Alle Agenturen erhalten neues Equipment

Allianz: Individuelle Produkte durch flexible Anwendungen

25.10.1996

"Der Kunde erwartet individuelle, maßgeschneiderte Beratung und für den persönlichen Bedarf passende Produkte", weiß Eugen Burth, Abteilungsdirektor Betriebstechnik und Organisation bei der Allianz Versicherungs AG, München. Die Versicherer reagieren darauf mit zielgruppenspezifischen Produkten, die auf unterschiedliche Risikogruppen zugeschnitten sind. Differenzierter werden auch die Tarifkalkulationen. Das heißt beispielsweise: deutlich günstigere Autoversicherungen für Garagenbesitzer oder Wenigfahrer.

Um individualisierte Tarife handhaben zu können, benötigen die Agenturen flexible DV-technische Unterstützung. Die bei den Allianz-Verkäufern vorhandenen Beratungs- und Tarifierungssysteme genügen hier nicht mehr. Sie laufen unter dem alten Microsoft-Betriebssystem DOS, das Anwendern und Entwicklern wegen seiner beschränkten technischen Möglichkeiten das Leben schwermacht. Ein Hauptspeicher von maximal 640 KB setzt der Flexibilität einer Anwendung enge Grenzen - ganz zu schweigen von den Folgen für Antwortzeitverhalten, Performance und Stabilität des Systems.

Gleichzeitig mit der Hard- und Software-Ausrüstung sollen auch die Abläufe bei Vertretern und Verwaltung neu gestaltet werden. Das Ziel sind schnellere, schlankere und durchgängigere Verfahren ohne die bislang notwendigen Medienbrüche, die eine potentielle Fehlerquelle darstellen.

Wie Burth erläutert, will die Allianz die Voraussetzungen dafür schaffen, daß der Vertreter aus dem Verkaufsgespräch heraus einen Ablauf anstoßen kann, der direkt in die Erstellung einer Police mündet. Die Daten sollen auf elektronischem Weg bis in die Bestandsführungs-Systeme hinein transportabel sein. Laut Burth sparen sich die Vertretungen dadurch den Aufwand für die bisher übliche Papierverarbeitung mit Anträgen, Bestätigungen und Beschreibungen.

Die Bestandsführung läuft auf dem Mainframe und soll auch weiterhin zentral betrieben werden. Via Datex-P und 3270-Emulation sind die Vertreter permanent mit dem Großrechner verbunden und können alle Informationen über den Status des jeweiligen Vertrags direkt von dort abfragen. Auf ihren PCs führen sie lediglich die Daten, die sich direkt auf ihre Kundenkontakte beziehen, also beispielsweise Datum und Art des zuletzt unterbreiteten Angebots oder Beratungswünsche der Kunden.

Die gefordete Durchgängigkeit der Prozesse zwischen PC und Mainframe nennt Burth als einen der Gründe dafür, warum die Allianz auf die Frage nach dem Betriebssystem für die neuen Anwendungen mit einer Entscheidung für OS/2 geantwortet hat. Der "OS/2 Communication Manager" und das Datenbank-Management-System "DB2/2" ermöglichen eine relativ problemlose Verbindung zwischen Host und Workstation, die in der Windows-Welt mehr Eigenaufwand erfordern würde.

Allerdings gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung - Ende 1994 - wenig Alternativen. Windows 3.x hatte mit denselben Beschränkungen zu kämpfen wie DOS, Windows 95 steckte in den letzten Betatests. Daß Windows NT auch im Unternehmensbereich eine Rolle spielen könnte, zeichnete sich damals noch nicht einmal ansatzweise ab. Bislang hat Burth auch keine Gründe ausgemacht, um deretwillen er diese Entscheidung revidieren sollte: "Die Möglichkeiten von Windows NT und OS/2 sind gleich, und im Business-Bereich ist die Dominanz von Microsoft keineswegs eindeutig."

Mit dem Betriebssystem wechselten die Allianz-Entwickler auch die Programmierwerkzeuge. Waren die alten Anwendungen in C geschrieben, so kommen bei der Erstellung der neuen Applikationen C++-Tools zum Einsatz - allen voran der GUI-Builder "Moove" von der Allianz-Tochter Metafinanz aus St. Georgen.

