über einen Hohlspiegel auf eine entfernte Selenzelle geworfen. Die Selenzelle gab elektrische Signale ab, die in einem Hörer wieder zu Schall wurden.

Auch heute ist es wieder die Übertragung von Daten, die unter allen optoelektronischen Techniken der praktischen Anwendung am nächsten gerückt ist - siehe Lichtwellenleiter. Der Grund: Die Nachrichtentechniker wurden von den großen, prinzipiell erreichbaren Übertragungsbandbreiten angelockt, nämlich bei Trägerfrequenzen von etwa 10e15 Hertz und 0,1 Prozent Modulation theoretisch bis zu 1000 Gigahertz Bandbreite. Daneben reizt die Tatsache, daß optoelektronische Datenübertragungsstrecken gegen elektromagnetische Streustrahlung immun sind.

Mit Übertragungsraten unterhalb von einem Gigabit pro Sekunde liegen die heutigen Lichtleiter-Systeme noch weit unter der prinzipiellen Leistungsgrenze, es bietet sich also noch ein lohnendes Feld für intensive Entwicklungsarbeiten.

Optische Speicher

In Form der klassischen Photographie einschließlich Mikroverfilmung ist die optische Speicherung von Daten an sich; ein alter Hut, doch die moderne Lasertechnik machte plötzlich zwei grundlegend neue Konzepte des optischen Abspeicherns von Daten denkbar: den Punktspeicher und den holographischen Speicher. An beiden wird weltweit in zahlreichen Instituten intensiv gearbeitet,

Den neuesten Entwicklungsstand der Punktspeicher repräsentieren die optischen Plattenspeicher, wie etwa Philips sie vorgestellt hat. Hier können an die 10e10 Bit auf einer Wechselplatte von 30 Zentimetern Durchmesser untergebracht werden, zunächst allerdings nur in der Art eines ROM (Read-Only-Memory): Die Information wird von Löchern repräsentiert, die bleibend in einen Metallfilm eingebrannt sind. In den Versuchslabors arbeitet man jedoch schon an Weiterentwicklungen, die aus den ROM-Plattenspeichern universell einsetzbare Schreib/Lesespeicher (RAM) machen sollen.

Das Punktspeicher-Prinzip, dessen maximal erreichbare Speicherdichte im Falle von einem Mikrometer messenden Bit-Punkten etwa 10e8 Bit pro Quadratzentimeter beträgt, liegt übrigens auch den früheren "Photostore-Memories" von IBM sowie dem "Unicon" von Precision Instruments zugrunde. Letzteres arbeitet - laut Becker - mit Löchern von 3,5 mal 4 Mikrometer; beide haben Kapazitäten um die 10e12 Bit.

Holographische Speicher

Mit holographischen Speichern läßt sich die gleiche Speicherdichte wie mit Punktspeichern erreichen, doch wird hier nicht eine Folge von Bit-Punkten aufgezeichnet, sondern ein Hologramm, das durch Überlagerung zweier Lichtwellenzüge entsteht. Dabei wird die in jedem Punkt enthaltene Information über das gesamte Speichermedium verteilt und das hat zur Folge, daß lokale Störungen im Speichermedium keinen großen Schaden anrichten können; außerdem kommt man mit weniger Redundanz als bei bitorientierten Speichern aus. Vor allem aber, und das interessiert die Computerwelt ganz besonders: Holographische Speicher eignen sich schon vom physikalischen Prinzip her gut für Verfahren des ithaltsadressierten ("assoziativen") Auslesens.

Leider liegen auf dem Weg zu praktisch nutzbaren Speichersystemen noch dicke Brocken, die nur in mühevoller Kleinarbeit beseitigt werden können. So knobelt man bis heute an dem Problem, brauchbare elektrooptische Eingangswandler, sogenannte "Page Composer", darzustellen. Mit befriedigendem technologischem Aufwand konnte man bisher nur Elemente mit weniger als 200 Punkten aufbauen. Und auch die Wahl des Speichermediums ist eine Nuß, die noch geknackt sein will.

