Auf die Infor-Übernahme sollen weitere Zukäufe folgen - auch in Deutschland

Agilisys setzt den Beutezug fort

28.11.2003
MÜNCHEN (CW) - Die Tinte auf dem offiziellen Übernahmeangebot an die Infor Business Solutions AG ist noch nicht trocken, da kündigt Agilisys-CEO Jim Schaper bereits weitere Akquisitionen an. Das US-amerikanische Softwarehaus prüft derzeit potenzielle Kaufobjekte im deutschen Enterprise-Resource-Planning- (ERP-)Markt.

Für die Agilisys-Verantwortlichen scheint die Infor-Übernahme schon in trockenen Tüchern. Sie haben bereits die nächsten Akquisitionen im Auge. Neben weiteren Übernahmen im deutschen ERP-Markt kündigte Schaper eine Erwerbung im asiatischen Geschäft an, um den dortigen Distributionskanal zu verstärken. Informationen, um welche Firmen es sich handelt, sowie zum Stand der Verhandlungen wollte der CEO von Agilisys nicht geben.

Geld scheint bei den Expansionsplänen eine nachgeordnete Rolle zu spielen. Hinter Agilisys steht unter Führung von Golden Gate Capitol eine finanzkräftige Investorengruppe mit einem privaten Investmentfonds in Höhe von bislang 750 Millionen Dollar. Im ersten Quartal 2004 soll ein weiterer Fonds mit einem Volumen von 2,5 Milliarden Dollar aufgelegt werden. Davon werde Agilisys rund zehn Prozent für den weiteren Geschäftsausbau erhalten, kündigte Schaper an.

Angesichts dieses finanziellen Rahmens kann der Aufwand für Infor fast aus der Portokasse beglichen werden. Das im US-amerikanischen Atlanta beheimatete Softwarehaus bietet 4,25 Euro je Infor-Aktie. Damit beträgt der Kaufpreis für den saarländischen ERP-Anbieter etwa 42,5 Millionen Euro. Die Übernahme soll Schaper zufolge zügig über die Bühne gehen. "Je länger es dauert, desto größer ist das Risiko, Kunden zu verlieren." Im Januar 2004 soll die Übernahme, die Zustimmung der Aktionäre und Finanzbehörden vorausgesetzt, abgeschlossen werden.

In Sachen Integration beschränkt sich Agilisys vorerst auf den operativen und organisatorischen Bereich. Angaben, was die Integration der Produktlinien von Infor und der vor rund einem Jahr übernommenen Brain AG betrifft, bleiben vage. Der Fokus beider Unternehmen liegt auf den Branchen Automotive und Fertigungsindustrie, was Fragen nach Überschneidungen aufwirft. Langfristig würden die Produktlinien sicher zusammenwachsen, kündigte Schaper an. Dies sei jedoch eine Sache von Jahren. Kurzfristig würden die bestehende Software weitervermarktet und die Kunden mit den notwendigen Serviceleistungen versorgt.

Auch die Weiterentwicklung der Produkte sei gesichert, versprach Joachim Hertel, Vorstandsvorsitzender von Infor und künftiger Chief Technology Officer von Agilisys. 21 Prozent des Umsatzes will Hertel künftig für Forschung und Entwicklung aufwenden. Inwieweit die Übernahme Konsequenzen für die Infor-Kunden nach sich ziehen wird, ist derzeit nicht absehbar. Allerdings könnte es Veränderungen im Zusammenhang mit den Wartungsgebühren geben. In diesem Punkt sei Infor bislang sehr gutmütig gewesen, stellte Hertel fest.

Den Verkauf des Unternehmens verteidigte er als notwendige Konsolidierungsmaßnahme. Infor sei schlichtweg zu klein gewesen und wäre letztendlich im Markt überrollt worden. Bei einem Jahresumsatz von rund 70 Millionen Euro hätten selbst fünfprozentige Wachstumsraten das Überleben nicht gesichert. Daher hätten sich die Infor-Verantwortlichen bereits seit längerem mit Akquisitions- und Verkaufsplänen befasst. Unter anderem sei im vergangenen Jahr ein Zusammenschluss mit Brain zur Diskussion gestanden.

Mit dem Kauf von Infor peilen die Agilisys-Verantwortlichen ehrgeizige Ziele an. Das neue Unternehmen wird rund 1300 Mitarbeiter weltweit beschäftigen und rund 4500 Kunden mit 6500 Softwareimplementierungen betreuen. Im laufenden Geschäftsjahr 2004 will Schaper einen Umsatz von rund 200 Millionen Dollar sowie einen Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Goodwill (Ebitda) von etwa 42 Millionen Dollar erwirtschaften. (ba)