Microsoft fordert Adobe heraus

AIR versus Silverlight

08.04.2011
Von 
Diego Wyllie hat Wirtschaftsinformatik an der TU München studiert und verbringt als Softwareentwickler und Fachautor viel Zeit mit Schreiben – entweder Programmcode für Web- und Mobile-Anwendungen oder Fachartikel rund um Softwarethemen.

AIR und seine Komponenten

TweetDeck ist eine der weltweit populärsten AIR-Applikationen auf dem heutigen Software-Markt.
TweetDeck ist eine der weltweit populärsten AIR-Applikationen auf dem heutigen Software-Markt.

Mit AIR (Adobe Integrated Runtime) hat Adobe Anfang 2008 eine auf Flash basierende Laufzeittechnik vorgestellt, die mit der Einführung der Out-of-Browser-Funktionalität eine neue Ära im RIA-Bereich eingeläutet hat. Vergleichbar mit der Java Virtual Machine handelt es sich hier um eine plattformunabhängige Laufzeitumgebung, die lokal auf dem Rechner des Anwenders installiert wird und AIR-Applikationen nativ ausführt. Sie beinhaltet die quelloffene WebKit-Engine (die auch die Browser Safari und Chrome auf Desktop-PCs und Smartphones verwenden) und die Flash-Engine. Damit erlaubt sie die Erstellung von RIAs sowohl auf Basis moderner Web-Techniken wie Html5, CSS3 und JavaScript als auch mit Flash, der Programmiersprache ActionScript 3.0 und mit dem quelloffenen Framework "Adobe Flex”.

Neben den kommerziellen Produkten von Adobe, unter anderem "Flash Professional CS5” oder "Flash Builder”, stehen Entwicklern die AIR- und Flex-SDKs kostenlos zur Verfügung. Diese können sie einsetzen, wenn sie einen Text-Editor oder eine andere Entwicklungsumgebung bevorzugen. Was mit AIR auf dem Desktop möglich ist, zeigt ein schnell wachsender Applikations-Markt: Von einfachen Widgets, die völlig unabhängig vom Web sind, über hilfreiche Tools wie die Grafiksoftware "Balsamic Mockups”; bis hin zu komplexeren Client-Server-Anwendungen wie der populäre Twitter-Client "TweetDeck”.

Neben einem breiten Funktionsspektrum und professionellen Multi-Screen-Features stellt die angestrebte Plattformunabhängigkeit von AIR einen aus Entwicklersicht Hauptvorteil dar. Programmcode nur einmal zu schreiben und auf mehreren Plattformen ausrollen zu können, spart viel Zeit und Geld. Gleichzeitig wird dadurch die Weiterentwicklung der Software beschleunigt, da sich Entwickler auf Verbesserungen konzentrieren können, anstatt mehrere Versionen entwickeln und verwalten zu müssen. Mit seiner nativen Unterstützung für alle wichtigen Betriebssysteme, viele Smartphones und Tablet-Computer sowie für einige Digital Home Devices ist AIR wesentlich plattformunabhängiger als Silverlight. Genau genommen unterstützt die Lösung aus Redmond nur Windows und den Mac sowie Windows Phone 7 und Symbian im Mobile-Bereich. Die Kompatibilität mit Linux soll mit dem von Novell verantworteten Projekt "Moonlight” sichergestellt werden.

Mobile Plattformunabhängigkeit bleibt jedoch auch für AIR Zukunftsmusik, solange die Runtime auf Apples erfolgreichen iOS-Geräten nicht verfügbar ist. Mit "Packager for iPhone” bietet Adobe zwar ein Tool an, das AIR-Anwendungen in native iOS-Applikationen übersetzen kann. Viele zentrale Features des aktuellen iPhone-4-Modells wie Multitasking oder das Retina-Display werden allerdings nicht unterstützt. Dass auf diesem Weg übersetzte Apps auch im App Store zugelassen werden, kann Adobe ohnehin nicht garantieren.

Darüber hinaus ist Apple nicht der einzige Big Player, der auf AIR verzichtet. Auch Nokia, laut IDC-Zahlen mit 28 Prozent Marktanteil weiterhin führender Anbieter im Smartphone-Segment, liefert seine Geräte ohne AIR-Unterstützung aus. Auch die Tatsache, dass sich das finnische Unternehmen mit Microsoft verbündet hat, künftig also auf die Plattform Windows Phone 7 und damit auf Silverlight setzen wird, deutet darauf hin, dass im RIA-Markt eine wirkliche mobile Plattformunabhängigkeit noch nicht abzusehen ist.