Wartung nach Aufwand: Viele scheuen das Risiko

Alternativen zum Pauschalvertrag werden fast überall diskutiert, aber bislang kaum praktiziert

24.01.1992

Angesichts der hohen Verfügbarkeit moderner Hardwaresysteme schätzen viele Anwender ihre Wartungskosten als zu hoch ein; hinter vorgehaltener Hand werden bisweilen Vermutungen geäußert, die Hersteller stopften mit ihren Wartungseinnahmen Kostenlöcher in anderen Bereichen. Während die meisten DV-Verantwortlichen für die Peripherie bereits auf Maintenance-Verträge verzichten, halten sie die Wartung auf Zeit- und Materialbasis bei Zentralrechnern und Plattenspeichern im allgemeinen für zu riskant. Zwar können Pauschale Wartungsverträge die tatsächlichen Kosten eines DV-Super-GAUs nicht abdecke; doch ist die Mehrzahl der Unternehmen bereit, Jahr für Jahr fünf- bis sechsmalige Summen in die Wartung ihrer Großrechneranlagen zu investieren, um im Ernstfall nicht unkalkulierbare Kosten für Materialersatz und Technikerstunden tragen zu müssen.

Relativ zum Kaufpreis der einzelnen Maschinen sind die Wartungsgebühren in den vergangenen Jahren gesunken - nicht zuletzt deshalb, weil die Hersteller, so Siegfried Merk, Leiter der kommerziellen Datenverarbeitung bei den Optischen Werken G. Rodenstock in München, die preisgünstigere Wartung neuer Anlagen als Verkaufsargument strapazieren.

Für die immer schneller gewachsenen Rechenzentren hingegen haben sich die durch die Hardware-Maintenance verursachten Gesamtkosten vervielfacht. So ist es keine Seltenheit, wenn im DV-Budget unter dem Posten Instandhaltung sechsstellige Beträge erscheinen.

Die überwiegende Zahl der Anwender geht bei Kauf, Leasing oder Miete einer

DV-Anlage ein Wartungsabkommen mit dem Hersteller ein. Der Anbieter verpflichtet sich darin, alle anfallenden Reparaturen unentgeltlich auszuführen daneben schließt der Vertrag meist eine vorbeugende Wartung ein. Je nach Flexibilität des Anbieter beziehungsweise Verhandlungsgeschick des Kunden werden unter Umständen auch die maximale Response-Zeit im Schadensfall und/oder die Ausführung nicht-akuter Wartungsarbeiten außerhalb des Dialogbetriebs zum Bestandteil der Abmachung.

Die Gebühren, die der Anwender dafür zu zahlen hat, berechnen sich in den meisten Fällen prozentual aus dem Neupreis der jeweiligen Maschine. Ob diesen Kosten eine entsprechende Leistung des Anbieters gegenübersteht, ist in vielen DV-Abteilungen derzeit Gegenstand der Diskussion. (Siehe CW Nr. 45 vom 8. November 1991, Seite 12 bis 14, sowie CW Nr. 46 vom 15. November 1991, Seite 14 bis 15.)

Ein Teil der Anwender ist bereit, die hohen Wartungskosten (beispielsweise über

20 000 Mark jährlich für eine mittlere AS/400) als begründet zu akzeptieren; schließlich müsse der Anbieter ständig einen großen Technikerstab in Bereitschaft halten, um im Schadensfall fristgerecht reagieren zu können. Andere halten die Maintenance-Gebühren für überhöht und vermuten darin, so der RZ-Leiter eines Produktionsbetriebs im Ruhrgebiet, "eine zweite Finanzierungsmöglichkeit" des Herstellers, die den aus dem Hardwarevertrieb erlösten Gewinn beträchtlich steigern kann.

Alternativen zum Herstellerwartungs-Vertrag werden derzeit in vielen DV-Abteilungen diskutiert. Zum einen erwägen die Verantwortlichen, nicht den Lieferanten des Equipments, sondern ein Third-Party-Maintenance-(TPM-)Unternehmen mit der Instandhaltung ihrer Hardware zu betrauen - gegen teilweise erheblich (bis zu 40 Prozent) verringerte Pauschalgebühren. Eine noch dramatischere Kostenreduzierung kann der Anwender erreichen, wenn er das Maintenance-Unternehmen dazu bringt, ihm nur die tatsächlich erbrachten Leistungen in Rechnung zu stellen.

