Was der Benutzer braucht, muß in die Produktentwicklung eingehen:

Allround-Mini ermöglicht kostengünstige Software

05.02.1982

Zuverlässigkeit und Servicebereitschaft sind für Ken Olsen die wichtigsten Kriterien, wenn ein Unternehmen (insbesondere natürlich sein eigenes) auch weiterhin Erfolg haben will. Dem Präsidenten der Digital Equipment Corporation, Maynard/Massachusetts, zweitgrößter Computerbauer weltweit, stellte die CW-Redaktion sechs Fragen.

- In der technischen Entwicklung waren die Mini-Hersteller den Mainframes immer ein Stück voraus. Die Universalrechner haben jedoch in den letzten Jahren stark aufgeholt. Wie wird sich die Technologie der Minis in den 80er Jahren weiterentwickeln?

Angesichts unserer weltweiten Kundenbasis genügt es nicht, die von Ihnen angesprochene technische Entwicklung zu betrachten. DEC-Produkte müssen den unterschiedlichsten Anforderungen bei einer Vielzahl von Anwendern genügen. Was der Benutzer braucht, geht deshalb ebenso in unsere Produktentwicklung ein, wie diese von den fortschrittlichen Techniken des Industriezweiges geprägt wird.

Allgemein gesprochen werden wir fortfahren, qualitativ hochwertige Produkte herzustellen, die gleichzeitig benutzerfreundlich, zuverlässig und kostensparend sind. Diese Philosophie stand schon Pate bei unserem ersten Rechner, der PDP-1, die 1960 auf den Markt kam. Diese Entwicklungskonzeption ist im wesentlichen unverändert geblieben, auch im Jubiläumsjahr 1982, nach 25 Jahren Digital Equipment.

Aber zurück zu Ihrer Frage: Wir werden unsere führende Position im technisch-wissenschaftlichen Bereich, im industriellen und im Bildungssektor festigen und verstärken. Wir beabsichtigen auch, die Marktpenetration bei kleinen Systemen zu erhöhen und unsere Präsenz im Bereich Textverarbeitung und Personal Computer deutlicher zu akzentuieren. Verschiedene neue Produkte werden in diesem Zusammenhang 1982 anzukündigen sein.

- Die Leistungsfähigkeit der Mikrocomputer in der 10 000- bis 20 000-Dollar-Klasse ist heute bereits erstaunlich hoch. Mit der Entwicklung von 32-Bit-Mikroprozessoren ist hier eine weitere Steigerung zu erwarten. Sind Sie der Meinung, daß die 32-Bit-Mikroprozessoren eine "solution, looking for a problem " sind?

- Sie planen, bis Mitte der 80er Jahre einen voll unterstützten 32-Bit-Mikrocomputer auf den Markt zu bringen. Wo soll das Haupteinsatzgebiet dieses Rechners liegen? Besteht die Gefahr, daß Sie sich damit bei der zu erwartenden Leistungsfähigkeit in Ihrer eigenen Produktpalette Konkurrenz machen?

Zwischen beiden Fragen scheint mir ein Zusammenhang zu bestehen. Ich möchte sie deshalb auch gemeinsam beantworten, wenngleich ich darauf hinweisen muß, daß wir grundsätzlich keine spezifischen Aussagen über zukünftige Produkte machen. Wie schon erwähnt, stehen einige wichtige Ankündigungen bevor. Und ich möchte betonen, daß neue Produkte von Digital Equipment als Lösung auf Anwenderprobleme und als Antwort auf die Markterfordernisse entwickelt und eingeführt werden.

Als Beispiel möchte ich das seit November 1981 neueste Familienmitglied im Mikrocomputerbereich erwähnen, den Falcon SBC- 1 1/2 1. Es ist richtig, der Falcon ist der kleinste Single Board Mikro des Industriezweiges. Aber noch wichtiger ist, daß dieses Produkt eine Lösung repräsentiert.

Eine Lösung für Konstrukteure, die auf die vielseitige Verwendbarkeit eines 16-Bit-Mikrocomputers angewiesen sind, aber diesen zum attraktiven Preis eines 8-Bit-Rechners erwerben können. Eine Lösung für OEMs, die das Board platzsparend , in ihren jeweiligen Geräten unterbringen können. Kurz, Maße, Preis und Leistungsfähigkeit des Falcon machen ihn zum idealen Mikro für Laborinstrumente, Fertigungsplanung und -steuerung Handhabungs- und medizinische Geräte.

Dieser Rechner wird sicherlich ein breites Bedarfs- und Anwendungsspektrum abdecken können, aber eben nicht jedes nur mögliche. Deshalb hat DEC von Anfang an auf das dialogorientierte "Familienkonzept" gesetzt. Die damit verbundene Aufwärts- und Abwärtskompatibilität erlaubt unseren Kunden die Auswahl derjenigen Rechnersysteme und Peripheriegeräte, die ihre Problemstellung am besten lösen

Nätürlich bringt Kompatibilität nach allen Seiten auch mit sich, daß sich unsere Produkte vom Preis, von der Leistung oder ihren Einsatzmöglichkeiten her überlappen können. Das ist unser Preis für die Vielseitigkeit des gesamten Produktangebots.

