Bundespost und französische Telecom beschließen Joint-Venture:

Alleingang bei Mehrwertdiensten schockt PTTs

27.05.1988

MÜNCHEN (CW) - Verwirrung unter den europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen (PTTs) haben die Deutsche Bundespost und die französische Postorganisation Telecom gestiftet. Sie gaben den Beschluß bekannt. gemeinsam eine Gesellschaft zu gründen, die europaweit Mehrwertdienste anbieten soll.

Hauptaufgabe des Joint-Venture, dessen Name und Gründungsdatum noch nicht feststehen, soll nach Angaben aus Bonn die Errichtung weiterer Gesellschaften sein, die spezifische Mehrwertdienste offerieren. Außerdem wird die geplante Vereinigung europa- und weltweit die Beteiligung an bestehenden Unternehmen suchen, auch im Verbund mit anderen Partnern. Auf Anfrage der COMPUTERWOCHE konnte ein Sprecher des Postministeriums jedoch weder Angaben über die beabsichtigten Mehrwertdienste und deren Standards machen, noch Namen von Unternehmen nennen. Als mögliche Zielgruppen der Dienste nannte er Ärzte, Rechtsanwälte sowie die Touristikbranche .

Der deutsch-französische Alleingang hat bei westeuropäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen Überraschung und Aufregung ausgelöst. Ihrer Ansicht nach steht die geplante Gesellschaft im Widerspruch zu dem Beschluß der CEPT (Conférence européenne des Administrations des postes et des telecommunications), ab 1989 gemeinsam mit dem sogenannten "Managed Data Network Service in den europäischen Markt für Value-Added-Netzwerk-Dienste einzusteigen.

Die Bundespost und die Telecom versprechen sich von der Gründung der Gesellschaft jedoch eine Initialzündung für den europäischen Markt. Sie wollen mit ihrer Allianz der wachsenden Bedeutung des Bedarfs an Mehrwertdiensten in den beiden Ländern Rechnung tragen. Nach Meinung des Ministeriums könne eine Organisation von der Größe der CEPT eine solche Leistung auf Anhieb nur schwer bringen, wobei die geplante Gesellschaft die Pläne der CEPT weder behindere noch einer weiteren Zusammenarbeit im Wege stehe.

Dennoch ist es, kotz der besänftigenden Worte aus dem Ministerium in Bonn, bislang nicht gelungen, die Wogen zu glätten. Noch stehen zuviele Fragen ungeklärt im Raum und liegen nur Konzepte über die Pläne der Gesellschaft vor, die vieles im dunklen lassen. Außer den vagen Zielen ist über die beabsichtigte Vereinigung nur bekannt, daß sie jeweils eine 50prozentige Tochtergesellschaft der Bundespost und von Cogecom - selbst eine Tochter von France Telecom - mit Sitz in Deutschland sein wird. In Bonn gibt man denn auch freimütig zu, auf Drängen der Franzosen zu früh mit der Bekanntgabe der Zusammenarbeit an die Öffentlichkeit gegangen zu sein.

Insider sehen in der Liaison der beiden Postriesen ein weiteres Indiz für eine Achse Bonn-Paris im Telekommunikationsbereich. Die Zusammenarbeit beider Länder treibt ihrer Meinung nach besonders stark Blüten, seit die Bundespost im November des letzten Jahres ihren Widerstand gegen die Einführung des Minitel-Viewdata-Service in Deutschland aufgegeben hat. Jüngstes Beispiel der guten Beziehungen ist der Plan, zwischen den Städten Mülhausen und Karlsruhe eine Glasfaserstrecke für den ISDN-Datenaustausch zu verlegen.