Hochverfügbares VPN bei Schulte

Alle Unternehmensstandorte in Verbindung

27.09.2002
Der schnelle Zugriff aller Niederlassungen auf die zentrale Warenwirtschaft ist für den Baugroßhändler Schulte GmbH unver-zichtbar. Über 100 Standorte mussten über ein ausfallsicheres VPN (Virtual Private Network) mit der Zentrale und dem Rechenzentrum verknüpft werden. CW-Bericht, Jan Schulze

Zeit ist im wahrsten Sinn des Wortes Geld bei der Schulte GmbH: Der bundesweit agierende Großhändler für Sanitär und Heizung mit Hauptsitz in Essen macht die Hälfte seines Geschäfts über die zeitnahe Belieferung der Kunden. In der Regel erhält ein Handwerker seine georderte Ware innerhalb von 24 Stunden. Lange Ausfälle des Host-basierenden Warenwirtschaftssystems kann sich Schulte nicht leisten. An allen großen Standorten des Unternehmens seien drei bis fünf regionale oder lokale Mitbewerber präsent, auf die die Kunden jederzeit ausweichen könnten, erläutert Jürgen Rödl, IT-Leiter des Handelsunternehmens. Deswegen hat Schulte seine 105 Standorte in Deutschland mit einem hochverfügbaren VPN (Virtual Private Network) an die operativen Systeme und an die Zentrale angebunden.

Host-basierendes System

Als Warenwirtschaftssystem setzt Schulte die Host-basierte Eigenentwicklung "Odis" ein, die im Rechenzentrum des Rüsselsheimer IT-Dienstleisters EDS betrieben wird. Die Finanzbuchhaltung auf SAP R/3 lässt das Unternehmen bei der Düsseldorfer Thyssen-Krupp-Tochter Triaton hosten. Die Strategie bei Schulte ist, unternehmenskritische IT-Segmente in die Hände von Dienstleistern zu legen: "Wir selbst kümmern uns nur um die Endgeräte und die lokalen Netze vor Ort", erläutert Rödl. Dem entsprechend wurde auch das VPN an einen externen Partner ausgelagert.

Vor rund zwei Jahren begann Schulte, die bis dahin eingesetzten Wählverbindungen zwischen den Standorten und dem Rechenzentrum durch ein virtuelles Netz zu ersetzen. Zunächst nahm das Unternehmen die Deutsche Telekom als Servicepartner ins Boot. Rundum glücklich war der IT-Leiter mit diesem Provider jedoch nicht: "Die Servicequalität der Telekom hat bei uns nicht das Vertrauen gefunden, das sie hätte finden sollen", formuliert Rödl diplomatisch. Besonders die Flexibilität, auf veränderte Bedingungen bei Schulte schnell zu reagieren, habe nicht ausgereicht. Deswegen entschloss sich der Großhändler im vergangenen Jahr, das VPN einem anderen Partner anzuvertrauen. Die Wahl fiel auf Triaton, da zu diesem Anbieter laut Rödl bereits seit längerem gute Geschäftsbeziehungen bestanden.

Eine zentrale Anforderung an den Dienstleister war, dass dieser den Anforderungen eines bundesweit tätigen Unternehmens gerecht wird. Kleinere regionale Partner schloss Rödl von vorn herein aus: "Wir wollten einen zentralen Ansprechpartner haben, der auch bundesweit vertreten ist." Nachdem die Entscheidung für den neuen Service-Anbieter gefallen war, verlief der Wechsel zumindest auf technischer Seite problemlos, berichtet der IT-Leiter. Organisatorisch sei er jedoch recht aufwändig gewesen, weswegen Schulte sukzessive umstieg und sich rund ein halbes Jahr damit Zeit ließ.