Für Peripheriegeräte wie Bildschirme, Drucker oder Magnetbandeinheiten, aber auch für PCs und teilweise sogar für größere Workstations werden heute kaum noch pauschale Wartungsverträge abgeschlossen. Die meisten Unternehmen halten hier eine Reihe von Ersatzgeräten vor, die ohne großen Zeitverlust für defekte Teile eingesetzt werden können.

Eine Ausnahme ist die Datenverarbeitungszentrum (DVZ) Potsdam GmbH. Der

DV-Dienstleister zieht es vor, auf Nummer Sicher zu gehen, weshalb Hauptgeschäftsführer Joachim Hesse auch für die Peripheriegeräte und Büroanlagen Maintenance-Verträge mit den Herstellern abgeschlossen hat.

Hesse räumt ein, daß er bei einer Abrechnung auf Basis der tatsächlich erbrachten Wartungsleistungen "natürlich äußerst günstig wegkommen" würde; im vergangenen Jahr habe er nur zweimal einen Techniker für seinen SNI-Mainframe im Hause gehabt. Allerdings befürchtet er, daß sich die wenigsten Hersteller darauf einlassen wollen: "Wenn ich IBM wäre, würde ich das auch nicht machen."

Nun kann der Hersteller einem Käufer zwar grundsätzlich nicht vorschreiben, wie oder bei wem er sein Equipment warten läßt; im Falle eines Leasing- oder Mietvertrags sieht das jedoch anders aus. Wie Heinz Wörner, DV-Chef der Badenwerk AG in Karlsruhe, berichtet, ist in den Pauschalen zur Nutzungsüberlassung der Maintenance-Anteil überhaupt nicht identifiziert. Die Anbieter seien auch nur "wenig kooperativ", wenn es gelte, dem abzuhelfen.

Daneben bietet sich dem Hersteller - namentlich der IBM eine Reihe von Möglichkeiten, seine Kunden durch mehr oder weniger sanften Druck bei der Wartungsstange zu halten, insbesondere wenn er nicht nur die Hardware, sondern auch die Systemsoftware liefert. Nach Auskunft eines Anwenders, der nicht genannt werden möchte, weisen IBM-VBs gern auf einen i Zusammenhang zwischen CPU-Wartung und Software-Maintenance hin.

Sicher nicht ganz von der Hand zu weisen sind auch die Befürchtungen von Anwendern bezüglich der Response-Zeiten bei einer Wartung auf Zeit- und Materialbasis. Im Peripheriebereich haben viele DV- und RZ-Leiter eigenen Angaben zufolge die Erfahrung gemacht, daß sie ohne Wartungsvertrag länger auf den Techniker warten mußten. "Da muß man damit rechnen, daß das Ding ein paar Tage fort ist", pflichtet Dietrich Brömmert, Leiter Org./DV bei der Henkell & Soehnlein KG in Wiesbaden, einer vielfach geäußerten Erfahrung bei.

Folglich sind Wartungsverträge für Peripherieteile auf der einen und für Host-Rechner sowie zentrale Plattenspeicher-Einheiten auf der anderen Seite in den Augen der meisten DV-Verantwortlichen zwei Paar Schuhe. Während der Ausfall eines PCs kaum Probleme aufwirft, beeinträchtigt eine Störung des am Zentralrechners früher oder später alle Unternehmensfunktionen. "Der Schaden, der durch einen Stillstand entsteht, ist letzten Endes um ein Vielfaches höher als das, was ein Wartungsvertrag kostet", formuliert Brömmert - stellvertretend für viele seiner Kollegen - seine Bedenken.

So ist denn das am häufigsten vorgebrachte Argument gegen eine CPU-Wartung nach Aufwand der Mangel an Möglichkeiten, den Hersteller in die Pflicht zu nehmen. Allerdings kann auch eine Response-Zeit-Klausel im Wartungsvertrag das betroffene Unternehmen keineswegs gegen alle Folgen eines längeren Mainframe-Stillstands absichern. Auch Brömmert kommt zu dem Schluß: "Im Prinzip ist der Wartungsvertrag ein Kompromiß."