- Auch wenn es DEC nicht betrifft - welche sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten "Überlebenskriterien" für einen Minicomputer-Anbieter: Technologie, Manpower und Kapital, eine breite Produktlinie, internationale Repräsentation, Beherrschung des lokalen Marktes, Forschung und Entwicklung oder andere?

Solche Überlebensfragen gehen uns durchaus an. Wie Sie im übrigen auch für jedes andere Unternehmen zutreffen, das in der heutigen instabilen Wirtschaftssituation bestehen will. Wer es versteht, die von Ihnen genannten Kriterien als Planungsinstrumente einer langfristigen Entwicklung zu integrieren, hat schon den wichtigsten Schritt für eine gesicherte Zukunft getan.

Alle genannten Faktoren müssen zum Erfolg eines Unternehmens beitragen, aber noch wichtiger erscheinen mir Zuverlässigkeit und Servicebereitschaft zu sein. Es ist unser oberstes Ziel, die zuverlässigsten Rechner anzubieten, die sich überhaupt herstellen lassen und ein hochqualifiziertes, stets zugriffsbereites Serviceangebot zu vernünftigen Kosten damit zu verbinden.

Gerade in der heutigen Situation nimmt der Service eine Schlüsselstellung bei DEC ein. Schließlich hängt die (lebenswichtige) Produktivität in den Unternehmen unserer Kunden von der Systemverfügbarkeit ab. Wir sind auch wirklich stolz auf das, was wir im Servicebereich erreicht haben. Mehr als 16 000 Mitarbeiter, also rund ein Viertel der gesamten Belegschaft, sind in aller Welt zur Stelle, wenn unsrere Kunden uns brauchen.

- Die Wirtschaftlichkeit der Minicomputer liegt ja gerade in der Software-Beschränkung. Sind "General Purpose Minicomputer" nicht ein Widerspruch in sich?

Ganz im Gegenteil. Die Allround-Mini-Computer mit ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten haben entscheidend dazu beigetragen, daß der Industriezweig so rapide gewachsen ist. Über 500 OEMs haben auf die Allround-Mini-Computer von DEC zurückgegriffen, um ihr Geschäft zu betreiben.Diese Rechnersysteme ermöglichen unseren OEM-Partnern und den System- und Softwarehäusern, mit denen wir eng zusammenarbeiten, kostengünstige Softwareprogramme zu entwickeln, die eine breite Palette von Kundenwünschen und Marktbedürfnissen abdecken.

Ohne die Allround-Minis ist der zunehmende Einsatz von DDP-Systemen nicht denkbar, ein Anwendungsbereich, in dem es besonders auf hohe Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit ankommt. Alleine schon die weite Verbreitung dieser Mini-Computer scheint mir, zu widerlegen, daß sie softwarerestriktiv und ein Widerspruch in sich selbst sind. Ich glaube vielmehr, daß es diesen Computern direkt zuzurechnen ist, wenn heute eine Vielzahl von Benutzern in aller Welt damit arbeitet und diese Entwicklung vermutlich ohne sie nicht hätte stattfinden können.

- Kurze Produktlebenszyklen sind Gift für die Hersteller. Läßt sich die Innovationsbombe durch verstärkte Modularität und Wiederverwendbarkeit der Systemkomponenten ausgleichen?

Es freut mich, daß Sie mich auf diese Frage ansprechen. Schließlich werden bei DEC Systeme ganz bewußt für die Zukunft erstellt. Oder, um genauer zu sein, für zukünftige Anwenderbedürfnisse entwickelt. In unserem Selbstverständnis soll alles, was wir herstellen, über mehrere Jahre halten und sich möglichst folgerichtig und überschaubar entwikkeln. Nehmen Sie beispielsweise die Reihe der 16-Bit-PDP-Rechner, die es seit 1969 gibt.

Neue Modelle und Peripheriegeräte sind dazugekommen, aber die ursprünglich entworfene Architektur liegt der PDP noch immer zugrunde. Das jüngste Beispiel für eine "zukunftsorientierte Entwicklung", wie Sie das genannt haben, ist das VT 18X. Mit Blick auf die Zukunft wurde das VT 100-Terminal von DEC so ausgelegt, daß gegebenenfalls auch Erweiterungen darin Platz finden.

VT100 Benutzer können deshalb heute durch Einbau eines Boards und Anschluß einer Doppelfloppy einen Personal Computer aus ihrem Terminal machen. Viele unserer Produkte, auch die VAX-Systeme und unsere DECsystem-10 und -20-Rechnerfamilie sind zum Industriestandard geworden und das über viele Jahre geblieben.

Warum? Weil wir zukunftsorientiert entwickeln. Weil wir von Anfang an vom Entwurf über die technische Auslegung bis hin zur Fertigung sehr sorgfältig arbeiten. Weil wir das berücksichtigen, was unsere Kunden uns sagen, sei es unsere OEM-Partner oder unsere Endbenutzer. Und schließlich, weil wir den bleibenden Ehrgeiz haben, die denkbar besten Systeme zu fertigen.