Tatsächlich in der Fertigung ist bisher nur das "Holographic Memory" von Plessey, berichtet Becker. Es speichert Worte von je 128 Bit als eindimensionale Fourier-Hologramme nebeneinander auf photographischem Film und gestattet, hier liegt sein größter Vorzug, pro Film die Speicherung von 10e11 Bytes. Damit ist dieser Speicher vor allem für große Datenarchive geeignet, bei denen es auf ein permanentes Aufbewahren der Information ankommt. (An einem Schreib-/Lesespeichermaterial, nämlich einem photochromen Film, arbeitet Plessey außerdem).

Neuere Speichermaterialien gestatten es, die Hologramme nicht als zwei-, sondern als dreidimensionale Interferenzmuster darzustellen. In derartigen Stoffen, beispielsweise in LiNbO3, können mehr als tausend Hologramme am selben Ort gespeichert werden, wobei die Interferenzmuster als Variationen des lokalen Brechungsindex aufgezeichnet werden. (LiNbO3 ist ein sogenannter photorefraktiver Kristall).

Ein solcher volumenholographischer Speicher arbeitet prinzipiell in der Art, daß zunächst das Signal in der Signalebene als (ortsabhängiges) Hell-Dunkel-Muster dargestellt wird. Eine Linse erzeugt dann im Speichermedium "Fourier-Transformierte" dieses Signals, die durch gleichzeitige Beleuchtung mit einer kohärenten Referenzwelle als Hologramm gespeichert weren kann (siehe Abbildung).

Dieses Verfahren ist sehr winkelselektiv; man kann also viele verschiedene Signale mit Referenzwellen aus jeweils leicht unterschiedlichen Richtungen in ein und demselben Volumen abspeichern. Die unterschiedlichen Einfallsrichtungen der Referenzwellen lassen

sich wiederum in der Form erzeugen, daß man die kohärenten Referenzwellen von

unterschiedlichen Punkten einer Referenzebene aus - den "Adressen" der einzelnen Hologramme-, über eine Linse in das Speichermedium ablenkt; sie treffen dadurch schräg auf.

Zum Auslesen beleuchtet man das Speichermedium mit der zu einer bestimmten Adresse gehörenden Referenzwelle, worauf das ursprüngliche Signal wieder rekonstruiert wird. Umgekehrt kann man das Speichermedium - den oben erwähnten photorefraktiven Kristall - aber auch mit der Signalwelle beleuchten und erhält dann aus Ausgabe an einem Detektorarray die "Adresse", unter der das zugehörige Hologramm abgespeichert ist: die Referenzwelle nämlich. Bei der dreidimensionalen holographischen Speicherung nach dem oben in groben Umrissen skizzierten Verfahren können bestimmte Signale auf verschiedene Weise kodiert sein: Beispielsweise als x-y-Kurve oder als linearer Signalbanken in der Signalebene, dessen Helligkeit entsprechend der aufgeprägten Information variiert. .

Optische Digitalspeicher

Bemerkenswert an den holographischen Assoziativspeichern ist besonders, daß sie nicht nur speichern, sondern auch - und das schneller als seriell arbeitende Digitalrechner - Rechenfunktionen voll führen: Durch die Linsen, schreibt Becker, werden ja zweidimensionale Fourier-Transformationen ausgeführt und das Eingangssignal wird im Speichermedium mit den abgespeicherten Signalen korreliert. Diese Realtime-Parallelverarbeitungsmöglichkeit der Optik wird beispielsweise in der Bildverarbeitung, in der Werkstoffprüfung und ähnlichem genutzt. Auch "optische Digitalrechner" sind heute Gegenstand langfristig angelegter Forschungsarbeiten, obwohl es zur Zeit, soweit man dies absehen kann, noch kein spezifisches Anwendungsgebiet gibt, auf dem nicht elektronische

Computer das gleiche leisten würden.

Immerhin: Vorschläge, wie optische Rechner realisiert werden könnten, gibt

die es bereits eine ganze Reihe. Und zu welcher Reife diese Technik eines Tages

vielleicht gedeihen mag, kann man heute beim besten Willen noch gar nicht abschätzen.

Egon Schmidt ist freier Wissenschaftsjournalist in München