Wenn der Hersteller die im Vertrag garantierte Frist nicht einhält, so der Wiesbadener, zahlt er vielleicht ein paar Tausend Mark Schadenersatz, "aber das steht natürlich in keinem Verhältnis zu dem entstandenen Schaden". Deshalb ist eine solche Klausel für Brömmert nur dann sinnvoll, "wenn derjenige, mit dem Sie den Wartungsvetrag abschließen, auch die nötige Kompetenz hat, um sie zu erfüllen".

Als besonders empfindlich gelten die Plattenspeicher-Einheiten; ein Ausfall dieser Maschinen wird vor allem dann kritisch, wenn das Unternehmen aus Kostengründen keine gespiegelten Platten fährt oder zumindest über Stand-by-Equipment verfügt. Was die CPU angeht, darin stimmt die Mehrzahl der DV-Manager überein, so tendiert deren Verfügbarkeit jedoch gegen 100 Prozent. "Der Prozessor ist das Ausfallsicherste, das wir hier im Einsatz haben", bestätigt beispielsweise Winfried Wolf, RZ-Leiter der Rodia AG in Freiburg.

Dennoch läßt sich kaum ein Mainframe finden, der nicht - sei es beim Hersteller, sei es bei einem Third-Party-Unternehmen - unter Wartungsvertrag stünde. Zu hoch scheint den meisten Anwendern das Risiko, vielleicht doch einmal tief in die Tasche greifen zu müssen. Dazu Ernst Orlich, Leiter ODR bei der Blohm & Voss AG in Hamburg: "Wenn dann ein Ersatzteil gebraucht würde, könnte das sehr teuer werden."

Diese Befürchtungen teilt Peter Ziegler, RZ-Leiter bei der Krupp MAK Maschinenbau GmbH in Kiel: "Falls etwas passiert, können Aggregate ausfallen, die nennenswert ins Geld gehen, zum Beispiel Power-Teile oder Boards." Ziegler sieht darüber hinaus ein Problem bei der Kostenstellen-Rechnung: Ohne einen pauschalen Mainternance-Vertrag lassen sich die Instandhaltungskosten kaum budgetieren. "Wenn ich Wartungsverträge auf Zeit- und Materialbasis mache, muß ich für jeden Gerätetyp eine Annahme treffen, die ich bei der Kostenverrechnung in Ansatz bringe", führt Ziegler aus. "Auf der Basis einer DV-Kosten-Kalkulation ist es für mich aber sehr schwierig, mit Annahmen zu arbeiten."

Für einige - vor allem sehr große - Anwenderunternehmen stehen alternative Formen der Hardware-Maintenance aus einem ganz anderen Grund überhaupt nicht zur Diskussion: Sie sind davon überzeugt, mit dem Hersteller derart günstige Konditionen ausgehandelt zu haben, daß die Kostenersparnis das mit einer aufwandbasierten Wartung verbundene Risiko kaum rechtfertigen würde. Zum Beispiel können True-Blue-Kunden mit IBM einen einzigen Vertrag über die gesamte Hardwarewartung abschließen. Ein solcher System-Service-Vertrag für Großsysteme (SSVG) kostet den Anwender 20 bis 30 Prozent weniger als entsprechende Einzelverträge.

Darüber, für welche Anwender Zeit- und Material-basierte CPU-Maintenance sinnvoll sei, gehen die Meinungen auseinander. Die einen argumentieren, daß vor allem Unternehmen, die ihre Maschinen oft austauschen, damit gut zurecht kämen, da es für neues Equipment einfacher sei, Ersatzteile zu beschaffen - sofern nicht ohnehin der größte Teil der Nutzungsdauer durch Herstellergarantien abgedeckt werde.

Andere nennen als wichtigstes Kriterium die Verfügbarkeit anderer Maschinen desselben Typs im Unternehmen.

Einer der wenigen DV-Verantwortlichen, die sich tatsächlich gegen jeden Hardwarewartungs-Vertrag entschieden haben, ist Udo Hey, DV-Leiter bei der Staff GmbH & Co KG in Lemgo. Seit mehr als vier Jahren läßt er seine gesamte Ausrüstung auf Zeit- und Materialbasis warten. "Die Erfahrung hat mir recht gegeben", freut sich Hey. "Die Maschine, die wir jetzt haben, steht hier seit etwa drei Jahren, und bisher ist nur einmal ein Thermoschalter ausgefallen." Die Größenordung dieser Reparatur habe bei 800 Mark gelegen.