Bei der Anbindung der Niederlassungen und Abholläger trug das Unternehmen den verschiedenen Standortgrößen Rechnung und entwickelte drei unterschiedliche Kapazitätsszenarien, um diese an die Zentrale anzubinden: Kleine Läger, in denen der Kunde weitgehend im Selbstbedienungsbetrieb seine Ware abholt, sind über eine Bandbreite von 64 Kbit/s an das VPN angebunden. Zwei bis vier Mitarbeiter sind dort tätig, die Lieferscheine werden in der Regel über zwei Check-Out-Terminals erfasst. Da die eingesetzte Odis-Lösung als Host-System einen relativ geringen Datenstrom erzeuge und keine grafische Benutzeroberfläche besitze, seien die schmalbandigen Verbindungen ausreichend, erläutert Rödl.

Redundanz ist teuer

Größere Standorte mit mehr als 40 Mitarbeitern hat Schulte mit 128 Kbit/s angebunden. Die sechs Regionalzentren, in denen auch ein Teil der administrativen Arbeiten erfolgt, benötigen den Zugriff auf die SAP-Systeme. Sie verfügen über eine Anbindung von zwei Mbit/s. Für die Hauptniederlassung mit rund 180 Mitarbeitern entschied sich das Unternehmen, vier Mbit/s einzusetzen.

Um die Ausfallsicherheit zu garantieren, benutzt Schulte für die Anbindung der Zentrale redundante Leitungen: Zwei Anbindungen mit je zwei Mbit/s erlauben durch Bündelung im Normalbetrieb die geforderte Kapazität von vier Mbit/s. Fällt eine Verbindung aus, kann zur Not auch mit zwei Mbit/s das Geschäft aufrecht erhalten werden. Bis zum Jahresanfang stand nur diese Bandbreite zur Verfügung. Für den Normalbetrieb wurde diese jedoch zu klein, weswegen sich das Unternehmen für eine Verdoppelung entschied. "Die Redundanz ist sicherlich recht teuer", räumt Rödl ein. Allerdings laufen alle Fäden in der Zentrale zusammen: Systembetreuung, Mail-Server für alle Niederlassungen und der Zugriff der Administratoren auf die ausgelagerten Systeme im Rechenzentrum des Dienstleisters erfolgen von dort. Zudem wird in der Essener Hauptstelle viel mit den extern gehosteten SAP-Systemen gearbeitet, die keine längeren Ausfallzeiten erlauben.

Auch an die mobilen Anwender, etwa Außendienstmitarbeiter, wurde bei der VPN-Installation gedacht. Diese wählen sich über ISDN oder eine analoge Verbindung direkt beim Service-Provider in das Netz ein und bekommen so Zugriff auf das Vertriebsinformationssystem und auf das Intranet von Schulte. Dazu steht eine kostenfreie 0800-Nummer zur Verfügung.

Insgesamt zeigt sich der IT-Leiter mit dem jetzigen Zustand des VPN zufrieden. Die hochverfügbaren Leitungen hätten genügend Bandbreite, um die Verbindung zum Odis-Host mit guten Antwortzeiten zu gewährleisten.

Zu lösen war allerdings das Problm des E-Mail-Verkehrs: Der Zugriff auf die zentralen Mail-Server in Essen erfolgt in den Niederlassungen ebenfalls über das VPN. Bei hohem Mail-Aufkommen eines Standorts oder großen Anhängen kommt es mit den schmalbandigen 64-Kbit-Anschlüssen der kleineren Läger schon mal zu Engpässen, die sich dann auch auf die Antwortzeiten des operativen Systems auswirken. "Dort haben wir zum Teil die Größe des E-Mail-Verkehrs begrenzt", schildert Rödl einen Lösungsansatz. Ein anderer Weg war, die Datenströme des Warenwirtschaftssystems gegenüber den E-Mails zu priorisieren. Denkbar ist für den IT-Chef noch, neben dem hochverfügbaren VPN lokale Einwahlmöglichkeiten ins Internet zu schaffen, um die Verbindung zum Mail-Server herzustellen.