Eine Standardsoftware, die den unternehmensindividuellen Teil der Beratung und Tarifierung abdecken würde, gibt es am Markt nicht zu kaufen. Da es sich bei Produktgestaltung und Tarifen im deregulierten Markt um besonders wettbewerbsrelevante Bereiche handelt, sind unternehmenseigene Lösungen hier fast zwingend. Immerhin sollen diese Applikationen den Verkäufern helfen, den Versicherungsbedarf ihrer Kunden detaillierter einzuschätzen und die entsprechenden Angebote möglichst schnell in eine Police umzuwandeln.

Nichtsdestoweniger bemüht sich die Allianz, fertige Softwarepakete zu nutzen, wo immer sie verfügbar sind. So erhalten die Außendienstler die Textverarbeitung "Starwriter" von Star Division und auf Wunsch auch "Staroffice" vom selben Anbieter an die Hand.

Die Konkurrenzprodukte "Amipro" beziehungsweise "Smartsuite" von Lotus Development fielen deshalb aus dem Rennen, weil sich das alte Textverarbeitungsprogramm der IBM-Tochter als relativ langsam herausstellte und das Nachfolgeprodukt "Wordpro" noch nicht in einer stabilen Version auf dem deutschen Markt zu haben war.

Derzeit sind die Mitarbeiter der "Allianz Service Organisation" damit beschäftigt, Starwriter auf jedem der mehr als 20 000 Rechner zu installieren und den Versicherungsvertretern den Umgang damit nahezubringen. Unterstützt werden sie dabei von dem Ausbildungs- und Trainings-Anbieter Isys GmbH mit Sitz in Grasbrunn bei München.

Isys hatte schon dafür gesorgt, daß die Umstellung auf OS/2 nicht an den Berührungsängsten der Anwender scheiterte. Schließlich mußten viele der Agenten erst einmal lernen, eine Maus zu bedienen. Neben Computer-Based-Training-Programmen und "Paperware" erhielten alle Anwender die Möglichkeit, Trainingsstunden zu belegen. Dazu wurden bundesweit etwa 20 PC-Schulungsräume eingerichtet. Allianz und Isys hatten damit gerechnet, daß nur etwa zwei Fünftel der Versicherungsverkäufer zusätzlich zu den Selbstlernmedien die zentralen Schulungsangebote nachfragen würden. Sie lagen gar nicht so falsch: Letztendlich waren es etwa 45 Prozent.

Wer von den Verkäufern will, kann sich auch im Umgang mit der Textverarbeitung schulen lassen. Für die voraussichtlich zum Jahresanfang freigegebenen OS/2-Tarifierungsanwendungen wird es jedoch nur Unterlagen in Papierform geben. Dazu Burth: "Wir gehen davon aus, daß die OS/2-Schulungen eine gewisse Sicherheit beim Anwender ausgelöst haben, so daß das Arbeiten mit neuen Tarifbausteinen nicht mehr so dramatisch sein dürfte." Größere Trainings-Anstrengungen plant die Allianz erst wieder, wenn Mitte 1997 die Beratungsapplikationen mit ihrer Fülle von neuen Funktionen fertig sind.

Alle Ausbildungsaktivitäten werden von der Allianz finanziert den Vertreter kostet die Teilnahme lediglich seine eigene Arbeitszeit. Für die Bereitstellung von Hardware, Betriebssystem und Standardsoftware bittet das Assekuranzunternehmen allerdings mit einem monatlichen Obulus zur Kasse. Pro PC zahlen die Agenturen 130 Mark im Monat. Darin enthalten sind die Wartung, die Nutzung der Hotline sowie die gesamte Anwendungsunterstützung durch Allianz-Angestellte vor Ort in den Vertretungen.

Die Anwender nahmen, so versichert Burth, die Aussicht auf neue Systeme von Beginn an positiv auf. Die anfänglichen Bedenken gegen das ungewohnte Betriebssystem hätten sich mittlerweile zerstreut - zumal OS/2 vor der Installation so zurechtgeschneidert worden sei, daß der Verkäufer es leicht überschauen und sicher anwenden könne. Niemand sei zum Umstieg gezwungen worden, doch fast alle hätten sich dazu entschlossen.