Hey geht sogar noch einen Schritt weiter: Nicht einmal seine Platten-Peripherie wird pauschal gewartet. "Ich setze Comparex-Einheiten ein, die ich ebenfalls gebraucht gekauft habe. Der Kaufpreis war so niedrig, daß ich ihn binnen Jahresfrist noch einmal für die Wartung ausgeben müßte, und das halte ich für kaufmännischen Unsinn." Statt dessen hat der DV-Spezialist eine zweite Head Disk Assembly (HDA) gekauft, die er den Hersteller gegebenenfalls einbauen läßt. "Comparex ist da sehr flexibel", lobt Hey.

In drei Jahren nur ein Thermoschalter

Allerdings will der DV-Chef aus dem Lipper Bergland sein Beispiel nicht pauschal zur Nachahmung empfehlen. Der mittelständische Betrieb, dessen Datenverarbeitung er leitet, ist nämlich nicht ohne weiter es mit anderen Unternehmen vergleichbar. Beispielsweise wird der CPU-Bedarf dort schon seit Jahren auf dem Second-hand-Markt gedeckt - mit Maschinentypen, die bereits nicht mehr produziert werden. "Solange noch technische Änderungen kommen, ist das möglicherweise riskant", konzertiert Hey, "denn diese Änderungen können ja Auswirkungen auf die systemnahe Software haben."

Ein Wartungsmodell, wie er es praktiziert, hält Hey nur dann für sinnvoll, wenn Rechner- und Platten-Typ auf dem Gebrauchtmarkt preiswert und in ausreichender Menge vorhanden sind und der Anwender einen zuverlässsigen Broker mit guten Einkaufsverbindungen zur Hand hat. "Im Falle einer teuren Reparatur muß man in der Lage sein, kurzfristig Ersatz zu beschaffen", erläutert Hey.

Auch in anderer Hinsicht ist die Staff GmbH & Co. KG ein Sonderfall: Laut Hey kann sie sich einen bis zu zwei Tage dauernden DV-Ausfall leisten, "ohne daß das Unternehmen einen größeren Schaden erleidet". Für Betriebe, die stärker vom kontinuierlichen Funktionieren ihrer Datenverarbeitung abhängen, hat der DV-Experte jedoch noch ein As im Ärmel: "In diesem Fall würde ich mir wohl eine Ausweichmaschine hier hinstellen und gegebenenfalls auf die Schnelle anschließen." Eine 4381 könne er schließlich für 30 000 bis 40 000 Mark kaufen. Gewährleistet sein müsse dabei nur, daß sich die Peripherie problemlos einstecken lasse.

Geteiltes Risiko ist halbes Risiko

In kleinerem Maßstab experimentiert auch Johann Riederer, DV-Leiter der Münchener Knorr AG, mit einem Wartungsmodell auf Zeit- und Materialbasis. Zwar sieht Riederer in der kommerziellen Datenverarbeitung, also beim Zentralrechner, die Gefahr, daß ihn eine aufwandbasierte Maintenance unter dem Strich teurer kommen würde. Doch hat er für seine technischen DV-Systeme mit dem Lieferanten Prime einen Wartungsvertrag auf Zeit- und Materialbasis geschlossen, um "Erfahrungen zu sammeln".

Überdies wird bei dem Münchener Bremsanlagen-Hersteller über ein Wartungskonzept nachgedacht, das für diejenigen attraktiv sein dürfte, die sich zwar über die hohen Wartungsgebühren ärgern, aber nicht ganz ohne Netz und doppelten Boden arbeiten wollen: Für gekauftes Equipment offeriert der Schweizer TPM-Anbieter Random einen Zwitter zwischen Pauschalvertrag und aufwandbasierter Maintenance- mit dem Effekt, daß sich für beide Parteien das Risiko verringert.

Wer mit den Schweizern handelseinig wird, zahlt zunächst einen Fixbetrag, erhält jedoch am jahresende eine Abrechnung. Waren die tatsächlichen Wartungskosten geringer als der Pauschbetrag, so teilen sich die Vertragspartner die Differenz. Das Risiko für den Fall, daß der Aufwand die vom Kunden gezahlte Summe übersteigt, liegt hingegen allein beim Anbieter.