McKinsey entlarvt Scheinproblem

Agilität und Stabilität? Geht doch!

06.04.2016
Von 
Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

2. Governance

McKinsey unterscheidet drei Typen von Entscheidungen. Erstens große Entscheidungen mit enormer Tragweite; zweitens häufige Entscheidungen, die fachbereichsübergreifenden Dialog und Zusammenarbeit erfordern; drittens kleinteilige Entscheidungen, die sinnvollerweise weit nach unten zu Mitarbeitern mit klarer Zuständigkeit delegiert werden. Aus Governance-Sicht ist der mittlere Typus der problematische. Hier wird nach Beobachtung der Autoren organisatorische Agilität häufig ausgebremst.

Erfolgreiche Firmen haben für sich klar geklärt, welche Entscheidungen in Gremien gehören und welche auf die alltägliche Betriebsebene delegiert werden. In den Gremien gibt es klare Regeln und Verantwortlichkeiten, so dass keine gedoppelten Rollen entstehen. Diese Aspekte wären beim Smartphones die stabile Hardware. Aber die agilen Unternehmen haben auch Apps eingebaut, sorgen also für schnelle Entscheidungen und Anpassungsfähigkeit.

So gibt es in den Gremien eine dynamische Rotation der Mitglieder und - wenn nötig - virtuelle Meetings. Geachtet wird darauf, dass bei Meeting zielgerichtet diskutiert wird und Entscheidungen herbeigeführt werden. Endlos-Präsentationen, oft zu bereits gelösten Fragen, werden vermieden.

Als Beispiel führen die Berater ein Energieunternehmen an, dessen interne Governance in die Binsen gegangen war. Seit der Neuaufstellung sind Gremien vom CEO dazu angehalten, sich vorbereitende Präsentationen vorab zu Gemüte zu führen. Als Vorbereitung auf Sitzungen, die zu 90 Prozent aus Dialog, Diskussion und Entscheidungsfindungen bestehen sollen. Meetings nach dem Meeting gibt es seither in diesem Unternehmen kaum noch.

Ein anderes Beispiel: Ein weltweit agierendes Healthcare-Unternehmen benötigte vor kurzem für simple Produktverbesserungen in einem einzelnen Land jedes Mal ein halbes Jahr, weil bis zu sechs entscheidende Gremien eingebunden werden mussten. Seit einer Neuausrichtung gelingt das binnen weniger Wochen, weil dafür jetzt ein einziges abteilungsübergreifendes Team zuständig ist. Geschärft wurden überdies die Verantwortlichkeitsschwellen, bis zu denen keine Vorgesetzten ihr Plazet geben müssen.