Andere Anforderungen an Gleichbehandlungsgebot

AGG: Behindert ist nicht schwerbehindert

29.09.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil zum Schutz behinderter, aber nicht schwerbehinderter Menschen entschieden.

Nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 18. August 2006 kann sich auf die Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) nur berufen, wer unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt.

Das sind schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 oder die diesen durch ein förmliches Verfahren gleichgestellten Menschen. Wer nicht zu diesem Personenkreis gehört, kann sich zur Abwehr einer Benachteiligung wegen Behinderung ab August 2006 auf das AGG berufen.

Der Fall

Am 27.01.2011 musste das Bundesarbeitsgericht über einen Fall einer Sekretärin entscheiden, so der Kieler Fachanwalt für Arbeitsrecht Jens Klarmann, Vizepräsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart, bei der lediglich ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt worden war und meinte, bei der Besetzung eines Chefsekretärinnenpostens wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden zu sein. (Az. 8 AZR 580/09)

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Die Klägerin bewarb sich in dem Fall bei der Beklagten für die Stelle einer Sekretärin des Chefarztes und wies dabei ausdrücklich auf den bei ihr vorliegenden GdB von 40 hin. Ihrem Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen war vorher nicht entsprochen worden. Die Beklagte besetzte die Stelle jedoch mit einer anderen Bewerberin, ohne die Bestimmungen des SGB IX zum Schutz von schwerbehinderten Menschen beachtet oder die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben. Die Klägerin sah sich als Behinderte benachteiligt und verlangte deshalb von der Beklagten eine Entschädigung.

Zwar habe sie keinen GdB von 50 und sei auch nicht gleichgestellt worden, Letzteres sei ihr aber für den Bedarfsfall zugesichert worden. Die Beklagte habe bei der Stellenbesetzung mehrfach das SGB IX verletzt, was die Vermutung auslöse, dass bei der Ablehnung der Klägerin ihre Behinderung eine Rolle gespielt habe. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht entkräften können.

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg, betont Klarmann.