Interview/

"Alle Produkte werden Internet-Bezug haben"

16.02.1996

CW: Die IBM setzt in ihrer Strategie des Network-centric Computing stark auf das Internet. Wie sehen die konkreten Plaene aus?

Hug: Alle Produkte, die IBM kuenftig auf den Markt bringt, werden Internet-faehig sein - Grosssysteme, AS/400, RISC-Rechner sowie PCs. Auch die Software, die auf unseren Systemen laeuft, etwa Datenbanken, wird so gestaltet, dass der Zugang reibungslos funktioniert. Dies schliesst auch die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen mit ein. Hinzu kommt, dass wir verfuegbare Loesungen, etwa von Netscape, integrieren.

CW: Sie haben Netscape erwaehnt. Besteht in bezug auf die Unterstuetzung des Web-Browsers "Netscape Navigator" nicht ein Interessenkonflikt hinsichtlich Ihres Browsers "Web Explorer"?

Hug: Wir haben zum Teil Produkte, die zu Netscape in Konkurrenz stehen. Ich sage aber deutlich: Wenn viele Kunden die Software von Netscape fuer den Internet-Zugang benutzen, wird die IBM Netscape unterstuetzen.

CW: Wie stark setzen Sie bei Software noch auf Eigenentwicklung?

Hug: Im Bereich der Anwendungssoftware wollen wir mehr zukaufen oder Kooperationen vereinbaren, werden aber auch weiterhin selbst entwickeln. Bei der Systemsoftware, der Middleware, ist mehr an Eigenentwicklung gedacht.

CW: Eignet sich die IBM mehr Kompetenz bei Fremdprodukten an?

Hug: Selbstverstaendlich. Wir sind zum Beispiel faehig, ein reines SNI-Rechenzentrum zu betreiben. Wir koennen heute einem Kunden im Rahmen eines Outsourcing-Abkommens auch einen Netzserver von Sun anbieten. Wenn wir das nicht taeten, haetten wir in dem Markt schlechte Karten, weil kein Kunde ausschliesslich IBM-Produkte einsetzt. Die Zeiten sind vorbei.

CW: Welchen Stellenwert messen Sie in Zukunft dem Hardwaregeschaeft bei?

Hug: Auch beim Network-centric Computing brauchen Sie Hardware. Irgendwo stehen die Server, die grossen Steuerungsrechner. Die klassischen operativen Anwendungen der Kunden laufen auch in den naechsten zehn Jahren auf grossen Rechnern. Und die IBM wird in fuenf oder zehn Jahren immer noch eine grosse Hardwarefirma sein.

CW: Aber es findet doch eine Umsatzverlagerung statt. Letztes Jahr hiess es, die deutsche Tochter habe mit Software und Service zwei Drittel der Gesamteinnahmen erzielt.

Hug: Ja, wenn man das Leasinggeschaeft dazurechnet. Genaugenommen haben wir jetzt zum ersten Mal mehr Umsatz mit Software und Services erzielt als mit Hardware. Dieser Trend setzt sich fort, wird aber nicht dazu fuehren, dass wir irgendwann keine Hardware mehr haben.

CW: Welche Rolle nimmt in dieser Strategie die AS/400 ein?

Hug: Die AS/400 wird ein vollwertiger Server im Internet sein.

CW: ... also mit TCP/IP-Schnittstelle etc.

Hug: Ja, alle diese Dinge. Wobei solche Entwicklungen immer in Stufen vorankommen. Die klare strategische Aussage ist: Es werden bei IBM keine Hard- oder Softwareprodukte weiterentwickelt, die nicht Internet-geeignet sind.

CW: Welche Plaene haben Sie mit dem IBM Global Network?

Hug: Das nutzen bereits 29 000 Kunden, also Unternehmen. Primaer sind das - wenn ich von Deutschland ausgehe - nationale und internationale Corporate Networks. Wir sind aber mehr und mehr dabei, auf diese Netze Applikationen zu legen. Von E-Mail bis EDI finden Sie eigene Network-centric Anwendungen, die von der IBM derzeit entwickelt werden, die aber auch von anderen Anbietern kommen koennen.

CW: Die IBM wird also ein richtiger Internet-Provider?

Hug: Wir werden kein America Online. Die IBM hat ihr eigenes logisches Netzwerk, wird aber physische Netze von anderen Gesellschaften benutzen.

CW: Wie gehen Sie die Ausrichtung auf das Network-centric Computing beziehungsweise das Internet organisatorisch an? Gibt es da neue Divisions?

Hug: Keine Divisions, aber einen eigenen Bereich innerhalb der IBM Informationssysteme GmbH, der sich um das Internet kuemmert. Es betrifft bei uns ja die volle Breite der Produktpalette und damit des Know-hows.

Mit Edmund Hug, Vorsitzender der Geschaeftsfuehrung der IBM Deutschland GmbH, sprach CW-Redakteurin Stefanie Schneider.