Den Ausbau der hochverfügbaren Bandbreite nur wegen des E-Mail-Aufkommens schließt Rödl aus. Wenn die bestehenden 64 Kbit/s auf 128 Kbit/s erweitert würden, hätte das monatliche Mehrkosten von 350 bis 400 Euro pro Niederlassung zur Folge. Eine zusätzliche DSL-Anbindung mit Flatrate kommt die Schulte GmbH da deutlich günstiger zu stehen, zumal im Unternehmen die Kommunikation per E-Mail nicht als kritisch angesehen wird. Ausfallzeiten bis zu einem Tag wären für Rödl noch hinzunehmen.

Ganz anders bei den VPN-Verbindungen: Je nach Wochentag und Uhrzeit liegt die Schmerzgrenze bei Leitungsausfällen zwischen zwei und vier Stunden. "Bei vier Stunden wird es schon arg", schränkt Rödl ein. Denn ohne Zugriff auf den Odis-Host könnte ein Lager weder kommissionieren noch Aufträge erfassen. Damit sei es auch nicht möglich, einem Kunden die Lieferung verbindlich zuzusagen.

Deswegen legte Schulte in den Service-Level-Agreements (SLAs) auch eine End-to-End-Verfügbarkeit des VPN von der LAN-Schnittstelle des Routers zur jeweiligen Lokation von 99,7 Prozent fest. Das einzige Risiko, dass noch zu tragen ist: Für jedes kritische System - Odis, SAP R/3 und VPN - bestehen eigene SLAs. Eine Gesamtverfügbarkeit über die System- und Dienstleistergrenzen hinweg könne keiner der beteiligten Service-Provider garantieren, so Rödl. Im schlimmsten Fall sei somit ein Szenario möglich, bei dem etwa auf ein Problem mit dem VPN direkt der Ausfall der Warenwirtschaft folgt. So könnten die akzeptablen Down-Times trotz der garantierten Einzelverfügbarkeiten überschritten werden. Das ist aus Sicht des IT-Leiters jedoch höchst unwahrscheinlich.

Mehr Bandbreite ist absehbar

Für den weiteren Ausbau des VPN hat Schulte schon einige Pläne in petto. So ist etwa der Bedarf nach mehr Bandbreite für die operativen Systeme bei den kleineren Niederlassungen nur eine Frage der Zeit. Allerdings wird sich Kapazitätshunger nicht durch große Umsatzzuwächse ergeben - die Baubranche und somit auch der Handel in diesem Bereich durchläuft zurzeit eine starke Krise.

Nach schnelleren Verbindungen verlangen vielmehr neue Systeme, die die jetzige Host-Lösung einmal ablösen sollen. Um in den Lägern und Niederlassungen mehr Funktionaliät bereit stellen zu können, wird früher oder später die Migration auf ein modernes Warenwirtschaftssystem anstehen. Neue Systeme wie zum Beispiel eine SAP-Lösung würden deutlich mehr Bandbreite fordern als Odis: "Da werden wir wohl nicht mehr mit 64 Kbit/s zurecht kommen, sondern eher das Vierfache brauchen", schätzt Rödl.

Bezüglich der Kosten geht Rödl davon aus, dass hier die Zeit für Schulte spielt: "Bandbreiten sind im Lauf der Jahre permanent günstiger geworden." Auch dürfe das VPN nicht isoliert betrachtet werden: Die Kosten entstehen sowohl bei der Warenwirtschaft als auch beim Netz. Und die jetzige Odis-Lösung sei im Betrieb beim Outsourcing-Partner deutlich teurer als eine Standardsoftware.

Das Unternehmen

Die Schulte GmbH mit Hauptsitz in Essen ist ein überregional tätiger Großhändler in den Bereichen Sanitär, Heizung und Tiefbau. Das Unternehmen vertreibt seine Produktpalette mit rund 2300 Mitarbeitern an 105 Standorten in Deutschland. Zu den Kunden gehören überwiegend kleinere Handwerksbetriebe. Das Sortiment umfasst ungefähr 150000 Artikel. Über 500 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftete die ehemalige Thyssen-Tochter im vergangenen Jahr.