Allgemeiner Beifall fuer das Konzept von DCE Analysten: OSF-Technik fuer verteilte DV ist noch nicht reif

20.05.1994

FRAMINGHAM (IDG) - Erste Anwendungen gibt es bereits. Dennoch glauben weder Analysten noch Anwender, dass sich das Distributed Computing Environment (DCE) der OSF vor 1996 durchsetzen wird.

"Solange brauchbare Instrumente fehlen, ist es, als fuehre man blind Auto", kritisiert Art Gaylord, DCE-Projektleiter an der University of Massachusetts in Amherst den allgemein beklagten Mangel an Werkzeugen. "Man muss schliesslich wissen, was im Netz vorgeht."

Bemaengelt wird aber auch, dass DCE noch nicht ausreichend skalierbar ist. So bedauert eine Reihe von Anwendern, dass weder Microsoft- noch Novell-Umgebungen im erforderlichen Ausmass unterstuetzt werden. Das soll sich jedoch mit der Version 1.1 aendern, die Anfang November an die Hersteller ausgeliefert wird. Zu den neuen Features soll auch das neue Kontrollprogramm gehoeren, das im Maerz auf der Uniforum-Messe in San Franzisko praesentiert wurde. Ausserdem hat Novell angekuendigt, DCE zumindest im Druck- Management zu unterstuetzten.

Zu den technischen Problemen kommt das noch fehlende Verstaendnis fuer die OSF-Technik. "Jeder hat es auf der Einkaufsliste, aber kaum ein Anwender kann sagen, was er sich davon eigentlich erwartet", berichtet Scott Winkler, ein Unix-Analyst der Gartner Group. Viele Interessenten haetten auch noch nicht verstanden, dass DCE weit mehr bietet als eine Infrastruktur fuer Unix-Umgebungen.

Trotzdem gilt das DCE-Konzept seit Jahren als unabdingbarer Standard, auch wenn die Diskussion um die Neugruendung der OSF fuer zusaetzliche Verunsicherung gesorgt hat. "Fuer den Anwender macht es damit keinen Unterschied mehr, ob er auf seine lokale Workstation zugreift oder auf einen Rechner am anderen Ende der Welt", freut sich Kevin Tyson, ein Unternehmensberater, der ein DCE-Projekt bei einer grossen New Yorker Investment-Firma betreut.

Wenn die Technik wie geplant funktioniert, koennen Anwender nach einmaligem Einloggen auf jeden angeschlossenen DCE-Server zugreifen, gleichgueltig, welche Datenbank, welches Betriebssystem oder welche Maschine dahintersteckt. Vor allem in einer Zeit der Marktkonzentration und der weltweit agierenden Unternehmen sind das, so die Analysten, unschaetzbare Vorteile.

Darin liegt auch der Grund, dass trotz der bisherigen Probleme bereits rund 100 DCE-Anwender existieren. Derzeit handelt es sich dabei allerdings vor allem um Testinstallationen einiger DCE- Module mit zehn bis 30 Workstations und PCs. Es gibt allerdings schon Anwenderunternehmen wie die Wells Fargo Bank und das Investment-Unternehmen Goldman-Sachs, die eigenen Angaben zufolge bereits kurz vor dem operationalen Einsatz von stehen.

Die Erstanwender von DCE bemuehen sich, DCE in ihre bisherige DV- Umgebung einzubinden, wobei es im vergangenen Jahr vor allem darum ging, die Technik fuer verteilte DV ueberhaupt stabil zum Laufen zu bringen. Inzwischen, so weiss die CW-Schwesterpublikation "Computerworld", sind viele Anwender dabei, DCE um Eigenschaften fuer Online-Transaktionsverarbeitung (OLTP) zu ergaenzen.

Ziel der OLTP-Erweiterungen ist es, Mainframe-Transaktionen in die Client-Server-DV einzubinden und dorthin zu migrieren. Ausserdem waere DCE ohne OLTP-Faehigkeit auf Datenzugriffe und auf Entscheidungsunterstuetzung beschraenkt. Allerdings nehmen die DCE- Pioniere in Kauf, dass sie auf diese Weise ihr Netzwerk einem hohen Transaktionaufkommen aussetzten.

Hersteller reagieren mit Ergaenzungen fuer DCE

Den Bedarf an Transaktionssystemen fuer verteilte DV haben inzwischen auch die Hersteller erkannt. Die Transarc Corp. gehoert zu den ersten, die ihr OLTP-System "Encina" auch fuer DCE anbietet. Da Encina das Basisprodukt fuer die IBMs "CICS/6000" und HPs "Encina/9000" ist, sind auch von diesen Herstellern entsprechende Ankuendigungen zu erwarten. Tandem will DCE mit Novells Tuxedo- Monitor unterstuetzen.